Freitag, 4. Oktober 2019

"Die Freiheit ist das höchste Gut!"

„Die Freiheit ist das höchste Gut. Für sie lohnt es sich jeden Tag einzutreten, zu arbeiten und sie zu verteidigen.“ Das sagt Peter Hippe am Ende seines Zeitzeugenvortrages. Und das ist an diesem Tag der deutschen Einheit auch seine wichtigste Botschaft an die 100 Gäste der CDU-Herbstgespräche im Medienhaus am Synagogenplatz.
Für CDU-Fraktionschefin Christina Küsters steht nach Hippes Bericht fest, „dass ihre Lebensgeschichte zeigt, das Freiheit und Demokratie alles andere als selbstverständlich sind.“
Man merkt dem 77-jährigen Diplomingenieur aus Halle an der Saale, der heute mit seiner Frau in Düren lebt, an, dass ihn die Geschichte seines Lebens vor und nach dem Mauerfall tief bewegt. Für seine Zuhörer, die zum größten Teil nicht in der DDR aufgewachsen sind, ist sein Zeitzeugnis eine wertvolle Deutschstunde, der man noch mehr Zuhörer gewünscht hätte.
In seiner Biografie spiegeln sich die Wechselfälle der jungen deutschen Geschichte. Die Mutter flieht von Halle an der Saale in den Westen Deutschlands und lässt den Sohn bei der Großmutter zurück. Der soll nachkommen. Doch ein Fluchtversuch scheitert und bringt ihn zwischenzeitlich in Haft und dann kommt 1961 der Mauerbau dazwischen. Hippe richtet sich in der DDR ein. Er heiratet, wird Vater eines Sohnes , arbeitet zunächst als Baufacharbeiter und später als Bauingenieur. „Doch ich habe gespürt, dass ich in diesem System nicht glücklich werden kann, weil ich meine Meinung nicht frei äußern durfte, weil ich mich beruflich nicht weiterentwickeln konnte und weil ich keine Reisefreiheit hatte und mich eingesperrt fühlte“, erinnert er sich an das Lebensgefühl in der DDR.

Wie im Gefängnis

Die Konsequenz für seine Frau und ihn war der erste von insgesamt 17 Ausreiseanträgen, die er ab 1985 stellte. Nur weil er die DDR verlassen wollte, machte ihm die Deutsche Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit der DDR das Leben zur Hölle. Operative Psychologie nannte das die Stasi wie er 1992 in seiner 2000 Seiten umfassenden Stasiakten nachlesen konnte. Ein Kollege hatte die Stasi als inoffizieller Mitarbeiter über alles informiert, was Hippe tat und ließ. Er verlor seine Arbeit als Bauingenieur, fand zwar eine neue Stelle bei der Evangelischen Kirche in Halle an der Saale, wurde aber dennoch regelmäßig von der deutschen Volkspolizei und der Staatssicherheit zur so genannten Disziplinierungsgesprächen geladen und durfte den Kreis Halle nicht verlassen. „Wenn ich die Beamten, die sich mir nur mit ihrem Dienstgrad vorstellten, fragte warum ich nicht ausreisen dürfe, sagten sie mir immer nur: ‚Wir kriegen euch!‘“ , erinnert sich Hippe.
Das Ehepaar konnte sich in seiner Hallenser Wohnung nicht mehr sicher fühlen. Die Wohnung wurde von der Stasi verwanzt und während der Abwesenheit der Eheleute immer wieder durchsucht. Außerdem wurden über Hippe, in der sich in der Bürgerrechtsbewegung und in der kirchlichen Friedensbewegung engagierte, haarsträubende Gerüchte über außereheliche Affären oder Verkehrsunfälle mit Fahrerflucht in Umlauf gebracht um ihn in den Augen seiner mit Menschen zu diskreditieren. Auch an seinem Auto wurde technisch manipuliert.
Die Repressalien des DDR-Staatsapparates hatte erst ein Ende, nachdem sich Hippe und 12 weitere Leidensgenossen im November 1988 in die Ost-Berliner US-Botschaft flüchten und dort ihr Anliegen nach einer Ausreise Aus der DDR vorbringen konnten. Mithilfe des Ständigen Vertreters der Bundesrepublik in Ostberlin, Otto Bräutigam, und mithilfe des DDR-Anwaltes Wolfgang Vogel gelang es den 13 DDR-Dissidenten im November 1988, nur ein Jahr vor dem Mauerfall, die DDR zu verlassen.

„Wir konnten damals nicht ahnen, dass die DDR so schnell zusammenbrechen würde , obwohl man überall merkte, dass ich die Situation im Land zuspitzte und immer schwieriger wurde“, erinnert sich Hippe. Als ihn ein Kollege am Abend des 9 November 1989 an seinem neuen Arbeitsplatz in Westberlin anrief und ihm sagte: „Die Grenzen sind offen“, sagte er ihm: „Du spinnst!“ Doch Stunden später erlebte er den Mauerfall am Check-Point-Charlie selbst mit: „Auf der einen Seite der Mauer riefen die Leute: „Lasst uns rein!‘ und auf der anderen Seite der Mauer riefen sie „Lasst uns raus!‘“, berichtet er von den bewegenden Szenen, die sich in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1989 an den Berliner Grenzübergängen abspielten. Er selbst lässt keinen Zweifel daran, „dass ich sehr glücklich darüber bin, dass ist die Wiedervereinigung miterleben durfte, denn wenn die DDR weiterexistiert, hätte ich meine Heimat Halle an der Saale nie wiedergesehen.“
Doch der Mann mit den Wurzeln im Osten Deutschlands, der heute im Westen zu Hause ist, kennt auch ehemalige DDR Bürger, die sich mit dem Ende des SED-Staates nicht abgefunden haben und ihn bis heute als „Verräter“ beschimpfen und am liebsten Mauer wieder hochziehen würden, obwohl es ihnen zum Teil wirtschaftlich heute besser geht als vor 1989. So macht Hippe deutlich, dass die staatliche Einheit Deutschlands seit 29 Jahren wiederhergestellt ist, an der Vollendung der inneren Einheit Deutschlands aber weiterhin gearbeitet werden muss.

Erinnern für die Zukunft

Als Zeitzeuge, zum Beispiel in Schülergesprächen, ist Peter Hippe heute im Auftrag der Bundesstiftung Aufarbeitung, der Stiftung Berliner Mauer und der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen unterwegs und arbeitet mit dem Institut für Deutschlandforschung an der Ruhr-Universität Bochum zusammen. Weitere Informationen finden Interessierte im Internet unter: www.ddr-augenzeuge.de sowie in seinem Buch: Peter Hippe: „Unmittelbare Gefahren für die staatliche Sicherheit“, in: Frank Hoffmann/Silke Flegel (Hg.): Fluchtpunkt NRW. Zeitzeugenberichte zur DDR-Geschichte, in der Reihe Deutschland in Europa. Gesellschaft und Kultur, Bd. 3, ISBN 978-3-643-13382-3, Berlin 2016.

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