Donnerstag, 3. Dezember 2009

Blindheit anders sehen: Der Welttag der Behinderten ist diesmal zu Gast im neuen Medienhaus


„Blindheit anders sehen." Der Titel klingt provokativ. „Wir wollen den Blick darauf richten, dass blinde und sehbehinderte Menschen nicht nur Defizite, sondern auch Fähigkeiten und Möglichkeiten haben", sagt die Behindertenkoordinatorin Felicitas Bütefür zum Motto des Welttages der Menschen mit Behinderung. Der informiert und unterhält am 3. Dezember von 11 bis 16 Uhr im Medienhaus am Synagogenplatz. „Das ist für uns ein guter Testlauf, wie barrierefrei wir wirklich sind", sagt die Öffentlichkeitsarbeiterin der Stadtbücherei, Claudia vom Felde, über die ungewohnte Gastgeberrolle ihres Hauses beim Welttag der Menschen mit Behinderung, der früher im Forum über die Bühne ging. Doch auch bei der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände wollte man die Barrierefreiheit des Medienhauses testen, für die man sich in der Bauphase nachdrücklich eingesetzt hatte. Das Ergebnis kann man zum Beispiel an Orientierungsfeldern im Eingangsbereich, an der Etagenansage im Aufzug oder an den Handlaufinformationen in Relief- und Blindenschrift im Treppenhaus erkennen.

Im Erdgeschoss des Medienhauses wird man einen Informationsstand des Deutschen Diabetikerbundes finden. Was hat Diabetes mit Sehbehinderung und Blindheit zu tun? „Bei jedem dritten Fall wird der Diabetes erst dann erkannt, wenn er bei den Betroffenen bereits zu einer Beeinträchtigung der Sehkraft oder sogar zur Erblindung geführt hat", klärt die Vorsitzende des Mülheimer Diabetikerbundes, Maria Forstmann, auf. Da passt es gut, dass auch eine Diabetes-Assistentin einen kostenlosen Blutzuckertest anbieten und über das Leben mit dem Diabetes informuieren wird. In der ersten Etage des Medienhauses kann man die Macher der Mülheimer Hörzeitung um den selbst blinden Ali Arslan kennen lernen. Werbung für die Hörzeitung Echo Mülheim , die seit August im Medienhaus von ehrenamtlichen Lesern aufgesprochen und kostenfrei per Kassette blinden und sehbehinderten Menschen Informationen aus der Lokalpresse ins Haus liefert, kann nicht schaden. Denn obwohl es in Mülheim 600 Blinde gibt, hat die Hörzeitung nur 60 Abonnenten. Ähnlich wie Arslan, der nicht nur neue Hörer, sondern immer wieder auch ehrenamtliche Vorleser sucht, geht es auch der Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenvereins (BSV), Christa Ufermann. „Viele Blinde sind so alt, dass sie nicht mehr mobil sind. Und die Jungen holen sich bei uns nur die Informationen ab, die sie brauchen. Und das war es dann", beschreibt sie das Dilemma ihres Vereins, der jeweils am letzten Mittwoch des Monats um 16 Uhr zu einem Stammtisch ins Hotel Handelshof einlädt.

Weil der BSV am 3. Dezember mit einem Augenoptiker in der dritten Etage des Medienhauses Hilfsmittel für Blinde- und Sehbehinderte vorstellt, muss seine für diesen Tag geplante Beratungssprechstunde bei den Grünen an der Bahnstraße 50 ausfallen. Mit einem Erlebnisparcours der besonderen Art, der vom Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport in der zweiten Etage aufgebaut wird, können auch Normalsichtige einmal ausprobieren, wie blinde und stark sehbehinderte Menschen ihre Umwelt wahrnehmen. Das gleiche gilt für eine Filmvorführung der etwas anderen Art, die im dritten Stockwerk zu sehen sein wird. Blindheit anders sehen kann man auch, wenn man sich am 3. Dezember im zweiten Stockwerk des Medienhauses, das natürlich auch zunehmend Hörbücher ausleiht, die autobiografische Lesung des blinden Autors Martin Nolte anhört, der seinem Blindenführhund Irka mit dem Roman Irka – Ein Hundleben zwischen Familie, Freizeit und Beruf ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Der Erlös aus seinem Buchverkauf kommt übrigens einem Verein zugute, der eine Internet-Trainingsseite für Menschen aufbaut, die blind und taub sind.

Beim Welttag der Behinderten im Medienhaus ist auch das vor zwei Jahren beim Paritätischen Wolfahrtsverband am Tourainer Ring 4 eingerichtete Selbsthilfebüro mit von der Partie. Das von Anke van den Bosch geleitete Büro berät bestehende Selbsthilfegruppen, gibt Hilfestellung bei der Gründung neuer Selbsthilfegruppen oder vermittelt Ratsuchende in Selbsthilfegruppen. Derzeit berät van den Bosch im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 75 Selbsthilfegruppen. Allein im letzten Jahr suchten rund 1400 Klienten ihren Rat. Das Selbsthilfebüro am Tourainer Ring 4 ist montags, dienstags und mittwochs von 9 Uhr bis 12.30 Uhr sowie donnerstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Kontakt unter 300 48 14, per E-Mail an: selbsthilfe-muelheim@patient-nrw.org oder im Internet unter: www.muelheim.selbsthilfenetz.de

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