Freitag, 13. November 2015

Early Excellence in den städtischen Kindertagesstätten: Die Kontroverse geht weiter

Demokratie und Kinder sind wichtig und wertvoll. Beide erfordern Zeit, Geduld und Arbeit. Drei Stunden Zeit nahmen sich jetzt Bildungsdezernent Ulrich Ernst, der im Jugendamt für Kindertagesstätten zuständige Abteilungsleiter, Ingolf Ferner, und die für Early Excellemce zuständige Koordinatorin und Fachberaterin Karin Bode-Brock. Sie setzten sich mit Eltern, Erzieherinnen und einer Kinderärztin an einen Tisch. Inhalt des Gespräches waren Anspruch und Wirklichkeit in der Kindergarten-Pädagogik der 39 städtischen Kitas.

Kinder werden sich selbst überlassen. Sie bleiben den ganzen Tag in einem Lernraum. Denn sie befürchten, dass ihnen sonst ihr Spielzeug weggenommen wird. Deshalb gehen sie auch oft nicht zum Mittagessen. Eltern sind bei den Teambesprechungen der Erzieherinnen unerwünscht. Erzieherinnen können ihnen auf Nachfrage keine konkreten und kontinuierlichen Auskünfte über die Entwicklung ihrer Kinder geben. Geplante Aktivitäten fallen aufgrund von Zeit- oder Personalmangel aus. Verstörte Kinder werden plötzlich aggressiv oder still. Sie nässen ein oder können nicht schlafen. Vorschulkinder wissen noch nicht, wie man soziale Kontakte knüpft oder wie man Stift und Schere hält.
Solche Missstände, die betroffene Eltern vorbrachten, machten die Vertreter der Stadt selbst betroffen. „Das, was Sie mir geschildert haben, ist genau das Gegenteil von dem, was wir mit Early Excellence erreichen wollen. Deshalb werden wir Ihre Kritik im Rahmen unserer Qualitätssicherung aufarbeiten. Denn ich bin einer der Urheber von Early Excellence in den städtischen Kitas. Wir haben als Stadt in die Vorbereitung, Realisierung und wissenschaftliche Begleitung von Early Excellence vier Millionen Euro investiert. Deshalb habe ich ein starkes Interesse, daran, dass dieses gute pädagogische Konzept auch in der Praxis gut funktioniert“, betonte Ernst. Er machte aber auch deutlich, dass er von „Eltern und Erzieherinnen, die heute nicht mit am Tisch sitzen viel positive Resonanz auf die Praxis der Early-Excellence-Pädagogik erhalten habe. Bode-Brock wies darauf hin, dass alle Erzieherinnen vor der Umstellung der städtischen Kitas eine einjährige Fortbildung durchlaufen hätten. Und Ferner unterstrich, dass das zuständige Jugendamt jederzeit für Anregungen und Kritik von Erzieherinnen und Eltern offen sei.

Ernst forderte die Eltern auf, konkrete Einrichtungen zu nennen, damit man an konkreten Schwachstellen arbeiten könne. Den Vorschlag einer Elternbefragung zur Early-Excellence-Praxis lehnte er aber als wissenschaftlich nicht aussagekräftig ab. „Bildung entstehe durch Bindung“, erklärte ein Vater seine Forderung nach einer besseren personellen Ausstattung der städtischen Kitas. Nachdem die FDP bereits im Landtag Early Excellence zum Thema gemacht hat, werden die Grünen das Thema heute auf die Tagesordnung des Jugendhilfeaussschusses setzen.

Debatte im Jugendhilfeausschuss

Auch auf Anfrage der Grünen im Jugendhilfeausschuss räumte der zuständige Dezernent Ulrich Ernst einzelne Problemfälle ein, wies aber pauschale Kritik am Early-Excellence-Konzept zurück. Während die Vertreter von CDU und FDP für pädagogische Alternativen zum EEC-Konzept und mehr Wahlfreiheit für die Eltern einforderten und Elternvertreter Jörg Kampermann in diesem Sinne den Erhalt und die Stärkung, der nicht nach EEC arbeitenden konfessionellen Kindertagesstätten forderte, plädierten die Sprecherinnen vom MBI und Grünen für eine bessere personelle Ausstattung der städtischen Kindertagesstätten. Doch Lydia Schallwig vom Jugendamt machte deutlich, dass der Stadt dieses Geld für freiwillige Zusatzleistungen fehle, die über den Personalschlüssel und die entsprechenden Zuweisungen nach dem Kinderbildungsgesetz (Kibitz) hinausgehen würden. EEC-Projektleiterin Karin Bode-Brock kündigte für 2016 eine groß angelegte Fortbildung aller gut 300 städtischen Erzieherinnen an. Und der im Jugendamt für die Kindertagesstätten zuständige Abteilungsleiter, Ingolf Ferner, machte noch einmal deutlich, dass sein Abteilung für Kritik und Anregungen immer ein offenes Ohr habe.

Dieser Text erschien am 10. November 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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