Montag, 21. Januar 2013

Was sagen engagierte Mülheimer Katholiken zur jüngsten Kontroverse um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche?

Will die katholische Kirche Aufklärung oder Ruhe um die Missbrauchsvorwürfe? Diese Frage stellt sich, nachdem die Bischofskonferenz ihren Vertrag mit dem Institut des Kriminologen Christian Pfeiffer gekündigt hat, das die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufarbeiten sollte. Jetzt wird nach einem neuen Projektpartner sucht. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck betonte am Montag beim Neujahrsempfang in der Akademie Wolfsburg zwar, dass die Aufklärung „offensiv fortgesetzt“ werde. Es sei letztlich nur ein Wechsel des Projektpartners. Wie aber sehen haupt- und ehrenamtlich in der katholischen Kirche Engagierte diese Frage, welche Konsequenzen ziehen sie aus den Vorgängen?


Für die NRZ habe ich nachgefragt.

Wolfgang Feldmann (Vorsitzender des Katholikenrates): „Ich tue mich schwer, den Konflikt zwischen Pfeiffer und der Bischofskonferenz zu bewerten, weil ich nicht weiß, was dahinter steht. Da steht Aussage gegen Aussage. Sollte Pfeiffers Zensurvorwurf zutreffen, wäre das für die Kirche der Super-Gau. Das ist ein gefundenes Fressen für alle Kirchenkritiker. Sicher würde man heute kritischer überprüfen, wen man zum Priester weiht, als man das früher getan hat. Der richtige Weg heißt Offenheit. Ich selbst engagiere mich weiter in der Kirche, weil ich gern mit und für Menschen arbeite.“

Paul Heidrich (Katholikenrat und Ex-CDU-Stadtrat): „Das ist eine schwierige Situation, in der die Bischofskonferenz unglücklich agiert hat. Ich selbst bin hin- und hergerissen. Pfeiffer soll sich an getroffene Absprachen nicht gehalten und den Datenschutz nicht beachtet haben. Aber es darf keine Zensur geben, und es gibt keine Alternative zur schonungslosen Offenheit. Nachdem sich die Bischofskonferenz einmal für Pfeiffers Institut entschieden hatte, hätte sie auch alles daran setzen müssen, das Projekt mit ihm durchzuziehen. So bleibt ein gewisses Geschmäckle. Auch wenn ich nicht mit allem in der Kirche einverstanden bin, engagiere ich mich weiter in der Kirche, nicht wegen des Bodenpersonals, sondern wegen meines Glaubens.“

Dieter Spliethoff (SPD-Ratsherr und Caritas-Mitarbeiter): „Beide Seiten sollten Ross und Reiter nennen und offen über die Gründe sprechen, die zur Kündigung des Projektvertrages geführt haben. Man muss abwarten, wie es weitergeht und kann nur hoffen, dass die Missbrauchsfälle zusammen mit einem unverdächtigen Institut so objektiv wie möglich aufgearbeitet werden.

Unabhängig von meinem Glauben und meiner Grundhaltung aber, die ich nicht wie ein Hemd wechsele, glaube ich, dass die katholische Kirche, in der über vieles der barmherzige Mantel des Schweigens gelegt wird, ihre Sexualmoral und ihren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen überdenken muss, weil das sonst die Leute aus der Kirche treibt.“

Oliver Hoffmann (Vorsitzender der Kolpingsfamilie Broich-Speldorf): „Nach der Entscheidung der Bischofskonferenz und der daraus resultierenden öffentlichen Diskussion steht die Kirche jetzt schlechter da, als sie bei einem aus ihrer Sicht noch so schlechten Ergebnis da gestanden hätte.

Es entsteht der Eindruck, dass die Kirche doch nicht an einer unabhängigen Aufarbeitung der Missbrauchfälle interessiert sein könnte. Doch gerade religiöse Eltern, die ihre Kinder durchaus auch ins kirchliche Leben mit einbinden, drängen auf eine lückenlose Aufklärung. Ich engagiere mich auf jeden Fall weiter, weil ich für die Menschen und nicht für die Institution Kirche arbeite.“

Rolf Hohage (Gemeinderat): „Die Kirche hat kein Interesse daran, etwas zu vertuschen, weil jeder Verantwortliche in der Kirche weiß, dass ihr Ruf ja schon beschädigt ist und die Kirche keine andere Wahl hat als rückhaltlose Aufklärung.“

Georg Jöres (Gemeinderat und Caritas-Mitarbeiter): „Hier zeigt sich, das ein externer Partner, den die Bischofskonferenz ins Boot geholt hat, sich mit den hierarchischen Entscheidungswegen in der Kirche schwertut, die vorab bewerten möchte, was in ihrem Namen veröffentlicht wird. Die Menschen, die sich in der Kirche engagieren, leiden unter der Diskussion und wünschen sich, dass die Missbrauchfälle aufgearbeitet werden. Intern werden kirchliche Mitarbeiter heute sehr stark für das Problem des sexuellen Missbrauchs sensibilisiert.“

Michael Clemens (Pastor): „Das Problem ist sehr schwierig. Ich möchte nicht in der Haut der Bischöfe stecken. Die Bischöfe können sich nicht leisten, etwas zurückzufahren oder gar zu vertuschen. Es muss rigoros aufgedeckt werden, was aufzudecken ist und bei der Prävention von Missbrauchsfällen hilft.“

Norbert Dudek (Pastor): „Wir versuchen in unserer Styrumer Gemeinde unsere Arbeit so gut wie möglich zu machen und bekommen durch solche Entscheidungen und Diskussionen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Das ist schade angesichts des Dialogprozesses in unserem Bistum. Wenn man mit Pfeiffer Schwierigkeiten hatte, hätte man sich von vorneherein einen anderen Partner suchen sollen. Jetzt entsteht der Eindruck: Die Kirche versucht etwas zu verbergen.“

Hans-Theo Horn (Caritas-Vorstand): „Man kann nur hoffen, dass die Ankündigung der Bischofskonferenz auch wirklich umgesetzt wird, die Missbrauchsfälle wahrhaftig aufzuarbeiten. Die Maßstäbe werden total verrückt und der Imageschaden bleibt, wenn der Eindruck entstünde, dass die Bischöfe Vorgaben machen und am Ende vielleicht gar nicht zu einem objektiven Ergebnis kommen wollen.“

Dieser Text erschien am 16. Januar 2013 in der NEUEN RUHR ZEITUNG

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