Montag, 14. Juli 2014

Kommunikation und Klinken putzen: Wie die Agentur für Arbeit und das U25-Haus Jugendlichen helfen, eine Lehrstelle zu finden

Im September beginnt das neue Ausbildungsjahr. Wer jetzt noch keine Lehrstelle hat, hat nicht mehr viel Zeit und sollte im Zweifel die professionelle Hilfe der Agentur für Arbeit und des U25-Hauses suchen. Darüber, ob es auch in diesem Jahr gelingen kann, fast alle ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen mit einer Berufs- oder Qualifizierungsperspektive zu versorgen (s. Kasten) wagt man weder bei der Agentur für Arbeit noch im U-25-Haus eine Prognose, ist aber zuversichtlich. Das U25-Haus kümmert sich im Verantwortungsbereich der Sozialagentur um die Vermittlung von Arbeitsplätzen.

„Eigentlich sehen die Ausbildungsmarktzahlen gar nicht so schlecht aus. Denn den 403 Jugendlichen, die derzeit in Mülheim einen Ausbildungsplatz suchen, stehen derzeit 353 offene Stellen gegenüber“, erklärt Katja Hübner von der Agentur für Arbeit. Dennoch weiß sie, dass die Rechnung nicht so einfach aufgeht. „Es ist nicht so, dass es keine Interessenten für die ausgeschriebenen Lehrstellen im Verkauf, im Einzelhandel oder als Bankkaufmann, Industrie- oder Zerspanungsmechaniker gäbe. Aber oft passen die Erwartungen der Ausbildungsbetriebe und die Vorstellungen der Bewerber einfach nicht zusammen“, weiß Hübner.

Wie ihre Kolleginnen im U25-Haus machen die Berufsberater der Agentur für Arbeit immer wieder die Erfahrung, dass es nicht nur schlechte Noten, sondern manchmal auch schlechte Manieren oder zumindest ein unglückliches Auftreten der Bewerber ist, das eine Bewerbung scheitern lässt. „Wir sind natürlich darauf angewiesen, dass die Unternehmen, die uns unterstützen, mit den Bewerbern positive Erfahrungen machen und nicht die Lust verlieren, Praktika zu vergeben und auszubilden“, betont die für das U25-Haus zuständige Bereichsleiterin der Sozialagentur Heike Gnilka.
„Pünktlichkeit, Höflichkeit und Zuverlässigkeit stehen bei vielen Jugendlichen nicht unbedingt an erster Stelle“, räumt Fallmanagerin Stefanie Hahn ein. „Viele Schüler, die einen Ausbildungsplatz suchen unterschätzen, dass der Erfolg einer Bewerbung mit dem ersten Eindruck steht und fällt. Und der fängt schon beim Bewerbungsfoto an. Ein mit dem Smartphone selbst gemachtes Portrait oder eine Bewerbung mit Rechtschreibfehlern gehen gar nicht“, ergänzt Hannah Leitzen, die im U25-Haus das achtköpfige Team der Übergangsbegleiter leitet.

„Auf der Seite der Arbeitgeber ist die Lage sehr differenziert. Da gibt es Unternehmen, die noch mehr Potenzial hätten, Jugendliche auszubilden und andere Unternehmen, die fast über die Grenzen ihrer Möglichkeiten hinausgehen, weil sie händeringend Fachkräfte brauchen. Manche Arbeitgeber achten bei der Einstellung sehr konventionell auf die Noten. Für sie ist eine 4 oder eine 5 in Mathematik oder Deutsch ein No Go. Bei anderen gelingt es uns, die Persönlichkeit der Bewerber in den Vordergrund zu stellen und ihnen die Chance auf ein Praktikum zu vermitteln“, beschreibt Nicole Weyers ihre Arbeit zwischen Kommunikation und Klinkenputzen. Sie kümmert sich mit ihrer Kollegin Jasmin Förster im U25-Haus um die Gewinnung von Ausbildungsplätzen.
Dabei setzt man im U25-Haus nicht nur auf persönliche Begleitung, Beratung und Überzeugungsarbeit, sondern zum Beispiel auch auf Betriebsführungen, bei denen Arbeitgeber ihre Unternehmen interessierten Bewerbern vorstellen und mit ihnen ins Gespräch kommen können oder auf eine Ausbildungsmesse, die am 28. August in der Stadthalle Ausbildungsbetriebe und junge Ausbildungsbewerber zusammenbringt. Besonders bedauerlich finden es Weyers und ihre U25-Kollegin Leitzen, dass viele Realschüler mit guten Noten lieber weiter zur Schule gehen wollen, als ihre guten beruflichen Ausbildungschancen zu nutzen. „Sie übersehen leider, dass die mit einem guten mittleren Schulabschluss oft bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben als mit einem höheren Schulabschluss und eher mäßigen Noten“, betont Leitzen und lobt ausdrücklich die vor an den Hauptschulen vorbildliche, weil besonders frühzeitig und praxisnah einsetzende Berufsorientierung. Auch der 19-jährige Edwin Gertzen, der zurzeit am Berufskolleg Stadtmitte seinen Hauptschulabschluss macht, weiß die Hilfestellung im U25-Haus zu schätzen. „Ich bin zwar erst in einem Jahr mit der Schule fertig, beginne aber hier mit der professionellen Unterstützung jetzt schon damit einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker zu suchen“, erklärt der Junge Mann.

Von den 1247 Ausbildungsbewerbern im Agenturbezirk Mülheim konnten im Jahr 2013 nur 48 nicht versorgt werden. Dabei kamen 46 der unversorgten Bewerber aus dem Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit und nur 2 aus dem Verantwortungsbereich des zur Sozialagentur gehörenden U25-Hauses. 2013 betreute das U25 Haus 200 unversorgte Ausbildungsbewerber. In diesem Jahr sind es (nach dem Wegfall des doppelten Abiturjahrgangs) nur noch 120. Im U25-Haus hofft man, wie im Vorjahr zwei Drittel der Ausbildungsplatzsuchenden in einem regulären Ausbildungsverhältnis und ein Drittel in einer weiter qualifizierenden Maßnahme unterbringen zu können. Von den 403 Jugendlichen, die zurzeit noch einen Ausbildungsplatz suchen, haben nach Angaben der Agentur für Arbeit 143 einen Realschul- und 76 einen Hauptschulabschluss. 78 haben ein Fachabitur und 82 ein Abitur gemacht.
 
Das U25-Haus an der Viktoriastraße 26 bis 28 ist von montags bis freitags zwischen 8 bis 16 Uhr geöffnet und unter der Rufnummer  455 54 70 erreichbar. Die Projektkoordinatorin des Mülheimer Ausbildungsservice, Nicole Weyers, die im Frühjahr 2015 ein Speed-Dating und eine Netzwerkveranstaltung für Bewerber und Ausbildungsbetriebe plant, ist im U25-Haus unter
 der Rufnummer 455 54 82 erreichbar.

Dieser Text erschien am 11. Juli 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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