Klaus Töpfer (links) hier in der Diskussion mit Karola Geiß-Netthöfel und Franz-Josef Overbeck |
Mit nicht weniger, als mit der Zukunft des Planten beschäftigte sich jetzt der Rat für Land- und Forstwirtschaft im Bistum Essen bei einer Akademieveranstaltung, zu der der Gastgeber 170 Gäste in die Wolfsburg eingeladen hatte. Der prominenteste Teilnehmer war der ehemalige Bundesumweltminister und Ex-Chef des UN-Umweltprogrammes, Klaus Töpfer.
Bevor sie dem inzwischen 78-Jährigen Unruheständler das Wort für ein Impulsreferat übergab, machte die Sprecherin des Rates, Marlies Schmitz, den klassischen Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie deutlich. An das Auditorium gewandt sagte sie: „Wenn ich sie fragte, ob sie für den Erhalt von Feldern, Wiesen und Wäldern seien, würden Sie sicher ebenso mit Ja antworten, wie wenn ich sie fragen würde, ob sie für mehr Arbeitsplätze, mehr Wohnraum und eine bessere Verkehrsinfrastruktur seien.“
Nicht nur seine Sprecherin stellte klar, dass der Rat für Land und Forstwirtschaft den Freiflächenverbrauch im dicht besiedelten Ruhrgebiet gestoppt sehen und die Landwirtschaft mit ihren lebenswichtigen Produkten auch preispolitisch wieder mehr wertgeschätzt sehen möchte. „Es reicht. Unsere Felder dürfen nicht länger als Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen in Wäldern und auf Wiesen missbraucht werden“, unterstrich einer ihrer Rats- und Berufskollegen.
Auch wenn die Direktorin des Regionalverbandes Ruhr, Karola Geiß-Netthöfel mit Blick auf die Renaturierung der Emscher und vieler Bergbauflächen keinen Zweifel daran ließ, „dass der Erhalt der Grünzüge im Ruhrgebiet für uns Priorität hat“, musste sie doch auch einräumen: „Manchmal werden sie auch angeknabbert, wenn es dafür zwingende wirtschaftliche Gründe gibt.“ Ruhrbischof Franz Josef Overbeck sprang ihr bei, wenn er feststellte: „Wir brauchen als katholische Christen im Ruhrgebiet eine stärkere Sensibilisierung für die Schöpfung, aber wir brauchen auch mehr Katholiken. Und die bekommen wir nur, wenn wir mehr Arbeitsplätze und vor allem mehr Mittelständler in unsere Region holen.“
Umwelt-Experte Töpfer öffnete den regionalen Blick seiner Zuhörer und Gesprächspartner für die weltweite Perspektive der ökologischen und sozialen Zukunftsaufgaben der Menschheit. Töpfer und Overbeck lobten in diesem Zusammenhang die nicht nur ökologisch, sondern auch sozial wegweisende Botschaft der päpstlichen Enzyklika Laudato Si. „Papst Franziskus fährt hier keinen Schmusekurs. Seine Botschaft ist für uns unbequem, aber notwendig und richtig,“ unterstrich Töpfer.
Nachdenklich und zugleich kurzweilig lieferte Töpfer, der sich mit dem Satz: „Ich der Grüne Punkt, aber nicht der gelbe Sack“, als Urheber der deutschen Mülltrennung vorstellte, seinem Publikum erhellende wie erschreckende Eckdaten. Während man in Norwegen mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 60.000 Euro und in Deutschland immerhin noch mit 40.000 Euro pro Jahr rechnen kann, sind es in den meisten afrikanischen Ländern gerade mal 1000 Euro pro Jahr. Gleichzeitig wächst die im statistischen Durchschnitt 20 Jahre junge afrikanische Bevölkerung, während die im Durchschnitt 45 Jahre alte deutsche Bevölkerung, wie die der meisten europäischen Nachbarländer weiter schrumpft. Folge: Gab es um 1900 dreimal mehr Europäer wie Afrikaner, so gibt es heute etwa genauso viele Afrikaner, wie Europäer. Und 2030 werden unter den dann neun Milliarden Erdenmenschen (heute sind es schon 7,2 Milliarden) dreimal mehr Afrikaner als Europäer leben.
„Die Globalisierung kommt zu uns und sie wird weiter zu uns kommen“, schaute der CDU-Politiker und bekennende Katholik Töpfer schonungslos in unsere Zukunft. Integration, sozialer Ausgleich und Identitätsstiftung werden also zur gesellschaftlichen Daueraufgabe. Angesichts der auch vom Ruhbischof postulierten Solidarität und Bescheidenheit, machte eine Christdemokratin aus dem Publikum deutlich.
„Wir brauchen nicht nur weltweit, sondern auch bei uns in Deutschland mehr Solidarität. Denn wir haben bei uns eine enorme Gerechtigkeitslücke. Wenn bei uns heute viele Menschen mit 1200 Euro brutto am Monatsende nach Hause gehen und im Hamsterrad einer prekären Beschäftigung gefangen sind, dann haben sie keine Kraft und keine Zeit mehr an etwas anderes, als an ihre materielle Existenzsicherung zu denken.“
Klauws Töpfer bei seinem Impulsreferat |
Töpfer konnte und wollte seiner Parteifreundin nicht widersprechen. „Wir müssen unseren Konsumwahn überdenken. Wenn wir dann vielleicht auch weniger Wirtschaftswachstum haben, können wir damit doch auch neues Wachstum in Form von mehr Ruhe und weniger Stress, mehr Zeit für die Familie und weniger Burn out, gewinnen“, gestand er zu. Der Christdemokrat nahm ein entsprechendes Positionspapier der Ruhr-CDU wohlwollend zur Kenntnis und empfahl seiner Bundespartei, möglichst bald einen Deutschland-Kongress darüber abzuhalten, was die Franziskus-Enzyklika Laudato Si, die er in der Tradition der 1891 von Papst Leo XIII. verkündeten Sozial-Enzyklika Rerum Novarum sieht, für eine moderne christlich-demokratische Politik im 21. Jahrhundert bedeuten kann und bedeuten muss.
Wie eine ökologisch und sozial verträglichere Zukunft in unserer Region und auf unserem Planten aussehen könnte, machte RVR-Direktorin Geiß-Netthöfer mit dem anschaulichen Hinweis auf den aktuell laufenden Bau des Ruhrradschnellweges und auf die Renaturierung alter Bergbauflächen und die neue wirtschaftliche Nutzung industrieller Brachflächen deutlich.
Dass der eigene ökologische Anspruch nicht immer mit dem eigenen ökologischen Fußabdruck in Einklang zu bringen ist, musste Klaus Töpfer erfahren, als er kritisierte, „dass bei uns immer noch mehr als 50 Prozent der Mobilität mit dem Auto stattfindet.“ Daraufhin wollte ein Zuhörer von Töpfer wissen: „Wie sind Sie eigentlich zu dieser Veranstaltung gekommen?“ Der Ex-Minister musste zugeben: „Man hat mich vom Düsseldorfer Landtag hier hin gefahren. Aber wenn ich mit dem E-Bike hier hin gekommen wäre, würde ich auch wirklich merken, dass ich 78 Jahre alt bin!“ Töpfer hatte die Lacher auf seiner Seite. Denn jeder, der die zur Wolfsburg führende Prinzenhöhe vor Augen hatte, wusste, was er meinte und musste ihm Recht geben.
Dieser Text erschien am 8. Oktober 2016 im Neuen Ruhrwort
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen