Donnerstag, 25. Juli 2019

Fleischlos in der Innenstadt

Die Nachricht schlug mir beim Samstagseinkauf auf den Magen. Der Metzger meines Vertrauens, der mich schon als Knirps mit der einen oder anderen Gratis-Scheibe Fleischwurst versorgt hat, schließt sein Fleischerei Fachgeschäft an der Leineweberstraße zum Ende des Monats. Zum Abschied gab es am Samstag schon mal vorab ein Küchenmesser. Doch den Fleischwurstkranz, dessen Pelle man mit diesem Messer aufschneiden kann, muss ich als Eingeborener der Innenstadt ab August woanders einkaufen. Mit dem Fleischereifachgeschäft Pieper schließt zum Monatsende die letzte Metzgerei in der Innenstadt. Damit ist so manches Dorf lebensmitteltechnisch besser aufgestellt als die City der Großstadt Mülheim. Hinter der Theke hört man von den freundlichen Fleisch Fleischereifachverkäuferinnen, die immerhin schon neue Arbeitsplätze außerhalb der Mülheimer Innenstadt gefunden haben, dass das Umfeld nicht mehr gestimmt habe. Das Straßenpflaster vor der Tür, auf dem selbst Hunde nur noch ungern auf ihr Herrchen und sein Mitbringsel aus der Metzgerei warten, spricht Bände davon, dass es für die Innenstadt und ihre Bewohner schon länger um die Wurst geht.

Wenn uns Innenstädter künftig die Fleischeslust überkommt, müssen wir also in den nächsten Supermarkt, der auch nicht immer eine Fleischtheke im Angebot hat. Dann heißt es entweder: „Raus aus der Innenstadt!“ oder: „Welche Packung darfs denn sein?“ Wer alt und nicht mehr mobil ist, muss als armes Würstchen zu Hause bleiben und darauf hoffe, dass ihm ein freundlicher Hans Wurst ein gutes Stück Fleisch von seiner Einkaufstour mitbringt. Ein Pflaumen-August könnte auf die Idee kommen: Machen wir doch aus der Not eine Tugend und werden Vegetarier oder noch besser: Wir legen in der Innenstadt Äcker und Beete und bauen unsere Lebensmittel künftig selber an. Da wird für das eine oder andere Schwein oder Rindvieh auch noch ein Platz frei sein. Urban Gardening und Ferien auf dem Bauernhof liegen ja voll im Trend und sind zudem noch co-2-neutral. Alle reden von der Klimawende. Wir machen sie.

Dieser Text erschien am 22. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung

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