Ich habe noch den Satz meiner seligen und viel zu früh verstorbenen Großmutter
im Ohr: „In der Innenstadt zu leben, ist ganz schön teuer“, pflegte sie immer zu
sagen, wenn sie uns besuchte und aus dem Fenster auf die vielen Geschäfte auf
der Schloßstraße schaute. Zugegeben: Ladenleerstände waren zu ihrer Zeit noch
kein Thema.
Doch auch trotz mehrerer aktueller Leerstände haben die gute
alte Schloßstraße und die Stadtmitte auch heute noch so einige Reize zu bieten.
Wenn ich heute aus dem Fenster meines Arbeitszimmers auf die Schloßstraße
schaue, blicke ich automatisch auf die verführerischen Schaufensterauslagen
eines süddeutschen Lebkuchenanbieters. Er ist vor einigen Wochen mit seinen
Lebkuchen, Oblaten und Baumkuchen ausgerechnet in die Geschäftsräume einer
Eisdiele eingezogen, die zurzeit eine Herbst- und Winterpause eingelegt
hat.
Man sieht: Die Schloßstraße ist irgendwie ein Sinnbild für unseren
menschlichen Lebensweg. Unabhängig von jahreszeitlichen und konjunkturellen
Veränderungen und Wandlungen bleibt eines immer gleich, die Summe der süßen
Verführungen.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihr Portemonnaie,
ihre Waage oder ihre bessere Hälfte. Der Mensch ist und bleibt eben ein
Naschkatze. Der Rest ist Schweigen – und stiller Genuss.
Dieser Text erschien am 24. Oktober 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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