Donnerstag, 16. März 2017

Aufbruchstimmung in schwierigen Zeiten: Die Pfarreien St. Mariae Geburt und St. Mariä Himmelfahrt luden zu einer Zukunftswerkstatt

Pastor Berthold Janberg in der Broicher Herz-Jesu-Kirche
beim Schlusssegen der dortigen Pfarreiversammlung von
St. Mariä-Himmelfahrt
Stellwände voller Zahlen, Daten und Fakten, vor denen Gemeindemitglieder miteinander diskutieren und einander zuhören. Dieses Bild bot sich am vergangenen Wochenende in St. Mariae Geburt und Herz Jesu. Die Rechtsruhr-Pfarrei St. Mariae Geburt und die Linksruhr-Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt hatten zur Pfarreiversammlung geladen. 220 Katholiken fanden den Weg zur Zukunftswerkestatt in Mariae Geburt. Sogar 470 waren es in Herz Jesu. Außerdem glänzte die Linksruhr-Pfarrei mit einem hohen Anteil junger Teilnehmer.
Obwohl die Zahlen an den Stellwänden: Schwindende Gemeindemitgliederzahlen und Einnahmen, steigende Personal und Energiekosten und damit schwindende Finanzreserven nicht gerade zur Euphorie einluden, war dieser Pfarreientwicklungsschritt zwischen der Phase des Sehens und des Handelns geradezu von Aufbruchsstimmung geprägt.
„Hier sind Menschen ganz ernsthaft miteinander ins Gespräch gekommen, die sich bisher gar nicht kannten“, freute sich der Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Mariä Himmelfahrt, Manuel Gatz. Und für den Pfarrer von St. Mariae Geburt, Michael Janßen, stand nach der dreistündigen Pfarreiversammlung fest: „Die Menschen haben erlebt und begriffen, dass uns Kirche alle angeht.“
Die unaufgeregten und sachlich geführten Diskussionen machten deutlich, dass die Gemeindebasis der jeweils 16.000 Mitglieder zählenden Stadtpfarreien keine Angst vor einer Zukunft hat, in der die katholische Kirche an der Ruhr kleiner wird und die Laien in den Gemeinden mehr Verantwortung übernehmen müssen, weil es weniger hauptamtliches Personal geben wird. Allein die Zahl der Priester wird sich in der 170.000 Einwohner zählenden Stadt im Süden des Ruhrgebietes bis 2030 von zwölf auf sechs halbieren. Positiv überrascht waren die Teilnehmer der Pfarreikonferenzen darüber, dass sich in den beiden Pfarreien insgesamt rund 6000 Menschen ehrenamtlich engagieren und mit ihren Festen und anderen Veranstaltungen mehrere 1000 Menschen in der Stadt erreichen.
Einige Stimmen aus den Diskussionen in Mariae Geburt und Herz Jesu zeigten, wo hin die Reise gehen könnte.
Klaus Drews (55) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen einen Finanzausgleich zwischen den armen und reichen Bistümern in Deutschland.“
Meßdienerleiter Ole Werger (22) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Kirche muss sich mehr in Schulen und Vereinen engagieren. Sie muss ein breiteres Gottesdienstangebot machen, das nicht nur Ältere, sondern auch Jugendliche anspricht.“
Thomas Macioszek (30) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen charismatischere Predigten und müssen uns wieder mehr auf die Verkündigung des Evangeliums konzentrieren.“
Martin Linssen, Arzt aus St. Mariä Himmelfahrt: „Kirchen könnten auch als Begegnungsstätten und Gemeindezentren genutzt werden.“
Gabi (53) und Detlef Flecken (61) aus St. Mariae Geburt: „Gemeinde findet nicht nur in der Kirche statt. Wir müssen Kompromisse machen. Wir müssen nicht in allen Kirchen die gleichen Gottesdienste anbieten. Vielleicht wird die Kirche kleiner, aber die Gemeinde und ihre Aktiven freier und vielfältiger.“
Christian Kochius (29) aus St. Mariae Geburt: „Wir müssen raus aus der Kirche und im Alltag christliche Werte vorleben und vertreten. Wir sollten solche Pfarreiversammlungen öfter abhalten, um als Gemeinde gemeinsam unsere Entwicklungsziele definieren zu können.“
Alfred Beyer (73) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Wir brauchen in Zukunft mehr ökumenische Zusammenarbeit mit den evangelischen Kirchengemeinden.“
Meßdienerleiter Fabian Behur (23) und Jugendbeauftragte Julia Bromma (19) aus St. Mariae Geburt: „Wir sollten auch Gospelgottesdienste und Jugendgottesdienste mit Popmusik anbieten. Außerdem täten der Liturgie mehr christlich inspirierte Alltagstexte gut, die auch von Jugendlichen verstanden werden können.“
Meßdiener Fabian Schlüter (15) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Die Gemeindemitglieder müssen zusammenrücken. Gleichzeitig müssen Gemeinden mehr offene Veranstaltungen, wie zum Beispiel ein offenes Singen und Freizeitaktivitäten, anbieten.“
Ulrich und Gisela Jung aus St. Mariae Geburt: „Unsere Gruppen müssen mehr Außenwirkung entfalten. Gemeinden müssen auch mit Veranstaltungen zu sozialen, theologischen und ethischen Themen an die Öffentlichkeit gehen.“
Rolf Hohage (72) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Wir dürfen uns nicht aus der Fläche zurückziehen, sondern müssen als Gemeinde nah bei den Menschen sein und erreichbar bleiben.“
Christel Post (60) aus St. Mariae Geburt: „Wir sollten mehr kleine Gottesdienste anbieten, bei denen Menschen als Gruppe Gemeinschaft erfahren und miteinander ins Gespräch kommen können.“
Christian Pöhlmann und Sabine Langhals aus St. Mariae Geburt: „Die Leute sollen sich in der Kirche wohl- und willkommen fühlen. Raus mit den Kirchenbänken und Stühle rund um den Altar aufstellen. Das ist kommunikativer und gemütlicher.“
Herbert Teiglake (78) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen eine bessere religiöse Erziehung und Bildung. Und wir müssen unsere wenigen Priester von Verwaltungsaufgaben entlasten, damit sie mehr Zeit für Verkündigung und Seelsorge haben.“
Christoph Ducree (46) aus St. Mariae Geburt: „Wir brauchen als Gemeinde offene Treffpunkte und müssen in den Stadtteilen erreichbar sein. Ehrenamtlich sind gut und wichtig. Sie können aber auch nicht alles leisten. Viele Menschen sind heute beruflich eingespannt und haben keine Zeit fürs Ehrenamt.“
Edith und Werner Gerbener aus St. Mariae Geburt: „Wir haben weniger Jugendliche, als ich gedacht hätte. Deshalb müssen wir uns als Gemeinde umso intensiver um die wenigen Jugendlichen kümmern, die da sind.“
Magdalena und Dieter Gatz aus St. Mariä Himmelfahrt: „Solche Veranstaltung, wie die heutige, sollten wir bei Zeiten wiederholen.“
Ilona Zolonkowski (61) aus St. Mariae Geburt: „Die Priester müssen ihre Predigt umstellen und das Evangelium verständlicher verkünden.“
Christel Essers (52) aus St. Mariä Himmelfahrt: „Auch Laienpredigten sind denkbar und wünschenswert, um einen stärkeren Alltagsbezug in der Verkündigung herzustellen.“

Dieser Text erschien am 18. Februar im Neuen Ruhrwort

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