Sonntag, 8. Dezember 2019

Knecht Ruprecht, bitte melden!

Jetzt begegneten Mutter und mir Sankt Nikolaus und ein Engel auf der Schloßstraße. Zumindest gaben sie sich dafür aus. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das Gespann als ganz irdisches und jugendliches Paar, das als Werbemaskottchen auf dem Weihnachtstreff eine Marktlücke füllte und sich damit wohl das nötige Kleingeld für seine Weihnachtsgeschenke verdiente. „Wo ist denn Knecht Ruprecht?“, fragte sich Mutter spontan im Angesicht der beiden freundlich erscheinenden jahreszeitlichen Gestalten. Sie kommt noch aus der Generation, in der der Nikolaustag nicht nur ein freudig, sondern auch ein bang erwarteter Tag der Bescherung war. Wenn man Glück hatte und lieb gewesen war, wurde man von Sankt Nikolaus beschert. Wenn man Pech hatte und hinter seinen moralischen Möglichkeiten zurückgeblieben war, hatte man die Bescherung und machte eine unangenehme Bekanntschaft mit dem ruppigen Begleiter des Heiligen Nikolaus und dessen Rute. Solche Rohrstockpädagogik ist heute Gott sei Dank von gestern. Denn entgegen anders lautender vermeintlicher Volksweisheiten, haben so manche Schläge noch allen geschadet, die sie erdulden mussten. Auf der anderen Seite wäre so manchem Rambo, der sich in unserer kleinen und großen Welt auf Kosten seiner Mitmenschen rücksichtslos durchs Leben boxt, weil er Respekt für Schwäche hält, der handfeste Besuch des Knecht Ruprecht als kleiner Denkanstoß und als Nachhilfe in Sachen Menschlichkeit durchaus zu wünschen.

Dieser Text erschien am 3. Dezember 2019 in der NRZ

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