Freitag, 20. November 2020

Was bringt die Wahlrechtsreform?

Der Bundestagswahlkreis Mülheim/Essen-Borbeck könnte „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ab der Bundestagswahl 2024 noch größer werden. Darauf weist Mülheims SPD-Bundestagsabgeordneter im Gespräch mit dieser Zeitung hin. Auch Klare, der dem Deutschen Bundestag seit 2013 angehört, hat mit den Regierungsfraktionen für eine grundsätzliche Wahlrechtsreform gestimmt, die den Bundestag kleiner machen soll.


„Wir sind jetzt schon 709 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Und es stand zu erwarten, dass das Parlament nach der nächsten Bundestagswahl noch größer werden könnte. Dass hat damit zu tun, dass seit 2002 alle Überhangmandate ausgeglichen werden müssen, damit die Proportionen im Parlament auch das Wahlergebnis abbilden“, erklärt Klare. Als Überhangmandate bezeichnet man die Direktmandate, die über die Zahl der durch die Zweitstimmen gewonnen Listenmandate einer Partei hinaus gehen. „Durch dieses auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zurückgehende Ausgleichsverfahren bekommen alle Fraktionen im Parlament mehr Mandate, so dass die Gesamtzahl der Abgeordneten schnell ansteigt“, sagt Klare.


Der Sozialdemokrat begrüßt die Neuregelung, wonach schon ab der kommenden Bundestagswahl die ersten drei Überhangmandate nicht ausgeglichen werden und das Bundesgebiet als einheitliches Wahlgebiet angesehen wird, so dass die über die Erststimme in Wahlkreisen gewonnen Direktmandate auch über die Grenzen von Bundesländern hinaus miteinander verrechnet werden können. „Wäre das schon bei der letzten Bundestagswahl geltendes Wahlrecht gewesen, hätten wir maximal 680 statt 709 Bundestagsabgeordnete bekommen“, erklärt der als Direktkandidat der SPD in den Bundestag gewählte Klare.

Kritisch sieht Klare, dass die jetzt mit dem Walrechtsreformbeschluss des Parlaments eingesetzte Kommission auch darüber beraten wird, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 zu reduzieren. „Damit würden Abgeordnete und Bürger weiter auseinanderrücken“, gibt der SPD-MdB zu bedenken. Er weist auf seinen Parteifreund Jens Geier hin, der „als für unsere Region zuständiger Europaabgeordneter acht Bundestagswahlkreise betreuen muss.“ Schon 2002 hatte Mülheim seinen mit den Stadtgrenzen identischen Bundestagswahlkreis verloren, der damals um den Essener Stadtteil Borbeck erweitert wurde. Statt die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, so Klare, solle man lieber, wie von seinem Duisburger SPD-Bundestagskollegen Mahmut Özdemir vorgeschlagen, eine Mandatsobergrenze von 670, 680 oder 690 Abgeordneten festliegen. Wenn diese Obergrenze erreicht werde, könne man dann „besser die Listenmandate als die Direktmandate jeweils von unten wegkürzen.“ 


Ein reines Mehrheitswahlrecht, bei dem wie in Großbritannien, Frankreich oder in den USA, nur direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete gibt, lehnt Klare aber ab, „weil wir mit unserem Mischwahlsystem aus Parteilisten und Wahlkreisen gut gefahren sind. Denn damit am wird ehesten das politische Meinungsspektrum in der Bevölkerung auch im Parlament abgebildet.“


Dieser Text erschien am 17. November 2020 in NRZ & WAZ

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