Samstag, 11. Mai 2019

Wenn man eine Reise macht


Wer eine Reise macht, der kann was erleben. Das gilt auch für eine Straßenbahnfahrt. Fahrgäste warten auf ihre Straßenbahn. Die kommt pünktlich. Doch der Fahrer lässt seine Fahrgäste nicht einsteigen. Die Türen der Tram bleiben geschlossen und aus dem Haltestellenlautsprecher ertönt die Aufforderung: „Nicht einsteigen!“ Die Fahrgäste stehen wie der Ochse vorm Berg. Nur, dass auf dem Richtungsanzeiger kein Ziel, sondern Dienstfahrt steht, lässt die ausgesperrten Fahrgäste ahnen, dass da was nicht stimmt. Hat der Fahrer seine gesetzliche Arbeitszeit überschritten und will ungestört in den Feierabend fahren? Zugegeben. Fahrgäste können manchmal ganz schön nerven und den Fahrer von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Fahren, ablenken.

Aber Fahrgäste sind auch nur Menschen und dazu noch zahlende Kunden eines Vekehrsunternehmens, die mit dem festen Vorsatz in Busse und Bahnen einsteigen, ihr Ziel pünktlich zu erreichen. Als solche hätten sie sich eine Durchsage gewünscht, die über „Nicht einsteigen!“ hinausgegangen und den Grund für die unerwartete Aussperrung und die damit verbundene zusätzliche Wartezeit erklärt hätte.

Erst später erfahre ich auf eigene Nachfrage aus berufenem Munde, dass die verschlossene Straßenbahn defekt war und deshalb keine Fahrgäste zusteigen lassen konnte. So ist die verkorkste Straßenbahnfahrt ein Sinnbild dafür, was bei unserer gesellschaftspolitischen Zeitreise schiefläuft. Wo klare Ansagen zur rechten Zeit fehlen und Menschen nicht mitgenommen werden, braucht man sich nicht wundern, wenn immer mehr von ihnen nicht mehr ein,- sondern nur noch aussteigen und nicht mehr mitfahren und bezahlen wollen. So wird die Dienstfahrt im Zug der Zeit zur Farce. Vielleicht sollte man unsere Steuerleute in ihren Chefetagen wie bei der Papst-Wahl im Konklave solange einsperren bis sie zu gescheiten Ergebnissen kommen. Bis dahin hieße die klare Ansage: „Nicht aussteigen!“ 


Dieser Text erschien am 11. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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