Samstag, 28. Juni 2025

Automobilissimo

 Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind. Das konnte man auch jetzt beim Oldtimertreff in und an der Alten Dreherei wieder einmal miterleben. Und auch wer selbst eher zur Fraktion der Fußgänger oder Bus- und Bahnfahrer gehört, kann sich der Faszination der Automobilität von Anno dazu mal nicht ganz entziehen. Jedes Auto, was zwischen Kamera obscura ringlokschuppen und Feuerwache zu sehen war hatte seine eigene Geschichte. Das Kennzeichen H, wie historisch, wie es auch Fahrzeuge tragen, weist auch Autos als Oldtimer aus, die noch gar nicht so ganz alt sind. 

Der Vorteil für die historischen Fahrzeughalter: Sie brauchen nur einen einheitlichen Kraftfahrzeugsteuersatz bezahlen, benötigen keine Umweltplakette und müssen auch moderne Standards, wie etwa Sicherheitsgurte, nicht nachträglich einbauen. Die Sicherheitsgurte, die in den frühen 1980er Jahren gegen heftigen Widerstand der Autofahrerlobby vom damaligen CSU-Bundesverkehrsminister Werner Dollinger mit Blick auf die hohen Unfallzahlen durchgesetzt wurde, sucht man zum Beispiel im Ford Taunus aus dem Baujahr 17M  vergeblich. Ungewöhnlich ist auch, das besonders große Lenkrad, auf dem das Kölner Stadtwappen prangt und uns damit darauf hinweist, dass dieses Fahrzeug bei Ford in Köln vom Band gelaufen ist. Für heutige Autofahrer gewöhnungsbedürftig ist auch der Steuerknüppel, der gleich am Lenkrad montiert ist und die Handbremse, das Wort sagt es, die von Hand gezogen werden muss. 

Warum sich wer welches Fahrzeug aus längst vergangenen Baujahren anschafft? Die meisten Oldtimer-Eigentümer erzählen davon, dass sie schon als Kinder und Jugendliche von einem bestimmten Fahrzeugtyp begeistert waren, den sie sich aber als junge Berufstätige nicht leisten konnten. Genauso ging es vor 50 Jahren einen jugendlichen VW-Käfer-Fahrer, der inzwischen, seinem Mercedes 200/8 aus dem Baujahr 1975 sei Dank, doch noch ein glücklicher Mercedesfahrer geworden ist. Das Fahrzeug konnte er gegen eine Spende für einen guten Zweck von einer alten Dame bekommen und ihn so vor der Verschrottung bewahren.  "Das ist für mich wie eine Zeitreise in meine Jugend, vor allem, wenn die entsprechende Musik im Autoradio läuft", sagt der Mülleimer, der im Baujahr seines Fahrzeugs 23 Jahre jung war. 

Bemerkenswert ist auch ein orangener Rennwagen mit Flügeltüren. Sein Besitzer berichtet davon, dass er das 1969 von Wartburg gebaute Fahrzeug 1992 in Ostdeutschland für kleines Geld erwerben konnte. Es handelt sich, wie er nicht ohne Stolz zu berichten weiß, um einen Melkus RS 1000 das einzige rennfahrzeug, dass zwischen 1969 und 1979 in der DDR gebaut wurde. Seine Spitzengeschwindigkeit von 165 km/h hört sich heute nicht gerade spektakulär an. Die Dimension dieser Geschwindigkeit wird aber deutlich, wenn man sich vor Augen führt, und dass auf den Autobahnen der DDR Tempolimit 100 galt. 

Ebenfalls in Orange und fast wie neu, blinken auch der Opel Olympia und der VW-Käfer, die in den 1950er Jahren, die Schokoladen, Pralinen und Vertreter der 1867 in Mülheim gegründeten Firma Wissoll zur Kundschaft brachten, 

Stilecht gekleidet kreuzt ein Ehepaar mit einem Mercedes Cabriolet auf, das mit seiner Vorkriegssilhouette scheinbar aus den 1920er Jahren kommt, tatsächlich aber, wie sein angesichts des starken Sonnenscheins gut behüteter Fahrer verrät, mit der Technik der 1960er Jahre ausgestattet ist. Denn bei seinem Mercedes Cabriolet SSK handelt es sich um einen im besten Sinne des Wortes filmreifen, weil auch für Hollywood gebauten Nachbau des Originalfahrzeugs. 

Im Vergleich zu Mercedes Cabriolet SSK erscheint der VW Kübelwagen aus dem Baujahr 19 74 geradezu profan. Doch wenn man seinen Besitzer von "der ganz anderen Art des Autofahrens schwärmen hört, fühlt man etwas von der Faszination, die von einem Fahrzeug ausgeht, das, wie sein Halter berichtet: "Wie wenig man eigentlich braucht, um ein Auto zu fahren."

"Luftiger und leichter geht es nicht", sagt der Mittvierziger mit Blick auf seinen Kübelwagen, der in seinem ersten Leben im Katastrophenschutz eingesetzt war, und sich in Notfall auch schnell auseinander- und wieder zusammenbauen lässt, und der, wenn es darauf ankommt, im Sommer auch ohne Windschutzscheibe gefahren werden kann. "Wenn ich am Wochenende mit meinem Kübelwagen über Land fahre und in der nächsten Eisdiele einen Zwischenstopp einlege, bekomme ich den Kopf vom Alltagsstress frei", berichtet sein Besitzer und strahlt über das ganze Gesicht. Man glaubt ihm sofort.



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