Mittwoch, 13. April 2016

Pfarrgemeinden in der Entwicklung: Ein Gespräch mit dem Gemeinderatsvorsitzenden von St. Mariae Geburt

Falko Meyer
„Wandel auf allen Ebenen.“ Unter diesem Leitwort beschäftigte sich der katholische Akademikerverband (wie berichtet) in der vergangenen Woche mit der Zukunft einer aus demografischen und gesellschaftlichen Gründen kleiner werdenden Kirche. Doch wie stellt man sich an der Mülheimer Kirchenbasis auf diesen Wandel ein? Wir fragten  Falko Meyer. Der 43-jährige Familienvater und Finanzcontroller engagiert sich als Gemeinderatsvorsitzender in der knapp 17 000 Mitglieder zählenden katholischen Stadtgemeinde St. Mariae Geburt.

Was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft ihrer Gemeinde und in die der katholische Stadtkirche schauen?
Wir wissen aus den Zahlen des Bistum, dass wir bis 2030 etwa ein Drittel der Kirchenmitglieder, 44 Prozent unserer Kirchensteuereinnahmen und die Hälfte unserer Priester verlieren werden.

Worauf ist dieser Schrumpfungsprozess zurückzuführen?
Das hat zunächst mal demografische Gründe. Wir haben heute immer mehr Rentner in den Gemeinden, die keine Kirchensteuer bezahlen. Außerdem haben kircheninterne Skandale in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass viele kirchenferne Christen  aus der Kirche ausgetreten sind, weil es heute gesellschaftlich eher opportun ist, auf die Kirche draufzuhauen, als Mitglied der Kirche zu bleiben.

Wie reagieren Sie auf diesen Wandel?
Wir haben nicht nur in St. Mariae Geburt einen Pfarreientwicklungsprozess begonnen, zu dem wir ausdrücklich auch kirchenferne, aber noch an der Kirche interessierte Christen einladen. Wir haben uns auf den Weg gemacht und Arbeitsgruppen gebildet, die sich zunächst mal das Leben in der Pfarrgemeinde ansehen. Wie läuft es mit der Kinder und Jugendarbeit? Welche Gebäude und Angebote haben wir und welche brauchen wir und was brauchen wir in Zukunft vielleicht nicht mehr? Dieser Pfarreientwicklungsprozess soll dann Ende 2017 in ein Entscheidungsvotum an den Bischof münden.

Die Kirchenbasis zerbricht sich den Kopf und der Bischof entscheidet.
So war es bei der Gemeindeumstrukturierung 2005/2006. Aber diesmal soll die Basis entscheiden. Der Bischof will nicht von oben herab Reformen verordnen. Das haben seine Mitarbeiter und er uns versichert. Ich kann verstehen, dass viele Menschen aufgrund ihrer in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen skeptisch sind. Aber ich bin zuversichtlich, dass dieser Dialog zwischen Basis und Bischof funktionieren und sich dann auch langfristig etablieren wird. Das gilt auch dann, wenn sicher nicht alle kirchlichen Entscheidungen künftig von der Basis getroffen werden.

Kirche 2030! Wie sieht die aus?
Das wissen wir heute noch nicht. Wir haben noch keine Antworten. Deshalb machen wir uns auf den Weg und sind auch an den Ideen und Vorstellungen der kirchenfernen, aber noch an der Kirche und am christlichen Glauben interessierten Menschen interessiert, die wir heute nicht mehr erreichen.
Warum brauchen wir Kirche und ihre Gemeinden heute und auch im Jahr 2030?
Weil die Frohe Botschaft Jesu ganz viel mit dem Leben der Menschen zu tun hat und ihnen damit Halt, Orientierung, Sinn und Werte vermittelt. Aus Gesprächen weiß ich, dass dies auch kirchenferne Menschen so sehen und der sozial und seelsorgerisch engagierten Kirche zugestehen, im Sinne von Gemeinschaft und Hilfe für die Schwachen ein Korrektiv zum fortschreitenden Egoismus in unserer Gesellschaft darzustellen. Das muss auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Dieser Text erschien am 6. April 2016 in der NRZ und in der WAZ

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