Ruhr-River-Jazzband und Bürgermeister Markus Püll gratulierten Margarete Schwoerer
Wer kann das schon von sich sagen, dass ihm die Ruhr-River-Jazzband
daheim auf der eigenen Terrasse ein Geburtstagsständchen bringt und der
Bürgermeister als Rosenkavalier vorbeikommt, um zu gratulieren. Aber Margarete Schwoerer
hatte am Samstag einen ganz besonderen Geburtstag. Sie ist jetzt 103 Jahre Jahre
alt geworden.
Als sie am 10 Juni
1920 in ihrem Elternhaus an der Friedrichstraße das Licht der Welt erblickte,
hatte Mülheim gerade die Revolution und den Ruhrkampf hinter sich gebracht. „Mein
Vater Walter hat als Kaufmann den Lebensunterhalt der Familie verdient. Und meine
Mutter Margarete hat sich als Hausfrau und Mutter um meine beiden Schwestern
Waltraud und Charlotte und um mich gekümmert“, erinnert sich die Mülheimerin
aus der Generation 100 Plus. Die Familie zog während ihrer Kindheit von der
Friedrichstraße zum Dickswall 70. „In der unmittelbaren Nachbarschaft befand
sich eine überkonfessionelle Volksschule, eine sogenannte Paritätische
Bürgerschule, die von christlichen und jüdischen Kindern besucht wurde.“ Nach
der Schule begann Margarete eine Sparkassenlehre. Die Sparkasse hieß damals
noch Stadtsparkasse geheißen und war ein Amt der Stadtverwaltung, Ihre Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen waren Beamte. Ich bin 1982 als letzte Sparkassenrätin
pensioniert worden,“ berichtet Schwoerer. Als sie ihr Berufsleben bei der
Stadtsparkasse begann, stand noch die Synagoge gleich neben der 1909 eröffneten
Sparkasse am Viktoriaplatz, die im Oktober 1938 für 56.000 Reichsmark und damit
für etwa ein Siebtel ihres Neubauwertes an die Stadtsparkasse verkauft und in
der Reichspogromnacht vom 9. Auf den 10. November 1938 vom damaligen
Feuerwehrchef und SS-Führer Alfred Freter in Brand gesteckt wurde. Für
Margarete Schwoerer war das Jahr 1938
ein glückliches. Denn damals lernte sie bei einem Ausflug mit der evangelischen
Altstadtgemeinde ihren späteren Mann Walter kennen. Doch das Glück der beiden
sollte nicht lange währen. Hitlers Krieg machte ihnen einen Strich durch die
gemeinsame Lebensrechnung. Schwörer erinnert sich: „Wir haben 1942 geheiratet
und mein Mann, der zuletzt als Soldat in Rumänien gekämpft hat, ist seit 1944
verschollen. Während der vielen Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges haben wir
im Keller unseres Hauses oder in einem Bunker gesessen der sich gleich
gegenüber dem Polizeipräsidium an der Von-Bock-Straße befand. Nach dem
Kriegsende habe ich bis 1955 immer noch gehofft, meinen Mann in eines Tages
wiederzusehen. Doch nachdem Konrad Adenauer 1955 die letzten deutschen
Kriegsgefangenen aus Russland nach Hause geholt hatte, musste ich mich damit abfinden,
ohne meinen Walter weiterzuleben.“ Walter Schwoerer ist einer von 2700
Wehrmachtssoldaten aus Mülheim, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges als
verschollen gelten.
Nach dem Krieg
besuchte Schwoerer nebenberuflich eine Verwaltungsfachschule und stieg danach
in den Höheren Dienst auf. „Ich habe immer in der Kreditabteilung der Stadtsparkasse
gearbeitet“, erklärt Schwoerer. In den 1960er Jahren hatte sie genug Geld
zusammen, um sich das Haus an der Ottostraße in Heißen zu bauen, in dem sie
heute mit der Alltagsassistenz ihres Pflegers Marco Brändel lebt. „Das Wichtigste
ist mir mein Garten. Früher habe ich dort selbst gerne gearbeitet. Doch das
kann ich seit einigen Jahren nicht mehr. Aber ich genieße es bis heute, dass
ich jeden Tag von meiner Terrasse in das wunderschöne Grün meines Gartens
schauen kann“, sagt Schwoerer. Regelmäßig schaut die Mülheimer Nestorin auch in
ihr großes iPad. Hier findet sie viel Wissenswertes, kann sich Ihre Fotos
anschauen, per Video-Call mit Freunden, Familie und Nachbarn Neffen
telefonieren. Margarete schaut noch jeden Tag die Fernsehnachrichten und recherchiert
dann im Internet die Fakten und Zusammenhänge, die sie nach dem ersten Sehen
und Hören noch nicht verstanden, hat“, berichtet ihr Hausgenosse und guter
Geist Marco Brändel. „Mit 80 habe ich einen Computerlehrgang an der
Heinrich-Thöne-Volkshochschule gemacht, so dass ich heute mit meinem ipad alles
machen kann. Das war das Beste, was ich machen konnte. Und ich kann es nur
jedem in meinem Alter empfehlen. Denn wenn man sich nicht mehr so gut bewegen
kann, kann man mit Hilfe des Internets mit der Welt in Kontakt bleiben und am
Leben vor der eigenen Haustür teilnehmen“, betont Schwoerer. Sie ist heute auf
einen Rollstuhl angewiesen und sich in ihrem Haus einen Treppenlifter einbauen
lassen. Die Frage wie sie so alt geworden ist, beantwortet die geistig hellwache
und lebenszufriedene Jubilarin mit dem Hinweis auf ihre guten Gene. „Meine
Mutter ist auch fast 103 Jahre alt geworden!“, sagt das reife Geburtstagskind.
Und was wünschen sich Margarete Schwoerer und ihr hilfreicher
Hausgenosse Marco Brändel für die Zukunft? Mit einem Augenzwinkern sagt
Brändel: „Ich habe mich auch schon um
Margaretes Mutter gekümmert, die 1998 verstorben ist. Und in sechs Jahren gehe
ich in Rente. Und bis dahin muss Margarete auch durchhalten.“
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