Donnerstag, 1. Juli 2010

Ein Leben, zwei Länder: Warum Jutta und Dieter Thomas zwischen Deutschland und Südafrika pendeln

Eigentlich ist Dieter Thomas kein Fußballfan. Aber während der Weltmeisterschaft schaut sich der 65-Jährige trotzdem die Spiele der Länder an, die ihm besonders am Herzen liegen: Deutschland und Südafrika.Dass Thomas und seine Frau Jutta Afrika-Fans sind merkt man sofort, wenn man ihre Wohnung betritt. Sitzkissen im Leoparden-Look, eine Holzgiraffe am Fenster, der Miniaturnachbau einer kleinen Savanne und ein in Südafrika gewebter Wandteppich mit Zebras und Antilopen verbreiten auch jenseits von Afrika das Flair des Schwarzen Kontinents.

Seit 1994 ist Südafrika für Jutta und Dieter Thomas zur zweiten Heimat geworden, wo sie in einem kleinen Küstenort bei Durban leben. Weil die Historikerin die Geschichte Südafrikas vor Ort erforschen wollte, ging das Ehepaar vor 16 Jahren dort hin. Ihr Mann hatte als Maschinenbauingenieur im Dienste einer englischen Firma Südafrika bereits während der 70er Jahre kennen gelernt. Damals war Südafrika noch ein Apartheidstaat.„Das war eine bedrückende Atmosphäre. Schwarze mussten den Weißen auf dem Bürgersteig den Vortritt lassen oder ihnen ausweichen. Außerdem gab es Taxis, Parks oder öffentliche Toiletten mit dem Hinweis: Nur für Weiße. Damals kam es immer wieder zu Bombenanschlägen. Und die meisten Schwarzen, die in den Städten arbeiteten, mussten diese abends verlassen und in die eigens für sie eingerichteten Townships zurückkehren“, erinnert sich Thomas.Welch ein Unterschied, als er Südafrika 1994 wiedersah: „Damals war Südafrika im Aufbruch“, schwärmt er. Dass dieser Auf- und Umbruch von der Apartheid zur Demokratie trotz der schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit so friedlich über die Bühne ging, hat für ihn vor allem einen Grund: Nelson Mandela. „Er ist ein sehr freundlicher Mann, der ein großes Charisma und eine Aura hat, die Respekt einflößt“, sagt Thomas über den ersten Präsidenten des freien Südafrika, den er 1998 kennen gelernt hat.

„Menschen brauchen Vorbilder wie Mandela“Damals gehörte der Mann aus Mülheim zu einem Team, das im Krüger-Nationalpark ein Zeltlager für Kinder und Jugendliche organisiert hatte, das Teil eines großen Festes zum 80. Geburtstag Mandelas war. „Menschen brauchen Vorbilder wie Mandela. Auch wir in Deutschland könnten heute einen Mandela gut gebrauchen“, ist Thomas überzeugt. Ihn wundert es nicht, dass die Südafrikaner Mandela, der trotz seiner jahrzehntelangen Gefangenschaft im Apartheid-Staat zum großen Versöhner wurde, als den „Vater“ ihrer Nation ansehen.

Immerhin habe Mandela nach seiner Wahl 1994 alle Parteien an der Regierung beteiligt, obwohl sein African National Congress (ANC) eine Zwei-Drittel-Mehrheit errungen hatte. Auch später wurde er von seiner zweiten Heimatstadt Durban und von der Regionalregierung von Kwa-Zulu-Natal engagiert: in Organisationsteams für die Commonwealth-Konferenz 2000 und zu einer internationalen Aids-Konferenz 2002. Bei diesen Gelegenheit lernte er dann auch Mandelas Nachfolger im Präsidentenamt, Tabo Mbeki, kennen. „Das war ein guter Wirtschaftsfachmann, der aber nicht das Charisma Mandelas hatte.“

Wie kam er als Deutscher zu dieser ehrenvollen Aufgabe der Konferenzorganisators? Thomas lacht und sagt: „Das ist nicht selbstverständlich. Das ist Südafrika.“ Immer wieder hat er die Menschen in Südafrika als „sehr offenherzig“ erlebt, die das Leben, anders, als in Deutschland, „nicht so eng sehen“ und deshalb auch eher bereit sind, „Menschen eine Chance zu geben und sie machen zu lassen.“ Und so hat er nicht nur in seinem erlernten Beruf als Ingenieur in Südafrika gearbeitet.Immer wieder ist er als Seiteneinsteiger in Südafrika unverhofft zu Aufgaben gekommen, von denen er früher nicht einmal geträumt hätte, sei es als Fotograf und später als Filmproduzent für den Bürgermeister von Durban, als Touristenführer für Reiseveranstalter, als Computerfachmann für Hotels oder eben als Mitorganisator großer Konferenzen. Als Deutscher hatte Thomas in Südafrika stets den Vorteil, „dass wir Deutschen dort als sehr zuverlässig und hilfsbereit gelten.“ Diesen Ruf sieht er durch ein faires Engagement deutscher Firmen, deutscher Ärzte und deutscher Lehrer in Südafrika begründet. Deshalb wundert es ihn nicht, dass die Südafrikaner auch beim Stadionbau für die Fußball-WM unter anderem auf Fachleute aus Deutschland gesetzt haben. Obwohl er sich keinen Illusionen darüber hingibt, dass die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land den Südafrikanern kaum helfen wird, ihre sozialen Probleme, wie Armut, Aids und Kriminalität zu lösen, geht er doch davon aus, dass das Sportereignis Fußballweltmeisterschaft den Blick der Weltgemeinschaft verstärkt auf Afrika richten und das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Selbstbewusstsein der jungen Nation Südafrika stärken wird.

„Ein Virus, von dem man nicht los kommt“Auch wenn Dieter Thomas und seine Frau Jutta wissen, dass sie ihren Lebensabend nicht in Südafrika verbringen werden, „weil wir unsere kulturellen Wurzeln in Deutschland haben“, bleibt Südafrika für sie im positiven Sinne „wie ein Virus, von dem man nicht mehr los kommt, wenn man ihn sich einmal eingefangen hat“.Und weil sie dort immer wieder Menschen getroffen haben, denen Freundschaft, Familie, Respekt und Gemeinschaft wichtiger sind als das große Geld.

Weitere Informationen zu der Arbeit und den Publikationen von Jutta und Diter Thomas findet man im Internet unter: www.suedafrika-geschichte.eu

Dieser Text erschien am 30. Juni 2010 in der NRZ

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