Mit welchen Mehrheiten wird die wiedergewählte Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld ab dem 29. Oktober, wenn sich der neue Rat konstituiert, im Rathaus weiter regieren (können)? Das ist die Frage, um die sich im Rathaus derzeit alles dreht.
Das Wort historisch wurde noch am Wahlabend gleich mehrfach in den Mund genommen. Denn sowohl CDU (25 Prozent) als auch SPD (34 Prozent) haben am 30. August ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg eingefahren. Hinzu kommt: Noch nie waren im Rat der Stadt so viele Parteien vertreten, nämlich sieben auf einen Streich.
Von 1956 bis 1989 waren im Stadtparlament immer nur drei Parteien vertreten. Die Fünf-Prozent-Hürde machte es möglich. Bis 1984 wurde die Stadtpolitik von SPD, CDU und FDP bestimmt. 1984 zogen dann erstmals die Grünen in den Rat der Stadt ein, während die FDP erstmals an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Mit dem Einzug der Mülheimer Bürgerinitiativen MBI bekamen die Grünen dann erstmals kommunalpolitische Konkurrenz.
Bei der ersten Kommunalwahl nach dem Kriege hatte noch, man mag es heute kaum glauben die CDU die Nase vorn und stellte mit Wilhelm Diederichs den ersten gewählten Oberbürgermeister der Nachkriegszeit. Die CDU errang damals 39 Prozent, gefolgt von der SPD (37 Prozent), der FDP (13 Prozent) und der KPD (10 Prozent). Allerdings konnte die CDU damals vom Meheitswahlrecht profitieren, nachdem die Britische Militärregierung in Mülheim damals das Stadtparlament wählen ließ.
War die Überwindung des Hungers 1946 das beherrschende Wahlkampfthema, so konnte die SPD und ihr Bürgermeister Heinrich Thöne bei der zweiten Kommunalwahl 1948 davon profitieren, dass viele Mülheimer die CDU für die Folgen der gerade erst eingeführten D-Mark verantwortlich machten. Angesichts steigender Preise und stagnierender Löhne gab es erhebliche Zweifel daran, ob die von der CDU forcierte Soziale Marktwirtschaft der richtige Weg sei. Die SPD stand dagegen für eine gelenkte Wirtschaft und eine Sozialisierung der Schlüsselindustrien.
1948 wurde die SPD mit 42 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Partei Mülheims. Ihre anfangs knappe Mehrheit konnte sie vor allem deshalb kontinuierlich ausbauen, weil sie mit Heinrich Thöne einen ausgesprochen populären Oberbürgermeister hatte, der zum Sinnbild für den erfolgreichen Wiederaufbau der Stadt wurde. "Den sollte sich die SPD in Gold fassen", sagte einmal der Christdemokrat Max Vehar über den Sozialdemokraten Thöne.
Mit Thöne an der Spitze errang die SPD 1956 mit 57 Prozent ihr bisher bestes Kommunalwahlergebnis. Bis 1994, als die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin Eleonore Güllenstern über den Ruske-Kredit zu Fall kam und noch am Wahlabend von ihrem Amt zurücktrat, regierte die SPD im Mülheimer Rathaus mit absoluter Mehrheit. Allerdings war diese absolute Mehrheit nach 1956 stetig geschrumpft und 1989 auf nur 50 Prozent geschrumpft.
Obwohl die SPD mit 40 Prozent stärkste Partei blieb, konnte von 1994 bis 1999 mit Hilfe einer schwarz-grünen Koalition unter der Führung von Oberbürgermeister Hans Georg Specht (CDU) und Bürgermeister Wilhelm Knabe (Grüne) im Rathaus erstmals ohne sie Politik gemacht werden. Auch wenn die schwarz-grüne Zusammenarbeit 1999 zu Ende ging und durch eine Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD abgelöst wurde, konnten die Christdenokraten mit dem Sieg bei der ersten Direktwahl eines Oberbürgermeister weiterhin die Geschicke der Stadt maßgeblich beeinflussen.
Die erste Direktwahl eines Mülheimer OBs war wohl eine der denkwürdigsten der Stadtgeschichte. Am Wahlabend des 26. September 1999 wurde zunächst der Sozialdemokrat Thomas Schröer mit einem Vorsprung von 33 Stimmen zum Sieger der OB-Wahl erkärt. Doch Schröer, der noch am Wahlabend ein Fernseh-Interview als neuer Mülheimer Oberbürgermeister. Doch am Tag nach der Wahl wurde ihm erklärt, dass eine Nachzählung der Stimmen einen Rückstand auf seinen CDU-Gegenkandidaten Jens Baganz von 64 Stimmen ergeben habe.
Wenige Tage nach der Wahl wurden daraufhin alle Stimmen der OB-Wahl noch einmal ausgezählt. Sogar ein Kamera-Team der Tagesschau beobachtete damals die Stimmenauszählung im Ratssaal. Am Ende stand der Christdemokrat Jens Baganz mit einem Vorsprung von 58 Stimmen zum neuen Oberbürgermeister erklärt. Doch der Jurist Baganz, der als Quereinsteiger aus der Wirtschaft als Hoffnungsträger ins Rathaus kam, brachte Mülheim kein Glück und katapultierte sich mit einer Affäre mit einer Rechtsberaterin der Stadt im November 2002 selbst aus dem Amt.
Bei der Neuwahl des OBs versuchte die CDU ihr Erfolgsrezept von 1999 zu wiederholen, in dem sie mit dem Unternehmensberater Bernhard Leidinger erneut einen politischen Quereinsteiger aus der Wirtschaft nominierte. Doch Leidinger agierte im Wahlkampf eher unglücklich und unterlag bei der OB-Wahl im April 2003 der Sozialdemokratin und jetzigen Amtsinhaberin Dagmar Mühlenfeld mit 47 zu 53 Prozent. Vor ihrem Wechsel ins Rathaus leitete Mühlenfeld die Luisenschule und hatte den den 1999 gescheiterten OB-Kandidaten Thomas Schröer als SPD-Vorsitzende abgelöst.
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