Am Sonntag, 9. Mai, haben 128 000 Mülheimer bei der Landtagswahl gleich zweimal die Wahl. Wie bei Bundestagswahlen kann man jetzt auch bei der NRW-Wahl zwei Kreuze machen, um mit der Erststimme über den Wahlkreis-Abgeordneten und mit der Zweitstimme über die Regierungsmehrheit im Landtag zu entscheiden. Wie halten es die Mülheimer mit Erst- und Zweitstimme? Tun sie sich schwer mit der differenzierten Stimmabgabe, die ihnen ein Stimmensplitting erlaubt oder setzen sie es gar gezielt ein?
Ich fragte beim Wahlamt und in der Stadtmitte beim Mann und der Frau auf der Straße nach. Aufgrund der Erfahrungen bei den Bundestagswahlen stellt Wahlamtsleiter Wolfgang Sauerland fest, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Wähler ihre Stimmen aufteilen und damit die Vorteile der kombinierten Mehrheits- und Verhältniswahl nutzen, um einen bestimmten Kandidaten im Wahlkreis und eine bestimmte Regierungsmehrheit zu wählen. Obwohl die Aufteilung in Erst- und Zweitstimmen die Auszählung des Wahlergebnisses um etwa ein Drittel in die Länge zieht, bekommen die Wahlhelfer weder bei der Bundestags- noch bei der jetzt anstehenden Landtagswahl einen Zähl-Zuschlag.
Auch wenn mancher einen Augenblick überlegen musste, konnten alle befragten Bürger gestern den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme erklären. Trotzdem hätte dem Rentner Helmut Marzian (72) „eine Stimme gereicht, weil das übersichtlicher ist und der politische Cocktail, der auf dem Wahlzettel steht, die Entscheidung ohnehin schwierig macht.“ Er wählt in der Regel durch und gibt beide Stimmen den Kandidaten der von ihm bevorzugten Partei. Buchhändler Klaus Bloem (58) hat seine beiden Stimmen schon per Briefwahl abgegeben. Er ist ein ausgesprochener Anhänger des Stimmensplittings, „weil man dadurch zwischen Personen und Programmen unterscheiden und auf mögliche Koalitionsbildungen Einfluss nehmen kann.“Wenn es nach der arbeitssuchenden Einzelhandelskauffrau Elvira Meier (52) ginge, „hätte es ruhig bei einer Stimme bleiben können, weil das einfacher und übersichtlicher ist“ und sie ohnehin traditionell einer bestimmten Partei ihre Stimme gibt und durchwählt, statt zu splitten.
Obwohl auch der 62-jährige Rentner Jürgen van Beusekom eine „Stammpartei“ hat, begrüßt der die Chance des Stimmensplittings, „weil es den Wählern mehr Einflussmöglichkeiten gibt.“Die 33-jährige Zahnarzthelferin Emriye Tasman glaubt, dass die Unterscheidung in Erst- und Zweitstimme „die meisten Leute irritiert und eine einzige Stimme übersichtlicher wäre“, wobei sie insgesamt noch eher unschlüssig, ist, wem sie am Wahlsonntag ihre Stimmen geben soll. „Den meisten Bürgern würde eine Stimme reichen“, glaubt auch die 65-jährige Rentnerin Brigitte Schulz und bekennt sich dazu, auch bei Bundestagswahlen ihre bevorzugte Partei mit beiden Stimmen „durchzuwählen.
“Dem 55-jährige Architekt Lutz Weber war noch gar nicht bewusst, dass er jetzt auch bei der Landtagswahl zwei Stimmen hat. Grundsätzlich findet er Erst- und Zweitstimme „aber sehr positiv, weil man so zwischen Partei und Person differenzieren kann.“ Eine Möglichkeit, die er bei Bundestagswahlen schon oft genutzt hat. Der 60-jährige Rentner Udo Quattelbaum, der gerade erst in seine Heimatstadt zurückgezogen ist, weiß noch gar nicht, ob er am 9. Mai wählen gehen kann, „weil ich noch gar keine Wahlbenachrichtigung bekommen habe.“
Dennoch begrüßt er es grundsätzlich, zwei Stimmen zu haben, „mit denen ich zwischen den Personen in einer Stadt und überregionalen Parteien differenzieren kann.“ Obwohl Busfahrer Helmut Kampmann (63) bisher mit beiden Stimmen eher „durchwählt“, glaubt er trotzdem, „dass die Wähler mit Erst- und Zweitstimme tendenziell mehr bewegen können, obwohl man nie genau wissen kann, was am Ende dabei herauskommt.“Auch die 33-jährige Diplom-Geografin Katrin Blumberg (33) findet das Stimmensplitting mit Erst- und Zweitstimme „gut“ und hat dies auch bei Bundestagswahlen „manchmal“ praktiziert.
Sie kann sich aber auch vorstellen, dass die Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitstimmen verwirren kann. Ausgesprochen „logisch“ und „gut“ erscheint das Stimmensplitting auch dem Ehepaar Sigrid und Peter Lohmar, „weil man so zwischen den Kandidaten in einer Stadt und den Parteien auf Landesebene unterscheiden kann.“Krankenschwester Christine Hubert (51) hält es mit dem Stimmensplitting und dem Durchwählen von Wahl zu Wahl verschieden. „Der Wechsel in der Politik ist sehr viel intensiver geworden“, findet sie und glaubt, dass eine zunehmend wechselhafte Politik es Wählern auch zunehmend schwerer macht, mit ihrer Erst- und Zweitstimme zwischen Parteien und Personen sinnvoll zu differenzieren.
Dieser Text erschien am 27. April 2010 in der NRZ
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