Christel Wentzel |
Wenn Christel Wentzel einkauft oder anderweitig im Stadtteil unterwegs ist, passiert es ihr, dass sie Menschen grüßen, bei denen sie sich fragt: Woher kennst du die?
Die gelernte Bankkauffrau, Mutter und Großmutter kennt viele in der Pfarrei St. Barbara und viele kennen sie. Kein Wunder. Denn auch mit 70 ist sie lieber in der katholischen Frauengemeinschaft und verschiedenen Kreisen der Gemeinde aktiv, „als zu Hause oder im Café herumzusitzen und über dies und das zu plaudern.“ Von der Gemeinschaft, in der sie aktiv ist, fühlte sie sich auch emotional aufgefangen, als sie vor vier Jahren ihren Mann verlor. In den 90er Jahren war Wentzel auch als Katechetin und Flüchtlingshelferin aktiv. Damals, in Zeiten des Balkankrieges, kümmerte sie sich um eine Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien. „Auch jetzt könnte ich mir wieder ein ähnliches Engagement vorstellen, wenn die Flüchtlingshilfe bei uns anläuft“, sagt sie. Wentzel ist überzeugt: „Wir schaffen das mit der Integration der Flüchtlinge, wenn wir die Menschen an die Hand nehmen und sie so sein lassen, wie sie sind und sie selbst bereit sind, unseren Lebensstil zu tolerieren und zu akzeptieren.“
Toleranz ist für die überzeugte Christin, die sich gar nicht vorstellen kann, „wie ein Leben ohne den lieben Gott funktionieren kann“, ein Schlüsselwort. In den 50er Jahren, als von Ökumene, geschweige denn Zuwanderung und Integration von Muslimen keine Rede war, erlebte sie als Tochter eines evangelischen Vaters und einer katholischen Mutter, dass Ökumene kein Problem war, so lange sich nicht die Amtskirche mit ihren theologischen Bedenken einschaltete. „Weil sie einen evangelischen Mann geheiratet hatte, durfte meine Mutter nicht mehr zur Kommunion gehen“, erinnert sich Wentzel an ihre Jugend vor dem 2. Vatikanischen Konzil. Darüber kann sie heute nur noch lachen und den Kopf schütteln.
Aktuell dreht sich bei ihr alles um Peciu Nou in der westrumänischen Region Temesvar. Denn dort haben die aus dem Ruhrgebiet stammende Caritas-Mitarbeiterin Maria Maas und die Ordensschwester Ita nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur in den frühen 90er Jahren eine Sozialstation und ein Dorf für Waisenkinder aufgebaut. Schon seit 1991 unterstützen Wentzel und ihre 40 Mitstreiterinnen aus der katholischen Frauengemeinschaft St. Barbara die kirchliche Sozialarbeit in Rumänien. Am Montag ist es wieder so weit. Dann werden 40 KFD-Frauen und zehn hilfreiche Männer von 9 bis 16 Uhr im Pfarrheim am Schildberg 93 wieder anpacken und einpacken, was in Peciu Nou dringend gebraucht wird. Obwohl viele Unterstützer der Hilfsaktion am Montag mit ihren Sach- und Geldspenden persönlich vorbei kommen, hat Wentzel schon Sachspenden angenommen oder abgeholt. Derzeit sind ihre Wohnung und ihre Garage mal wieder angefüllt mit Kartons. Es sieht aus, wie in einem Warenlager: Spielsachen, Kleidung, Hygiene-Artikel, Schuhe und zwei Kartons voller Brillen. Letztere hat Norbert Misiak von der Barmer Ersatzkasse gebracht. „Die werden in Peciu Nou dringend gebraucht. Sehbehinderte Menschen probieren die Brillen so lange aus, bis sie eine gefunden haben, die sie besser sehen lässt“, erzählt Wentzel.
Aus ihren eigenen Besuchen in Peciu Nou weiß sie, wie segensreich die hier gesammelten Spenden wirken. „Immer wieder kommt es vor, dass Waisenkinder einfach vor dem Haus abgelegt oder abgegeben werden. Sie und andere Bedürftige hätten ohne die Pflegeeltern des Kinderdorfes und die vom Pfarrer Georg Kober aufgebaute Sozialstation keine Chance. Doch mit unserer Unterstützung ist es gelungen, ihnen ein normales Leben zu ermöglichen.“ Die tatkräftige KFD-Frau aus St. Barbara freut sich, wenn sie jungen Erwachsenen begegnet oder von ihnen hört, die in Peciu Nou groß gezogen worden sind und heute als gut ausgebildete Väter und Mütter mitten im Leben stehen.
„Wir können zusammen hier viel bewirken, weil es in unserer Gemeinde auch noch viele junge Leute gibt, die sich engagieren und mithelfen“, unterstreicht Wentzel. Immerhin hat die Rumänienhilfe aus St. Barbara seit 1992 42 Hilfstransporte mit rund 52 000 gut gefüllten Kisten nach Peciu Nou bringen und Geldspenden in einer Gesamthöhe von insgesamt rund 81 000 Euro sammeln können. Besonders dankbar ist sie dafür, dass sie mit Helmut Weiring einen Speditionsunternehmer gefunden hat, der mit seinem LKW die Hilfsgüter selbst ins 1700 Kilometer entfernte Peciu Nou bringt.
Dieser Text erschien am 24. Oktober 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung
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