Samstag, 9. April 2016

Peter Kalde geht nach 21 Jahren als Leiter der Rembergschule in den Ruhestand. Die Förderschule mit den kleinen Klassen, so sagt er, werde weiterhin gewollt und gebraucht

Peter Kalde und seine kommissarische Nachfolgerin
Anne Schwarz
„Hier ist jeder Schüler sein eigener Lehrplan“, sagt Peter Kalde. Seit 21 Jahren leitet der Sonderpädagoge mit Vorliebe für Musik und Philosophie die Förderschule für Menschen mit geistiger Behinderung. Kommende Woche verabschiedet sich der 62-Jährige in den Ruhestand. Donnerstag fragte ihn einer seiner Schüler: „Sind Sie nächste Woche bei der Bandprobe dabei?“ Auf Kaldes Antwort: Nein, bin ich nicht, meinte der Jugendliche nur: „Na dann, schönen Urlaub!“

Kalde kennt solche Dialoge: „Wir haben hier mit besonders originellen Schülern zu tun. Und die werde ich auf jeden Fall vermissen“, betont er. „Meine Arbeit hat mir immer Freude gemacht“, sagt er im Rückblick auf sein 36-jähriges Berufsleben. Es begann in den 70er Jahren, als er als sonderpädagogischer Referendar an einer niederrheinischen Grundschule die Kollegen der Regelschule beim Gemeinsamen Unterricht begleitete. Heute nennt man das Inklusion.

Ist die Inklusion , also das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Handicap, eine Innovation oder ein Irrweg? „Man darf die Inklusion nicht dogmatisch betrachten“, sagt der Förderschulrektor. Er warnt vor einem „pädagogischen Schwarz-Weiß-Denken“ und wiederholt sein pädagogisches Credo. Die Tatsache, dass die Schülerzahlen an der Rembergstraße auch nach dem Start der Inklusion mit aktuell 158 stabil geblieben sind und sogar eine steigende Tendenz haben, zeigt ihm, dass die Förderschule für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung „von Eltern und Schülern auch weiterhin gewollt und gebraucht wird“. Das überrascht nicht. Denn von einer individuellen Förderung in kleinen Klassen mit neun bis zwölf Schülern sind die inklusiven Klassen an den Regelschulen noch weit entfernt.

Dennoch empfindet Kalde die inklusive Zusammenarbeit mit Regelschulen, wie der Grundschule an der Hölterstraße, der Luisenschule, der Schule am Hexbachtal, den Realschulen Broich und Stadtmitte oder mit der Gesamtschule Saarn als produktiv und bereichernd für alle Beteiligen. Da wird gemeinsam musiziert und Sport getrieben oder Schüler stellen am Ruhrufer 112- und 110-Hinweisschilder für den Notfall auf.

„Unsere Schüler erschließen sich durch solche gemeinsamen Schulprojekte neue soziale Kontakte und erweitern ihren Horizont“, freut sich Kalde. Sein Eindruck: „Schüler und Eltern sind heute selbstbewusster geworden und denken auch schon früher darüber nach, was nach der Schule kommen soll.“

Die Probe-WG, die die Schule an der Rembergstraße mit der SWB, der Stadt und der Lebenshilfe betreibt, ist für ihn nur ein Paradebeispiel dafür, wie man Menschen mit geistiger Behinderung praktisch auf ein möglichst selbstständiges Leben vorbereiten kann.

Auch wenn 95 Prozent seiner Schulabgänger auf eine Berufstätigkeit in einer beschützenden Werkstatt für Behinderte zusteuern und nur wenige den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen, sieht Kalde die pädagogische Leistung darin, Schüler zu selbstbewussten Menschen zu erziehen, die sich im Alltag behaupten und wohlfühlen. In dem sie z.B. selbstständig einkaufen, ihre Freizeit gestalten und in der Lage sind, klar und deutlich zu sagen, was sie wollen und was nicht.

Die Sonderpädagogin Anne Schwarz wechselte bereits 2013 als Konrektorin zur Förderschule an der Rembergstraße. Dort wird sie, zunächst kommissarisch, in der kommenden Woche die Nachfolge Peter Kaldes antreten. Zur Zeit unterrichten in der Förderschule an der Rembergstraße 55 Lehrer 158 Schüler im Alter von 6 bis 21 Jahre


Dieser Text erschien am 29. Januar 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung und in der Westdeutschen Allgemeinen

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