Er ist vielleicht der wirtschaftlich und politisch mächtigste Mülheimer gewesen. Hugo Stinnes. Am 12. Februar 1870 wird er in Mülheim geboren. Hier hat sein Großvater Mathias 1808 sein Unternehmen gegründet. Mit Kohlenhandel, Bergbau und Schifffahrt verdient die Familie ihr Geld.Hugo hat das unternehmerische Talent seiner Vorfahren geerbt und wird ein Wirtschaftsimperium schmieden, das bei seinem Tod (1924) aus mehr als 1500 Unternehmen mit fast 2900 Betriebsstätten und mehr als 4000 Unternehmensbeteiligungen bestehen wird.
Kein Wunder, dass seine Nachfolger und Erben dieses undurchschaubare Konglomerat auf Dauer nicht zusammenhalten können.Seine Zeitgenossen nennen Hugo Stinnes „den König von der Ruhr.” Er selbst bezeichnet sich als „Kaufmann aus Mülheim.” Eine maßlose Untertreibung, die aber zu seinem schlichten und bescheidenen Lebensstil passt. Die Anfänge seiner Unternehmerkarriere sind eigenwillig. Nach dem Abitur beginnt er eine Handelslehre in Koblenz und studiert Bergbau in Berlin, arbeitet zeitweise als Bergmann auf der Heißener Zeche Wiesche. Alle Ausbildungen bricht er ab, als er das Gefühl hat, genug zu wissen, und macht sich 1892 mit einem Kredit seiner Mutter selbstständig.
Seine Hugo-Stinnes-GmbH, die ihr Geld mit Kohlenhandel und Kohleverarbeitung verdient, wird zum ersten Baustein eines Weltkonzerns. Bau- und Chemieindustrie gehören ebenso dazu, wie Bergwerke, Stahlwerke, Banken, Versicherungen, Ölfelder, Papierfabriken, Handels- und Verkehrsgesellschaften, Zeitungen und Hotels.Der Kaufmann aus Mülheim ist ein meisterhafter Stratege und Taktiker, der seine wirtschaftlichen Interessen auch in schwierigen Zeiten wahrzunehmen weiß. Mit August Thyssen gründet er 1898 den Mülheimer Bergwerksverein und das Rheinisch Westfälische Elektrizitätswerk RWE, das zum größten Energieversorger Europas wird. Mit Carl Friedrich von Siemens und Emil Kirdorf schmiedet er 1920 die Siemens-Schuckert-Rheinelbe-Union, einen mächtigen Montan- und elektroindustriellen Konzern.
Auch politisch ist Stinnes beweglich. Er ist ein Gegner der Gewerkschaften, sucht aber die Zusammenarbeit mit ihnen und führt den Acht-Stunden-Tag ein, als sich der Wind nach dem Ende des Kaiserrreiches 1918 dreht. Im Ersten Weltkrieg unterstützt er die expansiven Kriegsziele des Alldeutschen Verbandes und unterstützt 1923 den passiven Widerstand gegen die französische Ruhrbesetzung. Doch er verhandelt auch mit den Franzosen, als er sieht, dass der passive Widerstand zu keinem Ergebnis führt. Auch Kriegsverluste und Inflation kann er durch neue Firmengründungen, Entschädigungen und Firmenkäufe ausgleichen. „Er kauft Unternehmen, wie andere Briefmarken”, sagen seine Zeitgenossen über ihn. 1920 wird er Mitglied der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei und Abgeordneter des Reichstags. Er gehört zu den Männern, die die Friedens- und Reparationsbedingungen für Deutschland aushandeln. Gleichzeitig unterstützt Stinnes die rechten Gegner der jungen Republik, weil er das Rad der Geschichte auch sozialpolitisch zurückdrehen möchte.
Als Stinnes mit 54 Jahren, genauso alt wie seiner Zeit Großvater Mathias, an den Folgen einer Gallenblasen-Operation stirbt, schreibt der Mülheimer Generalanzeiger am 12. April 1924 in einem Nachruf: „Der Name Hugo Stinnes bedeutet mehr als die Bezeichnung einer Einzelpersönlichkeit. Er ist im Guten, wie im Bösen das Kennwort für eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte geworden, die als stärkster Wesensausdruck des neuzeitigen Produktionskapitalismus empfunden wird, die als Folge des Kriegszusammenbruchs sich durchsetzende Verklammerung der Wirtschaft und Politik. Eine Folgeerscheinung der elementaren Ereignisse hat den Wirtschaftler Stinnes auf die politische Bühne gedrängt.”
Dieser Text erschien am 12. Februar 2010 in der NRZ
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Trüber November
Für den Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr und seine sechs Gemeinden ist der November nicht nur klimatisch trübe. Superintendent Michae...
-
Jan Sensky vor seinem Dienswagen Wenn Sie ein altes Möbel- oder Kleidungstück oder auch Geschirr zu Hause stehen haben, die noch gut zu ...
-
Der 30. und 31. Januar ist in meinem Kalender rot angestrichen", erzählt Familienforscherin Bärbel Essers. Dass das so ist, hat mit der...
-
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.” Auch dieses Volkslied dürfte die Schildberger Sing- und Spielschar ...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen