Mittwoch, 29. August 2018

Interview mit Jacob Joussen: Alles, was Recht ist


Prof. Dr. Jacob Joussen
Foto: RUB
Als Leiter des neuen Institutes für kirchliches Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum bearbeitet Prof. Dr. Jacob Joussen mit seinen Mitarbeitern ein Thema, von dem in Deutschland etwa zwei Millionen Arbeitnehmer betroffen sind. Im Gespräch mit dem neuen Ruhrwort stellt er das neue Institut vor.

 ??? Wie sind Sie zu Ihrer Aufgabe gekommen?

!!! Ich habe Theologie und Rechtswissenschaften studiert und beschäftige mich bereits seit über zehn Jahren mit dem kirchlichen Arbeitsrecht und habe dabei erkannt, wie wichtig die Forschung auf diesem Gebiet ist, weil die christlichen Kirchen 1,5 bis 2 Millionen Menschen beschäftigen und damit, nach dem Staat, der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland sind.

??? Macht ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht Sinn?

!!! Ich meine schon. Wie im öffentlichen Dienst und in Wirtschaftsbranchen gibt es auch im kirchlichen Dienst Besonderheiten, die sich im Arbeitsrecht niederschlagen müssen. Für die Kirche entscheidend ist die Tatsache, dass sie ihre Arbeit aus ihrem christlichen Verkündigungsauftrag heraus leistet.

??? In wieweit kann eine kirchliche Einrichtung von seinen Mitarbeitenden eine christliche Gesinnung und Lebenspraxis verlangen?

!!! Auch weltliche Arbeitgeber können von ihren Arbeitnehmern Loyalität verlangen. Das Grundgesetz gibt den Kirchen hier mit der in seinem Artikel 4 garantierten Religionsfreiheit einen noch etwas größeren Freiraum, der auch von der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Kern nicht eingeschränkt worden ist. Das macht auch Sinn, weil die Dinge sonst auseinanderlaufen würden, wenn kirchliche Dienste, wie zum Beispiel die Caritas oder die Diakonie die aus ihrem christlichen Verkündigungsauftrag resultierende Arbeit nicht mehr leisten könnten, wenn ihre Mitarbeitenden diesen Verkündigungsauftrag nicht auch selbst bejahen und mittragen würden.

??? Wie ist Ihr Institut personell und finanziell ausgestattet?

!!! Das Institut ist Teil meines vom Land NRW finanzierten Lehrstuhls an der Ruhr-Universität Bochum, an dem zurzeit 12 Mitarbeiter tätig sind, die sich natürlich nicht nur mit Arbeitsaufträgen rund um dieses Thema beschäftigen. Darüber hinaus ist mir aber eine 51-Prozent-Stelle zugesagt worden, die mit dem Arbeitsschwerpunkt kirchliches Arbeitsrecht befasst sein wird.

??? Worin sehen Sie die Existenzberechtigung Ihres Institutes???

!!! Darin, die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechtes fundiert zu erklären, von dem in Deutschland 2 Millionen Menschen betroffen sind. Wenn es in Deutschland derzeit 50 Lehrstühle zum Arbeitsrecht gibt, muss es auch einen universitäres Institut geben, an dem man sich mit den besonderen Bestimmungen des kirchlichen Arbeitsrechtes beschäftigt, um einem in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Unverständnis entgegenzuwirken. Diese Unkenntnis äußert sich zum Beispiel in Presseanfragen an die Evangelische Kirche, warum eine geschiedene und wieder verheiratete Erzieherin in einer katholischen Kindertagesstätte ihren Arbeitsplatz aufgeben muss.

??? Was würden Sie empfehlen, wenn Sie mit einem Gutachten zur Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes beauftragt würden?

!!! Ich würde eine größere Stringenz und eine bessere Außendarstellung der kirchlichen Arbeitsrechtspraxis empfehlen. Während die katholische Kirche von ihren Mitarbeitenden nur eine grundsätzliche Zustimmung zu dem, was sie tut und lehrt, einfordert, verlangt die evangelische Kirche eine Kirchenmitgliedschaft, setzt sie in der Praxis aber nicht immer und überall durch.

??? Was steht auf der aktuellen Agenda Ihres Institutes?

!!! Ich arbeite beratend am Transformationsprozess des kirchlichen Tarifrechtes mit und bin Mitherausgeber der Fachzeitschrift für Mitarbeitervertretung (ZMV). Anders, als die katholische Kirche, haben sich viele evangelische Landeskirchen bereits auf den Weg gemacht, ihr Arbeitsrecht in das allgemeine Tarifrecht zu überführen, während die katholische Kirche noch am 3. Weg der christlichen Dienstgemeinschaft festhält, in der sie ihre Tarifverträge nicht mit Gewerkschaften, sondern mit den kircheninternen Mitarbeitervertretungen aushandelt. Außerdem planen wir mit Kooperationspartnern eine Fachtagung zu den aktuellen Forschungsschwerpunkten des kirchlichen Arbeitsrechtes, die Anfang 2019 stattfinden soll.

Zur Person: Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Jacob Joussen wurde 1971 in Duisburg geboren. An der Ruhr-Universität Bochum lehrt er seit 2010 bürgerliches Recht sowie deutsches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht. Seit 2015 ist Joussen Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er hat unter anderem Bücher über das Arbeits- und Tarifrecht, über das kirchliche Arbeitsrecht, über das Schuldrecht und über das Teilzeit- und Befristungsgesetz geschrieben.



Dieser Text erschien am 25. August 2018 im Neuen Ruhrwort

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