Lag es am Wetter, am Wochenende oder am Thema? Bei der Frage: Wer soll Bundespräsident werden? Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) oder der ostdeutsche Theologe Joachim Gauck, der sich als Bürgerrechtlicher in der DDR und später als Leiter der Behörde zur Verwaltung und Aufarbeitung der Stasi-Akten einen Namen gemacht hat, winkten viele Bürger ab oder gaben sich ahnungslos.
Trotz Urlaubs machte sich allerdings der Personalratschef des Stadtverwaltung, Bernd Bittscheid, (58) seine Gedanken zur Präsidentenwahl: „Ich würde für Gauck plädieren, weil er aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Werdeganges alle Fähigkeiten mitbringt, um das Präsidentenamt zu bekleiden. Er kommt nicht aus dem politischen Tagesgeschäft und hat einen starken Gerechtigkeitssinn und ist überparteilich.“
Statt Wulff oder Gauck hätte Rentner Gerd Barkhofen (65) lieber Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen als Bundespräsidentin gesehen, „weil sie mit ihrem Können und ihren intellektuellen Fähigkeiten ein Aushängeschild für Deutschland gewesen wäre.“Jetzt tendiert er eher zu Gauck als zu Wulff, weil der sich „darum bemüht hat, dass in der DDR geschehene Unrecht aufzuklären und dabei gute Arbeit geleistet hat.“ Barkhofen bedauert, dass die Bürger in der Präsidentenfrage „keine Wahl haben“, sondern ein Staatsoberhaupt „vorgesetzt bekommen.“
Für den Musiker Josef Meier (56) steht fest: „Wenn überhaupt einer, dann der Gauck, weil er überparteilich ist.“ Die Nominierung von Wulff durch die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP empfindet er als „Ver- und Entsorgung eines unbequemen Ministerpräsidenten.“ Die 40-jährige Verwaltungsfachangestellte Sabine Margold würde Christian Wulff wählen, „weil er mir mit dem was er sagt und wie er es sagt als Mensch sympathisch ist.“ Die 49-jährige Journalistin Claudia Leyendecker hätte Ursula von der Leyen als Bundespräsidentin bevorzugt. Über die Präsidentschaftskandidaten Wulff (50) und Gauck (70) sagt sie: „Der eine ist mir etwas zu jung und der andere schon etwas zu alt.“
Die 39-jährige Reiseverkehrskauffrau Sabine Liffers hat sich inhaltlich noch nicht mit den beiden Präsidentschaftskandidaten auseinandergesetzt. Rein äußerlich würde ihr Christian Wulff besser gefallen. Sie fände sie es nicht schlecht, wenn das Staatsoberhaupt direkt vom Volk gewählt würde. Bürgerferne„Die machen ja doch, was sie wollen. Da wird sich für uns nichts ändern“, erklärt Rentner Bodo Wecker (65), warum ihn die Bundespräsidentenwahl gar nicht interessiert. „Ich fände Gauck als Bundespräsidenten besser, weil er keiner Partei angehört und deshalb politisch nicht gebunden ist“, betont Markthändlerin Elvira Rademacher (73).
Angesichts so vieler gebrochener Wahlversprechen sind Politik und Präsidentenwahl für die 43-jährige Einzelhandelskauffrau Claudia Banaszak kein Thema mehr, „weil ich mich nur darüber aufregen würde.“ Außerdem bezweifelt sie, „ob ein Bundespräsident für uns kleine Bürger etwas bewegen könnte.“ Der Hausmann Michael Loh (52) könnte mit beiden Kandidaten leben, sieht aber bei Gauck eine größere Lebenserfahrung und eine beachtliche Lebensleistung bei der Aufarbeitung des DDR- und Stasi-Unrechts. Die Rentnerin Ilse Zimdahl (76) findet Christian Wulff zwar sympathisch, würde das Bundespräsidentenamt aber am liebsten gleich einsparen, und wie etwa in den USA, Staatsoberhaupt und Regierungschef auf eine Person vereinigen.
Dieser Text erschien am 5. Juni 2010 in der NRZ
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