Serap Tanis |
Ihr eigener Lebensweg, der 1964 in Istanbul begann und sie 1969 nach Deutschland führte, war nicht immer ein Spaziergang. „Ich habe einige Jahre mit meiner Oma in Istanbul gelebt, während meine Eltern bereits in Deutschland lebten. Als ich Fünf war, bin ich dann mit einer für mich völlig fremden Stewardess ihnen nach geflogen. Die Frau war sehr freundlich zu mir und hat mir zwei Schwarzwald-Püppchen geschenkt, mit denen ich während des Fluges gespielt habe“, erzählt Tanis eine Geschichte vom Beginn ihres Lebensweges.
Auch als sie später mit ihren Eltern, die Mutter arbeitete als Reinigungskraft, der Vater als Kranführer bei Mannesmann, und ihren beiden Schwestern in Eppinghofen aufwuchs, lernte sie schnell: „Du kommst nur weiter im Leben, wenn du auf andere Menschen zugehst und ihnen Vertrauen entgegenbringst.“ So traf Tanis, heute Mutter einer 18-jährigen Tochter, zum Beispiel die Nachbarin Frau Weber, die sie in die Geheimnisse der deutschen Grammatik einführte oder später Lehrer, wie Herrn Nußbaum, Herrn Schneider oder Herrn Zimmermann, die sie mit Sätzen wie: „Du kannst was. Du bist intelligent. Du schaffst das!“ immer wieder ermutigten ihren Weg zu gehen.
Dieser Weg führte sie, unterstützt von ihrer bildungsbewussten Mutter, von der Grundschule an der Zunftmeisterstraße und der Hauptschule an der Bruchstraße über die damals noch existierende Realschule Saarn bis zur Gustav-Heinemann-Gesamtschule, wo sie Mitte der 80er Jahre das Abitur bestand. Schnell stand für sie fest: „Ich will studieren, am liebsten Sprachen und Pädagogik!“ Doch irgendwie traute sie ihrer eigenen Courage nicht und arbeitete erst mal als Reinigungskraft in der damals noch existierenden Evangelischen Akademie.
Den Absprung zur Uni schaffte sie erst nach drei Jahren, nachdem eine Kollegin sie angegangen hatte: „Das mit dem Studium erzählst du nur so. Das machst du doch nie. Du wirst immer hier putzen.“ Das war der notwendige Stich ins Herz, um los zu legen. Ein Sprachenstudium begann sie, brach es aber wieder ab, ehe sie mit ihrem Pädagogik-Studium ins Schwarze traf und Mitte der 90er Jahr in diesem Fach ihr Diplom machte. Weil es bei den Pädagogen damals kaum studentische Hilfskraftstellen gab, heuerte sie als Hilfskraft bei den Elektrotechnikern an und konnte so ihr Studium finanzieren.
Mit diesem „nicht immer geraden Lebensweg“, auf dem es auch Zeiten der Arbeitssuche und der befristeten Projekt-Stellen gab, ist Tanis, die inzwischen als Abteilungsleiterin im katholischen Jugendwerk Kurbel arbeitet, dafür prädestiniert für das, was inzwischen zu ihrer Lebensaufgabe geworden ist, die Förderung von Zuwanderinnen. Für diese Arbeit, die inzwischen viele Talente gehoben hat und Zuwanderinnen aus der stillen Arbeitsmarktreserve in vor allem soziale und pädagogische Berufe, etwa in der Mediation, der Erwachsenenbildung, der offenen Ganztagsschule oder der Kindertagesstätten gebracht hat, ist die Diplom-Pädagogin jetzt vom Initiativkreis Ruhr mit dem Talent Award 2016 ausgezeichnet worden. Auch wenn sie im Moment noch nicht genau sagen kann, wie das organisatorisch aussehen könnte, steht für Serap Tanis schon jetzt fest, dass sie ihr Preisgeld (5000 Euro) nicht im Klein-Klein verpulvern, sondern in nachhaltig wirkender Weise in ihre pädagogische und soziale Förderarbeit fließen lassen möchte, um den Lebensweg von möglichst vielen Zuwanderinnen zu ebnen und positiv zu beeinflussen.
„Wir müssen alle ein aktiver Teil der Gesellschaft werden und dürfen nicht nur die Defizite sehen. Wir müssen zuerst auf die vorhandenen Ressourcen der einzelnen Menschen schauen“, formuliert Serap Tanis ihr Credo. Dass das kein frommer Wunsch ist, sondern funktionieren kann, beweist Serap Tanis mit ihren Lebensbeispiel.
Dieser Text erschien am 19. Oktober 2016 in NRZ/WAZ
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