Freitag, 26. Juli 2019

Aufgeräumte Ansichten

Man wünscht sich ein schönes Wochenende und wundert sich, was dann auf einen zukommen kann. Mein Wochenende wurde vom Ausräumen eines Kellers überschattet. Weil der Hauseigentümer In Kürze an einer tragenden Wand Hand anlegen muss, musste ich in unserem Kellerraum schon jetzt Hand anlegen und ihn räumen. Was da so alles an schon fast vergessenen Altlasten vom Dosenöffner über diverses  Spielzeug bis zu einem alten Schlitten aus Kindertagen, zum Vorschein, kam machte mich ebenso nachdenklich wie der Inhalt eines Kleiderschranks, aus dem ich längst und leider in alle Richtungen herausgewachsen bin. Vieles, von dem, was inzwischen als Sperrmüll Staub angesetzt hat, war einst Objekt des persönlichen Erwerbstriebes. Um das, was jetzt in Müllsäcken und auf dem Sperrmüll landet, zu bekommen, wurden vor Jahrzehnten Arbeit, Lebenszeit, Energie und Geld aufgewendet. Und jetzt sind die früheren Wertgegenstände zu Staubfängern geworden, die sich nur noch mit viel Zeit und Energie entsorgen oder im besten Falle verschenken lassen.

Die schweißtreibende Wochenendschicht als Kellerkind erinnerte mich an einen Satz, den ich schon von meinen Großeltern gehört habe: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Wie wahr. Auch die materiellen Dinge, die wir heute heiß begehren, werden über kurz oder lang zur Altlast und zum Sperrmüll, der weggeräumt , entsorgt oder bestenfalls verschenkt werden muss. Das ist eine Anekdote zur Senkung der Kauflaune, die uns schon heute klug machen sollte, nicht zu viel Lebenszeit, Energie und Geld in Dinge zu investieren, deren Halbwertszeit begrenzter ist, als wir das wahrhaben wollen. Denken wir deshalb schon heute daran, dass die Lebenszeit und Energie, die wir in den Erwerb materieller Dinge investieren, uns davon abhalten Energie, Geld und Lebenszeit Augen in die Dinge zu investieren, die uns Lebensfreude bescheren und die dank unserer Erinnerung kein Verfallsdatum kennen und deshalb auf keinen Sperrmüllhaufen unserer Lebensgeschichte landen werden.

Dieser Text erschien am 15. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung

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