In der Nazi-Zeit
wurden sogar Straßen nach ihm benannt. In Mülheim zum Beispiel hieß die Schulstraße von 1936 bis 1945 Alfred-Hugenberg-Straße Die braunen Machthaber wussten, was sie
an dem Medienunternehmer und Politiker Alfred Hugenberg hatten, der heute vor
150 Jahren am 19. Juni 1865 in Hannover geboren wurde. Als Verleger, der die
Hälfte der deutschen Presse kontrollierte und ab 1928 die Deutschnationale
Volkspartei führte, wurde Hugenberg zu einem Steigbügelhalter Hitlers.
Auf seine Initiative hin bildete sich im Oktober 1931 in Bad
Harzburg ein Bündnis aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen, dem Stahlhelm,
dem Bund der Frontsoldaten und dem Alldeutschen Verband, das Front gegen die
damals schon kriselnde Republik von Weimar machte. Für besonderes Aufsehen
sorgte Hugenberg damals, in dem er mit dem Kaiser-Sohn August Wilhelm von
Preußen, dem ehemaligen Reichswehrgeneral Hans von Seeckt und dem ehemaligen
Reichsbankpräsidenten Hjalmar von Schacht ausgesprochen prominente Mitstreiter
für die Harzburger Front gewinnen konnte.
Schon 1929 hatte der Führer der Deutschnationalen die NSDAP
politisch aufgewertet, in dem er sie in sein Volksbegehren gegen den die Reparationsleistungen
Deutschlands festlegenden Young-Plan einbezog.
Um Hugenbergs Geisteshaltung zu verstehen, muss man seine
Vita betrachten. Er wurde in eine großbürgerliche Familie hineingeboren. Der
Vater Carl war Schatzrat und preußischer Landtagsabgeordneter. Seine Mutter
Erneste Adickens stammte aus einer Großgrundbesitzerfamilie. Und im Jahr 1900 heiratete
der inzwischen studierte und promovierte Jurist und Ökonom Alfred Hugenberg mit
seiner Cousine Gertrud Adickens die Tochter des damaligen Frankfurter
Oberbürgermeisters Franz Adickens.
Der Sieg über Frankreich und die
Reichsgründung von 1871 mit ihrem anschließenden Aufstieg Deutschlands wurden
für Hugenberg zum prägenden politischen Urerlebnis. „Wir waren die Söhne der
Sieger“, erinnerte er sich später wehmütig. Nachdem er zunächst für die
Ansiedlungskommission und die Raiffeisengenossenschaft in Posen und dann im
preußischen Finanzministerium arbeitete, wechselte er später in die Wirtschaft,
machte zunächst im Vorstand der Frankfurter Berg- und Metallbank und dann als
Finanzchef bei Krupp in Essen Karriere, Dort stieg er 1909 zum Vorsitzenden des
Direktoriums auf. Seine politische Heimat hatte er seit 1894 im nationalistisch
ausgerichteten Alldeutschen Verband. Als Funktionär verschiedener
Bergbauverbände und des Zentralverbandes der Deutschen Industrie knüpfte
Hugenberg Kontakte zu Industriellen, wie etwa Emil Kirdorf, die seinen Aufstieg
zum Medienzar finanziell unterstützen. Den organisatorischen Rahmen für diese
Unterstützung bildete die 1919 gegründete Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte.
Wie Hugenberg sahen seine Mitstreiter die neue republikanische Regierung
Deutschlands als „Novemberverbrecher“ und strebten eine Rückkehr zur Monarchie
an. Dazu sollte ein nationaler Presseapparat aufgebaut werden, der die Republik
von Weimar im Sinne der Dolchstoßlegende von einem im Felde unbesiegten
deutschen Heer, dem die Heimatfront im November 1918 politisch in den Rücken
gefallen sei, diskreditierte. Das Ziel der Vereinigung beschrieb Hugenbergs
Mitarbeiter Ludwig Bernhard 1928 mit den Worten:
„Mangel an Heimatgefühl und Nationalgefühl führt zur
Aushöhlung und zur Schwächung eines Volkes gegenüber anderen
Völkern. Heimat- und Nationalgefühl sind daher zu stärken. Für die Entscheidung
über Beteiligungen oder über die Begründung und den Ausbau der verschiedenen
Unternehmungen ist in erster Linie die voraussichtliche politische Wirkung maßgebend
und erst in zweiter Linie das geschäftliche Ergebnis.“
Die Propaganda des
Hugenberg-Konzerns, dessen Aufbau schon während des Ersten Weltkrieges begonnen
hatte, verfing in dem Maße, wie die wirtschaftliche Not in Deutschland zunahm.
Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, die mit dem New Yorker Börsenkrach
1929 begonnen hatte, waren im Deutschland des Jahres 1932 sechs Millionen
Menschen ohne Arbeit. Damals erklärte Hugenberg in einer Radioansprache zur
Reichstagswahl:
„Das parlamentarische System hat
vollständig versagt. Der sicherste, gerechteste und sauberste Staat liegt aus den
Lehren unserer Geschichte begründet im Kaisergedanken. Der gesunde Staat wird
eine gesunde Wirtschaft haben. Gesunde Wirtschaft bedeutet heute zurückgehende
Arbeitslosigkeit. Derjenige ist wahrhaft sozial, der Arbeit schafft. Es gibt
eben Wirtschaftsgesetze, die kein Volk ungestraft missachten darf. Das haben
die sozialistischen Machthaber in Deutschland außer Acht gelassen. Sozialismus
ist Erwerbslosigkeit. Dank der nationalen Bewegung sind die moralischen Kräfte
wieder aufgestanden. Der Staat darf keine Gottlosen erziehen. Wer nicht
sozialistisch denkt, wählt deutschnational.“
Durch die Massenarmut hatten Hugenbergs Partei
und Hugenbergs Konzern, zu dem unter anderem die Filmgesellschaft Ufa, die Nachrichtenagenturen
der Deutschen Telegraphenunion und die Zeitungen des Scherl-Verlages gehörten, leichtes
Spiel. Als Hitler am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt wurde, trat Hugenberg
als Wirtschafts- und Ernährungsminister in dessen Kabinett ein. Zu den
Kommunalwahlen am 12. März 1933 erklärte Hugenberg in einer Rundfunkrede:
„Weder die Französische Revolution,
noch das 48er Demokratentum, noch der landesverräterische Umsturz im November
1918 haben uns eine Selbstverwaltung gebracht oder diese auch nur gefördert.
Die Erfahrungen der letzten 14 Jahre haben vielmehr gezeigt, dass lebendige
Selbstverwaltung und Formaldemokratie unvereinbar sind.“
Hugenberg sah sich am Ziel. Er wollte
Hitler instrumentalisieren und selbst zum Wirtschaftsdiktator aufsteigen. Eine
fatale Fehleinschätzung der realen Machtverhältnisse. Denn nicht Hitler,
sondern Hugenberg wurde instrumentalisiert und, als er nicht mehr gebraucht wurde,
von den Nazis entmachtet. Noch 1933 wurde Hugenbergs Telegrafenunion
gleichgeschaltet und seine Deutschnationale Volkspartei, ebenso, wie alle
anderen Parteien jenseits der NSDAP aufgelöst. Er selbst trat im Sommer 1933
von allen Partei- und Regierungsämtern zurück und behielt nur sein machtloses Reichstagsmandat.
Wenn er auch entschädigt wurde, musste Hugenberg 1937 die Ufa und 1943 den
Scherl-Verlag aufgeben. Die Ufa wurde verstaatlicht und der Scherl-Verlag ging
in den Besitz von NS-Parteiverlagen über. Nach dem Krieg wurde Hugenberg von
der britischen Militärregierung interniert und zunächst als „minderbelastet“,
nach seiner Berufung aber nur noch als „Mitläufer“ und später sogar als „entlastet“
eingestuft. Diese Einstufung begründeten die Briten aber rein juristisch und
mit Blick auf sein hohes Alter. Moralisch und politisch starb Alfred Hugenberg,
politisch und moralisch gescheitert, am 12. März 1951.
Dieser Text erschien am 18. Juni 2015 in der Katholischen Zeitung Die Tagespost
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