Otto Normalwähler hat zwischen Kommunalwahl und Bundestagswahl schon alle Hände voll zu tun, die aktuell zur Wahl stehenden Kandidaten zu sortieren und im Blick zu behalten. Martin Müller reicht das nicht. Der gelernte Steinmetz ist schon seit Schülertagen historisch interessiert und als sachkundiger Bürger für die Mülheimer Bürgerinitiativen auch politisch engagiert.
Für den Geschichtsverein hat er schon vor fünf Jahren begonnen alte Zeitungen und Parteidokumente auszuwerten. Dabei entstand die Idee, ein Who is Who aller Kandidaten zu erstellen, die seit 1847 für den Mülheimer Stadtrat kandidiert haben. Für die Zeit nach 1945 will Müller auch alle Kandidaten für Land- und Bundestag hinzunehmen.
Bei seiner politischen Spurensuche ist der 33-Jährige zum Teil auf prominente Namen gestoßen. So kandidierte zum Beispiel 1847 der Textilfabrikant Johann Caspar Troost II., der im Luisenthal eine Baumwollspinnerei betrieb, für das Stadtparlament. 1905 zog der "Fabrikbesitzer" August Thyssen und 1911 der "Kaufmann" Hugo Stinnes in die Stadtverordnetenversammlung ein. Wohlstand und Wahlrecht waren unter dem bis 1918 geltenden Drei-Klassen-Wahlrecht zwei Seiten der selben Medaille. Da die Wähler damals in drei Steuerklassen eingeteilt wurden, kam den vergleichsweise wenigen Steuerbürgern der Ersten Klasse das gleiche Gewicht, wie die viel zahlreicheren Steuerbürger in der zweiten und dritten Klasse.
Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, warum die Kommunalpolitik bis 1918 vor allem von begüterten Honoratioren bestimmt wurde. Arbeiter oder Frauen hatten erst nach 1918 die Möglichkeit, politische Mandate zu erringen. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 und das in ihr verankerte allgemeine und demokratische Wahlrecht machten es möglich.
Und so konnten 1919 mit der Hausfrau Katharina Havermann, der Lehrerin Maria Husemann (beide vom katholischen Zentrum) und die Hausfrau Luise Blumberg von der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei als erste Frauen in den Mülheimer Stadtrat einziehen.
Allerdings hat Müller trotz umfangreicher Recherchen, die unter anderem auch belegen, dass die Ratskandidaten der NSDAP vor allem aus dem bürgerlichen Mittelstand kamen, bisher noch eine Lücke in seiner Datensammlung, nämlich die zweite Kommunalwahl nach dem Krieg im Jahre 1948. Wer ihm helfen kann, seine Kandidatendokumentation zu vervollständigen, sollte sich per E-Mail an: martin-rotbart@hotmail.de mit Martin Müller in Verbindung setzen.
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