Mittwoch, 28. Juli 2021

Singen macht Freu(n)de

 Ein Konzertmotto des Männergesangvereins Heißen lautete: „Lieder sind die besten Freunde“. Tatsächlich ziehen sich Freundschaften und Geselligkeit wie ein roter Faden durch die 100-jährige Geschichte des Heißener Männergesangvereins.

Dafür, dass sich zunächst 13 Chorbrüder fanden, die einen Männergesangverein gründeten, sorgte 1921 die Gastwirtin Maria Heckmann, genannt Mariechen. Sie brachte die männlichen Stammgäste ihrer Gaststätte „Hingberg Höhe“ an der Ecke Hingbergstraße/Ottostraße zum Singen. Auch vor 100 Jahren war „Mann“ gut beraten dem Rat einer klugen Frau zu folgen. Das taten die Sänger des zunächst von Friedrich Volkenborn geleiteten MGV Heißen auch 2017, als sie sich von ihren Frauen, die sich regelmäßig zum Stammtisch treffen, dazu bringen ließen, eine Chorfassung von Helene Fischers Schlager: „Atemlos durch die Nacht“ auf die Bühne zu bringen. Nicht nur das weibliche Publikum war begeistert.

Mehrsprachig und vielseitig

Obwohl der inzwischen von Klauspeter Rechenbach geleitete Chor ein modernes, mehrsprachiges und vielseitiges Repertoire singt, zu dem Shantys, Gospels, Schlager und Operetten-Ohrwürmer gehören, macht das mit 74 Jahren, 5. jüngste Chormitglied Jochen Jeske, keinen Hehl daraus, dass er den klassischen Männerchor als ein Auslaufmodell betrachtet. „Wir bekommen einfach keinen Nachwuchs, weil sich die Interessen der jüngeren Generation verändert haben. Heute beschäftigen sich die jungen Leute lieber mit ihrem Smartphone als mit gemeinsamen Gesang“, bedauert Jeske.


Er selbst entdeckte bereits in den 1960er Jahren als Mitglied des Essen Mülheimer Jugendchores die Freude am gemeinsamen Gesang. Unsere Konzertreise in die USA, die mir meine Eltern 1963 ermöglichten, bleibt mir ein prägendes Erlebnis“, sagt Jeske. Deshalb ließ er sich vor 50 Jahren auch gerne für den Männergesangverein Heißen gewinnen. „Damals probten wir noch in der Gaststätte Ternieden an der Ecke Hingbergstraße/Wiescher Weg. Und jeder Mann, der neu nach Heißen kam und bei Ternieden einkehrte, bekam mit der Speisekarte ein Aufnahmeformular für den MGV Heißen“, erinnert sich Jeske.

Gemeinsamkeit ist schön

Wie seine Sangesbrüder, die dem Chor über Jahrzehnte treu geblieben sind, hat er den Beitritt nie bereut. 2021 werden es 50 Jahre. Die gemeinsamen Proben, die gemeinsamen Konzerte, die gemeinsamen Sängerreisen und die Chorfeste gehören zu den schönsten Erlebnissen und Erinnerungen seines Lebens. Im MGV Heißen fand Jeske Freunde fürs Leben. „Wir haben Glück, dass uns unser Vorsitzender Gerd Hermann Mombour auf seinem Grundstück an der Heinrichstraße 14 Räumlichkeiten für unsere Proben zur Verfügung stellen kann. Denn Chöre, die darauf angewiesen sind, in einer Gaststätte zu proben, haben oft Schwierigkeiten ein Probenlokal zu finden und bezahlen zu können“, beschreibt der Chorbruder die Lage der Liederfreunde. Corona hat auch das Jubiläum des MGV Heißen durcheinandergebracht. Jubiläumskonzert, Sängerfest Sängerfahrt und die Vereinsfahrt nach Hamburg mussten auf 2022 verschoben werden.

Ab 10. August wird wieder geprobt

Immerhin können sich die 24 aktiven Sänger des MGV Heißen, denen eine sangesfreudige Verstärkung immer willkommen ist, am Dienstag, den 10. August um 18:30 Uhr zu ihrer ersten Probe nach den Sommerferien auf dem Grundstück ihres Vorsitzenden an der Heinrichstraße 14 treffen.
Nach dem Konzert im Theatersaal der Freien Waldorfschule an der Blumendeller Straße traten der MGV 1921 in den folgen Jahren mit dem Chorfreunden vom Oberhausener Chor MGV Cäcilia 1885 dann im Caritas-Zentrum St Raphael am Hingberg, in der evangelischen Gnadenkirche am Heißener Markt, , auf dem Heißener Bauernhof der Familie Steineshoff und beim Sängerfrühschoppen im Kloster Saarn auf und sind dankbar dafür, dass sie den 100. Geburtstag ihres Gesangvereins noch feiern können. Viele Traditionschöre, zuletzt der 1878 als Thyssen-Chor gegründete Mannesmannchor haben sich in den letzten Jahren, mangels Masse und Klang, auflösen müssen. Den demografischen Wandel sorgt für einen anhaltenden Mitgliederschwund der Männerchöre.
Schaut man auf die Internetseite des Chorverbandes Nordrhein-Westfalen, entdeckt man heute dort noch die Mülheimer Chöre der Friedrich-Wilhelms- Hütte von 1929, den Mülheimer Frauenchor 1995, die 1860 gegründeten Männergesangvereine Saarn und Broich, die Liederfreunde von 1921, den Ruhrschrei, den jungen Chor Charisma und den Mülheimer Jazz- und Popchor.

Ein Stück Stadtgeschichte

Vor 100 Jahren, als es in Mülheim noch mehr als 250 Gaststätten gab, waren Chöre als Orte der kreativen Freizeitgestaltung, der sozialen Geselligkeit und der Nachbarschaftshilfe angesagt. Wie der Vater, so ging auch der Sohn in den Männerchor, der in der Eckkneipe ein nahes, schönes und preiswertes Freizeitvergnügen war. Die meisten Menschen arbeiteten 48 Stunden pro Woche. Die knappe Freizeit verbrachte man am besten vor der Haustür. Radio, Fernsehen und Internet gab es nicht. Die meisten Menschen fuhren weder in Urlaub noch mit dem Auto, sondern bestenfalls mit der Straßenbahn. In der Regel gingen sie aber zu Fuß und investierten das gesparte Geld in das Bierchen nach der Chorprobe.

In den bis 1945 reichlich vorhandenen Krisen- und Kriegszeiten, aber auch im Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg waren Chöre und andere Vereine soziale Netzwerke nachbarschaftlicher Lebenshilfe und gelebter Lebensfreude. Diese chorale Lebensfreude wollen sich die insgesamt rund 100 aktiven und passiven Mitglieder des Männergesangvereins Heißen so lange erhalten wie möglich.


MW/LK, 27.07.2021

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