Freitag, 26. November 2021

Heiliges Blech

 In einer Zeit, in der sich alles in unserem Land schnell verändert, gibt es doch eine Konstante. Das Auto ist und bleibt des Deutschen liebstes Kind, auch und gerade, wenn er aus Mülheim kommt. Das sieht man in unserer Stadt. So mancher lässt vielleicht Frau und Kinder im Regen stehen, aber nicht sein geliebtes Auto. Da müssen zur Not auch schon mal ein oder zwei Garagen her. Und wenn die Garagen nicht mehr ausreichen, weil auch Kind und Kegel nicht mehr ohne Auto leben können und ein dritter Wagen angeschafft worden ist, dann wird der motorisierte Vierräderer auf den Bürgersteig geparkt. Es wäre ja auch zu schlimm, wenn dem geliebten Vehikel, dass unvorsichtiger Weise am Fahrbahnrand abgestellt würde, ein Blechschaden zustoßen könnte, weil die Straßen ja heutzutage so voll und die Autos kaum noch durch die beidseitig beparkten und viel zu engen Straßen. Da müssen Fußgänger schon mal solidarisch auf die Fahrbahn ausweichen und ein Opfer bringen, indem sie sich in potenzielle und punktuelle Lebensgefahr bringen. Etwa Solidarität wird man ja wohl noch einfordern können, als steuer- und Spritpreise- zahlender Autofahrer, um den einen oder anderen teuren Kratzer am Heiligen Blech abzuwenden. Wir lamentieren über Mord und Totschlag in aller Welt, über Klimawandel, über Staus und den schlechten Zustand unserer Straßen oder über das teure Zuschussgeschäft leerer Busse und Bahnen. Aber die jährlich zig Verkehrstoten nehmen wir als Naturgesetz der motorisierten Mobilität hin. 

Und wenn wir erst mal einsteigen, den Schlüssel umdrehen und aufs Gaspedal treten, sind wir scheinbar aller Sorgen ledig, wenn wir die freie Fahrt des freien Bürgers genießen und nach dem Prinzip leben: Ich fahre, also bin ich. Nach mir die Sintflut. 


NRZ, 22.11.2021

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