Donnerstag, 23. August 2018

Wie aus Feinden Freunde wurden - 17 junge Franzosen, Holländer, Dänen und Engländer halfen vor 70 Jahren beim Trümmerräumen in der Stadt

Mülheim 1947: Frauen stehen an der Bahnstraße für Wasser an
Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
www.stadtarchiv-mh.de
„Jacqueline gefällt es in Mülheim“. So titelt die Mülheimer Lokalausgabe am 18. August 1948. Es könnte sich um das Portrait einer Austauschschülerin  handeln. Doch drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, ist an Städtepartnerschaften nicht zu denken. Die erste wird 1953 mit dem englischen Darlington geschlossen.

Umso bemerkenswerter ist der NRZ-Bericht über 17 junge Franzosen, Engländer, Niederländer und Dänen, die den Mülheimern beim Wiederaufbau ihrer von 160 Luftangriffen getroffenen Stadt helfen.
Denn nach dem Kriegsende sind 29 Prozent der Mülheimer Wohngebäude zerstört. Auf den Straßen liegen 800 000 Kubikmeter Trümmerschütt ihre Straßen. Erst 1953 wird die Stadt von Trümmern frei sein. Die 17 Studenten und jungen Angestellten aus dem bis vor kurzem noch als feindlich  deklarierten europäischen Ausland „wollen den Mülheimern dabei helfen, dass ihre Stadt wieder aufgebaut wird“, sagen sie dem Lokalreporter der NRZ, während sie vor dem St. Marien-Hospital Trümmer räumen.

Ihr Einsatz, den sie vier Wochen lang frewillig und unentgeltlich im Auftrag des 1920 in der Schweiz gegründeten Internationalen Zivildienstes leisten, soll im Nachkriegs-Europa den Gedanken der Völkerverständigung befördern.

Und das tut er auch. „Das sind echte Idealisten“, bescheinigt ein Mülheimer Lastwagenfahrer dem Reporter der NRZ. Während einige Mülheimer ungläubig und manchmal auch belustigt, die jungen Männer und Frauen bestaunen, die freiwillig Trümmer räumen, kommen andere mit Lebensmitteln herbei, obwohl sie selbst nicht viel haben, um die freiwilligen Helfer zu stärken.
„Ich werde mein Visum verlängern, um noch etwas länger hier arbeiten zu können“, lässt die Pariser Studentin Jacqueline den Mann von der Mülheimer Zeitung wissen. Der junge Engländer Tom Burke ist vor allem von den sozialen Diensten in der noch vom Krieg gezeichneten Stadt begeistert. „Sicher gibt es schönere Orte, um Urlaub zu machen und dies hier ist ein wirklich guter Urlaub“, findet er. Ein junger Däne aus Aarhus hat bereits ähnliche Wiederaufbauarbeit in Frankreich geleistet und meint: „Durch diese Aufbauarbeit habe ich schon viele nette und interessante Menschen kennen gelernt. Und ich würde nie auf sie schießen, auch wenn es von mir gefordert würde!“

Auch Mülheims Stadtdirektor Bernhard Wiethaus zeigt sich auf Nachfrage der Lokalpresse: „von ihrem Arbeitsfleiß, den wir als Stadt tatkräftig unterstützen, und von ihrem Interesse an unseren sozialen Einrichtungen“, beeindruckt. Witthaus ist davon überzeugt, dass die auch von jungen Deutschen freiwillig geleistete Wiederaufbauarbeit im Auftrage des Internationalen Zivildienstes „persönliche Bande knüpft, die zum dauerhaften Erhalt des Friedens beitragen.“ Die weitere Entwicklung der europäischen Integration und die Begründung von sechs Städtepartnerschaften wird ihm Recht geben.

Dieser Text erschien am 23. August 2018  

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