Freitag, 3. September 2010

Geschichten aus dem Nahverkehr: Wenn einer mit Bus und Bahn fährt, dann kann er was erleben


"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen", wusste schon der Dichter Matthias Claudius. Das gilt auch für die kleinen Reisen nach nebenan. Das erfuhr jetzt der Unternehmensberater Michael Kutz. Sein Büro an der Oberhausener Straße steuert er täglich mit der Straßenbahnlinie 112 an. Auch seinen Kunden, die ihn dort besuchen, empfiehlt er die Bahn. Denn die hält direkt vor der Haustür.

Doch in letzter Zeit hat seine Begeisterung für die Bahn gelitten. Und Kutz fragt sich, ob er die Straßenbahn noch guten Gewissens empfehlen kann. Verspätungen und fehlende Anzeigen oder Durchsagen sind ihm ebenso ein Ärgernis wie Fahrkartenstempelautomaten, die außer Betrieb sind. "Dafür sind wir nicht zuständig", hörte er immer wieder wenn er Fahrer oder Kontroleure der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) auf solche Missstände ansprach.



Doch als "Krönung" mangellender Servicekultur und Kundenorientierung empfand er die Ehrenrunde, die er kürzlich drehen musste, ehe er an seiner Ziel-Haltestelle Willy-Brandt-Schule aussteigen konnte. Obwohl er rechtzeitig den Halteknopf drückte, ließ der Fahrer ihn nicht aussteigen. Die Fahrt ging weiter und Kutz musste an der nächsten Haltestelle Landwehr aussteigen, um zurück zu fahren. Ärgerlich. Denn für den Unternehmensberater ist Zeit Geld.



Vom verantwortlichen Fahrer, bekam Kutz aber keine Entschuldigung, sondern nur ein gleichgültiges Achselzucken und eine abfällige Handbewegung als Antwort. Ist die MVG also Teil der Servicewüste Deutschland? Ihr Sprecher Jens Kloth verneint und bedauert den Vorfall. Die derzeit 260 Fahrer der MVG, so betont er, würden regelmäßig für einen freundlichen und deeskalierenden Umgang mit Fahrgästen geschult. Auch die Mitarbeiter der Leitstelle seien angewiesen, Verspätungen, elektronisch anzuzeigen oder per Lautsprecher durchzusagen.



Dass sich für Kutz die Straßenbahntür nicht öffnete, kann sich Kloth nur damit erklären, dass sich die entsprechende Elektronik durch häufigen gebraucht rasch abnutzt und schnell abnutzt. So könne es passieren, dass das Öffnungssignal nicht rechtzeitig im Bordcomputer des Fahrers angezeigt würde. Allerdings, so Kloth, würden alle Fahrzeuge mindestens einmal täglich gewartet, um sie bei Bedarf zu reparieren. Das gelte auch für die Fahrkartenstempelautomaten. Deren Farbbänder müssten aufgrund der starken Inanspruchnahme regelmäßig gewechselt werden. Im Zweifelsfall rät Kloth, sich sofort an den Fahrer zu wenden. Bleibt nur zu hoffen, dass man dann auf einen freundlicheren Kollegen im Führerstand trifft als zuletzt Michael Kutz. Aber das Leben ist eben eine Baustelle. Warum sollte es da beim Service in Bussen und Bahnen anders sein?

Ein Text zu diesem Thema erschien am 24. August in der NRZ

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