Dienstag, 21. Juli 2009

Mülheimer, die Hitler widerstanden



65 Jahre ist es jetzt her, dass die Attentäter um den Grafen von Stauffenberg vergeblich versuchten, Adolf Hitler zu töten und damit der Nazi-Diktatur ein Ende zu bereiten. Mit einer Kranzniederlegung und einer Rede der Oberbürgermeisterin wurde diesem Ereignis auch am 20. Julli 2009 am Mahmal (Foto) für die NS-Opfer im Luisenthal gedacht. Die ritualisierten Formen unseres öffentlichen Gedenkens, so löblich und notwendig sie auch sind, erscheinen Nachgeborenen zuweilen entrückt.


Lebendiger und anschaulicher wird die Erinnerung an Menschen, die als Bürger in unserer Stadt gelebt haben und durch ihre Gewissensentscheidung für den Widerstand gegen Hitler nach dem 20. Juli 1944 im Rahmen der Aktion "Gewitter" dem NS-Terror zum Opfer fielen. Dem Hitler-Attentäter Stauffenberg am nächsten stand der Generalstabsoffizier Günther Smend. 1912 in Trier geboren, kam er mit seinen Eltern 1924 nach Mülheim, wo die Familie unweit des heutigen Mahnmals im Luisenthal wohnte. Nach dem Abitur am heutigen Otto-Pankok-Gymnasium (1932) schlug Smend eine militärische Laufbahn ein. Zum Verhängnis wurde ihm der vergebliche Versuch, seinen Vorgesetzten, den Generaloberst Kurt Zeitzler davon zu überzeugen, sich dem militärischen Widerstand anzuschließen. Am 1. August 1944 verhaftet, wurde er am 30. August 1944 vom Volksgerichtshof als Mitwisser des Hitler-Attentates zum Tod durch Erhängen verurteilt. Vollstreckt wurde das Unrechtsurteil am 8. September 1944 in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee.


Verbindung zu den Männern des 20. Juli und insbesondere zu Carl Friedrich Goerdeler, der nach einem Umsturz des Hitler-Regimes, Reichskanzler werden sollte, hatte auch Prälat Otto Müller, Präses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Westdeutschlands. 1870 im oberbergischen Land geboren, wuchs Müller in Heißen auf, wo sein Vater Volksschullehrer war. Am 12. September 1944 von der Gestapo verhaftet, starb Müller am 12. Oktober 1944 in der Berliner Haft. Seit den 60er Jahren erinnert ein Kirchenfenster in St. Joseph an den christlichen Widerstandskämpfer, der seine frühen Jahre in Heißen verbrachte.
Nicht weil sie von den Attentatsplänen auf Hitler gewusst hätten, sondern weil sie den Nazis als Regime-Gegener schon lange ein Dorn im Auge waren, wurden auch die ehemaligen Mülheimer Stadtverordneten Wilhelm Müller und Fritz Terres im Zuge der Operation Gewitter nach dem 20. Juli 1944 verhaftet. Ebenso, wie ihr ehemaliger Ratskollege Otto Gaudig, der bereits vor dem Attentat auf Hitler inhaftiert worden war, sollten sie ihren Widerstand gegen die NS-Diktatur mit dem Leben bezahlen. Beide waren nicht nur engagierte Kommunalpolitiker, sondern auch Gewerkschafter gewesen. Während sich Terres im Laufe seiner politischen Biografie vom Sozialdemokraten zum Kommunisten gewandelt hatte, war es bei Wilhelm Müller genau umgekehrt. Den ehemaligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Mülheimer SPD führte sein Leidensweg ins Konzentrationslage Neuengamme, wo er nach offizieller Lesart an einer Lungenentzündung verstorben sein soll. Sein Leidensgenosse Terres sollte am 10. April 1945 in einem Außelager des KZ-Sachsenhausen ums Leben kommen, ein Tag bevor amerikanische Truppen seine Heimatstadt besetzen und die NS-Herrschaft beenden sollten.
Wie ein Vermächtnis klingt, was Wilhelm Müller, seinem damals 19-jährigen Sohn Willi, der später als Sozialdemokrat in den Bundestag gewählt werden sollte, 1944 aus der Haft schrieb: "Ich glaube fest daran, dass du gesund und munter zurückkommst. Dann wird das große Europa und eine neue Welt gebaut. Dann werden wir ein wichtiges Wort mitreden."


Heute erinnern nicht nur eine Gedenktafel im Ratssaal, sondern auch die von Gunter Demnig und der Mülheimer Initiative für Toleranz verlegten "Stolpersteine" an die Mülheimer, die ihrem Gewissen folgten und deshalb nach dem 20. Juli 1944 von den Nazis ermordet wurden.

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