Mittwoch, 9. Januar 2013

Wie sollten Medien über Bombenbendrohungen oder vergleichbare Ereignisse berichten? Ein Gespräch mit dem Leiter der Polizeipressestelle Essen/Mülheim, Ulrich Faßbender

Die ersten Tage des neuen Jahres sind eine nachrichtenarme Zeit. Doch gestern füllte die Bombendrohung im Rhein-Ruhr-Zentrum ganze Zeitungsseiten. Das Fernsehen berichtete, das Radio, das Internet sowieso. Ist das angemessen oder wird hier Kriminellen eine mediale Aufmerksamkeit zuteil, die sie nicht bekommen sollten? Wäre es überhaupt vorstellbar, das zu tun, was den Tätern das Ärgste wäre - nicht zu berichten? Darüber sprach ich für die NRZ mit dem Leiter der Polizeipressestelle Essen/Mülheim, Ulrich Faßbender , der am Sonntag im Krisenstab der Polizei von Beginn an dabei war und die Öffentlichkeitsarbeit koordinierte.


Frage: Braucht man bei einer Bombendrohung Öffentlichkeitsarbeit?

Antwort: Bei einem solchen Ereignis, wie am Sonntag im Rhein-Ruhr-Zentrum ist die Pressestelle auch eingebunden und ich selbst war an der Entscheidungsfindung beteiligt, wie man damit umgeht, um zu verhindern, dass durch Medien vorzeitig Nachrichten verbreitet werden, die zu einer Massenpanik hätten führen können. Deshalb haben wir im Hintergrund den Journalisten auch gesagt, worum es sich handelt, weil wir mit offenen Karten spielen wollen. Wir haben sie aber darum gebeten, die Nachricht erst zu verbreiten, nachdem das Rhein-Ruhr-Zentrum geräumt worden war.

Frage: Sollten Medien über Bombendrohungen überhaupt berichten?

Antwort: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Eine solchen Bombendrohung, wie im Rhein-Ruhr-Zentrum, von der über 10?000 Menschen betroffen waren, lässt sich natürlich nicht verheimlichen. Da haben Medien und Polizei eine Berichtspflicht. Aber es gibt natürlich auch eine Verantwortung gegenüber den unmittelbar betroffenen Menschen. Und dieser Verantwortung sind Medien und Polizei am Sonntag mit dem abgestuften Vorgehen, wie ich es beschrieben habe, gerecht geworden, in dem sie dafür gesorgt haben, dass bei der Räumung des Rhein-Ruhr-Zentrums niemand verletzt wurde.

Frage: Wie sollten Medien mit solchen Ereignissen, wie dem im Rhein-Ruhr-Zentrum umgehen?

Antwort: Da gibt es keine pauschalen Empfehlungen. Es ist der Job von Journalisten, die Öffentlichkeit zu informieren und damit ihrer Berichterstattungspflicht nachzukommen. Aber Journalisten müssen auch verantwortlich abwägen, wie sie ihre Berichterstattung formulieren und gestalten, um keine unnötigen Ängste zu schüren. Man muss in jedem Einzelfall abwägen und dann entscheiden. Wichtig ist, dass die Medien Dinge so berichten, wie sie wirklich waren. Das ist angesichts sozialer Online-Medien, wie Facebook oder Twitter umso bedeutsamer, weil sich dort sehr schnell Gerüchte verbreiten, die man dann nicht mehr einfangen kann.

Frage: Kann eine mediale Berichterstattung gerade in diesem Fall auch Trittbrettfahrer ermutigen?

Antwort: Klar. Diese Gefahr besteht. Das fordere ich von verantwortlichen Journalisten auch ein, nämlich diesen Aspekt in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen und aktuelle Nachrichten in diesem Fall nicht einfach wie eine tolle Meldung zu verwenden. Journalisten müssen in einem solchen Fall behutsam mit ihren Worten umgehen. Denn man kann eine Lage immer so oder so beschreiben. Man weiß heute, dass zum Beispiel nach der Berichterstattung über die Selbsttötung des Nationaltorhüters Robert Enke die Zahl der Suizide sprunghaft angestiegen ist.

Frage: Wie sähe aus Ihrer polizeilichen Sicht die optimale Berichterstattung über eine Bombendrohung wie die am Sonntag aus?

Antwort: Angesichts der Gefahr, dass man viele Nachahmer ins Boot holt, würde ich mir die Berichterstattung so klein wie möglich wünschen. Man sollte solche Ereignisse nicht verschweigen, aber auch nicht aufbauschen, sondern die Öffentlichkeit sachlich darüber informieren. Aber ich weiß, dass Journalisten nach links und rechts gucken müssen. Und wenn Sie nur eine kleine Meldung bringen wollen, alle anderen Zeitungen dem Thema aber eine ganze Seite widmen, werden auch sie wohl nicht darum herumkommen, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.

Dieser Text erschien am 8. Januar 2013 in der NEUEN RUHR ZEITUNG

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