Freitag, 8. Mai 2015

Eine Stadtrundfahrt auf den Spuren des Mülheimer NS-Terrors

Die Mendener Brücke an der Ruhr und das leerstehende Winkhaus an der Ecke Eppinghofer Bruch/Leybankstraße sind nur zwei auf den ersten Blick unscheinbare Orte, die Helmut Herrmann morgen auf seiner historischen Stadtrundfahrt ansteuern wird. Am 8. Mai, dem 70. Jahrestag des Kriegsendes, will der Nestor der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes in drei Stunden interessierten Zeitreisenden Spuren der Mülheimer NS-Herrschaft aufzeigen. „Das ist weiter notwendig, solange es Politik und Justiz nicht schaffen, rechtsextreme Gruppen und Parteien zu verbieten und Flüchtlingsheime zum Teil von der Polizei bewacht werden müssen, weil sie von Rechtsradikalen angegangen werden“, findet der 1929 geborene Herrmann. Er selbst erlebte, wie seine Eltern von der SA misshandelt und inhaftiert wurden, weil sie aktive Kommunisten und Gewerkschafter waren.

Spuren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft findet man zum Beispiel am alten Winkhaus, das viele Mülheimer noch als Kneipe kennen. „An den Fenstern sind noch die Gitter des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers zu sehen, in dem vor allem französische Zwangsarbeiter Hunger und Gewalt ertragen mussten. Sie wurden an der nahegelegenen Bahnstrecke bei Gleisarbeiten eingesetzt,“ berichtet Herrmann. Aus früheren Nachforschungen weiß er, dass es während des Zweiten Weltkrieges in Mülheim rund 24?000 Zwangsarbeiter gab, die in 55 Lagern interniert waren. Er schätzt, dass rund 400 von ihnen während ihrer Zeit in Mülheim ums Leben kamen und unter anderem auf dem Altstadtfriedhof begraben wurden. Den alten Friedhof zwischen Dimbeck und Kettwiger Straße wird Herrmann bei seiner Stadtrundfahrt ebenso anfahren, wie die Mendener Brücke. Sie hieß während der NS-Zeit Hermann-Göring-Brücke und wurde bei Kriegsende gesprengt. Unweit der Mendener Brücke wohnte einst auch Werner Best, der nach dem Kriegs als Justitiar bei Stinnes Karriere machte und rechtlich nur mit einer Geldstrafe belangt wurde, obwohl er während des Krieges Reichsstatthalter in Dänemark und mitverantwortlich für die Deportation jüdischer Bürger war.

Das Schicksal der rund 600 jüdischen Bürger, die 1933 in Mülheim lebten, wird morgen am Jüdischen Friedhof an der Gracht erzählt. „Gut die Hälfte von ihnen musste ihren Hausrat verkaufen, um ihre Flucht aus Nazi-Deutschland bezahlen zu können. Die anderen kamen während des Holocaust ums Leben“, berichtet Herrmann.

Bei der Station am Uhlenhorst wird er von dem Beitrag erzählen, den Mülheimer Industrielle, wie Fritz Thyssen oder Emil Kirdorff zum Aufstieg Hitlers leisteten. Doch auch die Leidensgeschichte von NS-Gegnern, wie Willi Müller, Otto Gaudig oder Fritz Terres, die von den Nazis ermordet wurden, soll bei der am8. Mai startenden Stadtrundfahrt auf den Spuren der NS-Diktatur zur Sprache kommen.

Dieser Text erschien am 7. Mai 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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