Samstag, 7. Dezember 2019

Lektion fürs Leben

Gestern war Nikolaustag. Ich erinnere mich, dass ich als Kindergartenkind, von Kindertagesstätten war damals noch keine Rede, einen echten Kulturschock erlitt, als uns unsere Kindergärtnerin in ihrem pädagogischen Eifer darüber aufklärte, dass Sankt Nikolaus schon lange tot sei. Meine Mutter, die mich täglich um 12 Uhr in Empfang nehmen musste, weil der Kindergarten damals pünktlich schloss und keine Rücksicht auf vielbeschäftigte und berufstätige Mütter nahm, musste mich erst mal wieder seelisch aufbauen, weil ich mir doch vom Nikolaus ein Telefon gewünscht hatte. Das Telefon, es war noch kein Handy und kein Smartphone, sondern eines mit Drehscheibe und ohne Anschluss oder Flatrate, stand am Nikolausmorgen dann doch vor unserer Haustür, weil Sankt Nikolaus vielleicht nicht mehr unter den Lebenden weilt, aber legendär genug ist, um bis heute Menschen mit seinem Vorbild zu inspirieren, die in seinem Geiste handeln und Kinderherzen höherschlagen lassen. Als ich dann ein Jahr später als Erstklässler meine strenge Klassenlehrerin aufklärte, dass der Nikolaus schon lange tot sei, von dem sie behauptete, er werde uns am Nikolaustag in seinen Sack stecken, wenn wir nicht artig seien, hatte meine Mutter die Bescherung und musste bei Frau Knecht Ruprecht zum Rapport antreten, weil ihre Sohn das (un)pädagogische Konzept und die Autorität seiner Klassenlehrerin untergraben hatte. Damals lernte ich fürs Leben, dass man sich nicht immer beliebt macht, wenn man die Wahrheit sagt, auch wenn man recht hat, aber deshalb noch lange nicht recht bekommt.

Dieser Text erschien am 7. Dezember 2019 in der NRZ

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