Mittwoch, 13. September 2017

Als August Thyssen 1871 in Styrum sein Walzwerk gründete

Beim Namen Thyssen denkt man an Stahl, Kohle und große Industriewerke. Man staunt, wenn man das erste Verwaltungsgebäude und Materiallager sieht, das August Thyssen in Styrum errichten ließ. Dabei handelte es sich um einen umgebauten Schuppen des ehemaligen Heckhoff-Hofes. Angesichts der Entwicklung, die der Thyssen-Konzern später nahm, wirken seine Anfänge äußerst bescheiden.

Seine Keimzelle war die Kommandit-Gesellschaft Thyssen und Co, die der damals 28-jährige August Thyssen zusammen mit seinem Vater Friedrich 1871 in Styrum gründete. Mit einem Startkapital von 70.000 Talern ging Thyssen ans Werk.

Eigentlich hatte er ein Grundstück auf dem Styrumer Marktplatz erwerben wollen, wo 1893 ein Rathaus für die zwischen 1878 und 1903 eigenständige Landbürgermeisterei Styrum errichtet werden sollte. Doch das Geschäft platzte und der Unternehmensgründer musste sich nach einer Alternative umschauen. Er fand sie bei Gustav Becker, der ihm zunächst 20.000 Quadratmeter des Heckhoff-Landes verkaufte. Hier ließ Thyssen nicht nur besagten Schuppen umbauen. Hier ließ er auch eine 100 Meter lange Werkshalle errichten, die einen eigenen Bahnanschluss hatte. Außerdem ließ sich Thyssen auf seinem Werksgelände fünf Puddelöfen, eine 160 PS starke Dampfmaschine, eine Bandeisenstraße und eine Luppen-Eisen-Straße installieren.

Sein Werksgelände lag zwischen dem Bahnhof Styrum und dem späteren Hauptbahnhof, den wir heute als Bahnhof West kennen. Das war für den Unternehmer eine logistisch hervorragende Lage. Denn sein Werk, dessen Mitarbeiter-Zahl bis 1877 auf 300 anstieg und damals 3000 Tonnen Eisen produzierte, befand sich damit im Kreuzungsbereich der Rheinischen und der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Auch wenn Styrum mit dem Beginn des Eisenbahnverkehrs im März 1862 in einen Teil „vor“ und einen Teil „hinter“ der Bahnteilte, brachte die Industrialisierung Styrum einen enormen Aufschwung. Aus allen Provinzen des Deutschen Reiches und seinen Nachbarländern kamen Menschennach Styrum, um hier bei Thyssen Arbeit zu finden. So verzehnfachte sich die Bevölkerung Styrums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und lag um 1900 bei 31.000 Einwohnern.

Thyssen, der sein Unternehmen zunächst mit seinem Vater Friedrich und nach dessen Tod mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Josef führte, war nicht nur an reiner Gewinnmaximierung interessiert. Damit er die Arbeiter und ihre Familien an sich binden konnte, ließ er nicht nur Werkswohnungen errichten. 1878 initiierte er die Gründung eines Werkschores, den wir heute als Mannesmann-Chor kennen.
Auch der Bau der 1897 eingeweihten Styrumer Marienkirche und des 1912 eröffneten Mülheimer Stadtbades wurden von Thyssen mitfinanziert. Außerdem Gründete er mit Hugo Stinnes den Mülheimer Bergwerksverein und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk. Beruflich legte Thyssen Wert auf Repräsentation. Davon zeugen seine spätere Firmenzentrale, das heutige Haus der Wirtschaft an der Wiesenstraße und sein späterer Wohnsitz Schloss Landsberg. Doch privat war Thyssen sehr sparsam und ersparte sich das Brückengeld, in dem er die von 1844 bis 1900 existierende Kettenbrücke nur zu Fuß und nicht mit seiner Kutsche überquerte.


Als August Thyssen 1926 starb, wurde der Wert seines Unternehmens auf 400 Millionen Reichsmark geschätzt. Der größte Teil der Thyssen-Werke ging nach dem Tod des Firmengründers in den Vereinigten Deutschen Stahlwerken auf.

Ein Beitrag für den 5. Band der Buchreihe "Styrum - ein starkes Stück Stadt" 

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