Mittwoch, 7. September 2011

Als Bürger Bürgern halfen von Deutschland-Ost nach Deutschland-West zu kommen: Eine Mülheimer Geschichte zum 50. Jahrestag des Mauerbaus

Als die Mauer in Berlin gebaut wurde, war der Mülheimer Jurist Jochen Hartmann drei Jahre alt. Obwohl er selbst keine Verwandten in der damaligen DDR hatte, hat sich Hartmann, wie er sagt, „immer für Deutschlandpolitik interessiert, weil ich mich auch immer schon für deutsche Geschichte interessiert habe.“ Deshalb verfolgte er auch schon als 20-Jähriger Ende der 70er Jahre die Mitteilungen des Vereins „Hilferufe von drüben“ und gründete in der Jungen Union (JU) einen deutschlandpolitischen Arbeitskreis. Durch den Verein „Hilferufe von drüben“ wurde er 1979 auf den Fall der Familie Baumgart aufmerksam.

Die dreiköpfige Familie lebte damals in Weinböhla, im Bezirk Dresden, wollte aber seit 1976 nach Mülheim übersiedeln, um sich dort um ihre kranke Mutter und Schwiegermutter kümmern zu können.Von Deutschland-Ost nach Deutschland-West überzusiedeln, war in Zeiten der Mauer und der deutschen Teilung mit Schikanen durch das SED-Regime verbunden, da ein Ausreiseantrag in den Augen des DDR-Staates an Landesverrat grenzte. Unterstützt von seinen Mitstreitern in der Jungen Union startete Hartmann einen regen Briefwechsel mit Bundestagsabgeordneten, dem damaligen Innerdeutschen Minister und dem DDR-Anwalt Wolfgang Vogel.

„Egon Franke hat uns in der Sache damals sehr unterstützt“, lobt der Ex-Christdemokrat Hartmann den damaligen SPD-Bundesminister. Flankiert wurde der umfangreiche Briefwechsel durch Infostände, Flugblätter, Presseberichte, einen Protestzug und Unterschriftenaktionen.Einmal haben wir auf der Schloßstraße die Mauer nachgebaut“, erinnert sich Hartmann. Seine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Im Sommer 1982 konnten Günter Baumgart, seine Frau Marlies und Tochter Anne nach Mülheim ausreisen, das sie einige Jahre später wieder in Richtung West-Berlin verlassen sollten. „Ohne Ihre Unterstützung wären wir heute bestimmt noch nicht hier. Wir sind ganz sicher, dass die Publikmachung unseres Falles durch Sie in der Öffentlichkeit der auslösende Faktor für unsere Übersiedelung war und uns außerdem vor Schlimmerem, nämlich vor einer Inhaftierung bewahrt hat.“

Wenn Hartmann, der damals auch gerne eine deutsch-deutsche Städtepartnerschaft initiiert hätte, diese Dankeszeilen, die er am 9. Juni 1982 von Marlies und Günter Baumgart erhielt, heute noch einmal nachliest, weiß er, „dass der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung trotz aller Probleme bei der Vollendung der Deutschen Einheit für ganz Europa das großartigste Ereignis des 20. Jahrhunderts war.“

Dieser Beitrag erschien am 13. August 2011 in der NRZ

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