Donnerstag, 29. April 2010

Zum 1. Mai: Warum die CDU- und IG-Metall-Vorstandsfrau Regina Görner Kirchen und Gewerkschaften als klassische Verbündete sieht


Der unglückliche Zufall der katholischen Terminplanung wollte es, dass am Dienstagabend gleich zwei Christdemokratinnen zur Sozialpolitik sprachen: Bundeskanzlerin Angela Merkel vor 500 Zuhörern in der Wolfsburg und Regina Görner vom Bundesvorstand der CDU und der IG Metall vor 30 Gästen des katholischen Arbeitnehmerempfangs im Pfarrsaal von St. Barbara.Doch Quantität ist bekanntlich nicht gleich Qualität. Und so hätte man auch Görner mehr Zuhörer gewünscht, als sie auf Einladung des Katholikenrates der Frage nachging „Alles für den Markt?“ und die Konsequenzen aus der Wirtschaftskrise aufzeigte.

Hermann Meßmann vom gastgebenden Sachausschuss Berufs- und Arbeitswelt gab gleich zu Anfang die Richtung vor: „Arbeitslosigkeit spaltet die Gesellschaft und verhindert, dass Menschen am Schöpfungsauftrag mitwirken können.“Woher neue Arbeitsplätze kommen sollen, konnte Görner auch nicht sagen. Aber sie machte deutlich, dass nur ein starker Staat und starke Gewerkschaften dafür sorgen können und müssen, dass die strukturellen Nachteile der Arbeitnehmer, „die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft anzubieten, um zu überleben“ ausgeglichen oder zumindest gemildert werden können. Mit Blick auf die christliche Soziallehre und die päpstlichen Sozialenzykliken machte die ehemalige Sozialministerin des Saarlandes deutlich, dass Kirchen und Gewerkschaften Verbündete seien, wenn es um den Kampf gegen die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und schlecht bezahlter Leiharbeitsverträge gehe. Alt-Pastor Meinolf Demmel forderte ein stärkeres sozialpolitisches Engagement der Pfarrgemeinderäte.

Von prekären Arbeitsverhältnissen, so Görner, seien vor allem junge Berufseinsteiger und Berufsrückkehrer betroffen. Sie verwies auf eine Studie des NRW-Sozialministeriums, wonach Leiharbeiter nur zwei Drittel dessen verdienten, was Festangestellte für die gleiche Arbeit bekämen.Mit Sorge sieht sie, dass immer weniger der neu entstehenden Arbeitsplätze unbefristet sind. Das habe negative Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungen, aber auch auf die Bereitschaft junger Menschen, Familien zu gründen und sich gesellschaftlich zu engagieren.Am Beispiel der IG-Metall-Kampagne Operation Übernahme zeigte sie, dass die Gewerkschaften ihren Einfluss geltend machen könnten, um jungen Leuten eine Berufsperspektive nach der Ausbildung zu verschaffen. Allerdings müssten die Gewerkschaften in den Betrieben nicht nur die Blaumann-Fraktion, sondern auch die steigende Zahl junger Akademiker für sich gewinnen.

Mannesmann-Betriebsrat Peter Hennecke unterstrich die positive Einflussnahme der IG-Metall am Beispiel seines Arbeitgebers. Der habe auf Druck der Gewerkschaft in einem hauseigenen Tarifvertrag zugesagt mindestens 38 der derzeit 56 Leiharbeiter schrittweise in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen.Nach den Erfolgen beim Kurzarbeitergeld und den Konjunkturförderprogrammen sieht Görner jetzt die Durchsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns und einer internationalen Börsentransaktionssteuer auf der sozialpolitischen Agenda.

Dieser Text erschien am 21. April 2010 in der NRZ

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