Als ein Grundschulkind der 1970er Jahre kam ich schon
erheblich früher In den Genuss von Aufklärungsunterricht als meine älteren
Schwestern und deren Freundinnen. Umso spannender fanden sie, welche zumindest
theoretischen Detailkenntnisse über das Liebesleben ihr kleiner Bruder für
Details aus seinem anschaulich vermittelten Aufklärungsunterricht in der
aufgeklärten Schule der 1970er Jahre mit nach Hause brachte. Später, im
Gymnasium , lernte ich den Begriff der Aufklärung dann noch einmal von seiner
philosophischen Seite kennen. Die Frage: „Was ist Aufklärung?“, so las und
hörte ich, hatte der Königsberger Philosoph Immanuel Kant 1784 mit der Aufforderung
beantwortet: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Gestern , im
Wartezimmer meines Zahnarztes wurde mir wieder einmal klar, wie Recht der alte
Kant hatte. Die Arzthelferinnen hatten es gut gemeint mit den Patienten und das
Fenster zur Straße weit geöffnet. Doch gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht.
Denn plötzlich wehte eine so steife Brise durch das Wartezimmer, dass die
Patienten im Durchzug saßen und neben ihren Zahnschmerzen auch noch einen
steifen Hals zu bekommen drohten. Doch wir alle ertrugen unser Leid still und
duldsam. Bis ich auf die Idee kam, dass ich ja auch selbständig in der Lage sei,
das weit geöffnete Fenster zu schließen und auf Kippe zu stellen, so dass der
Durchzug abgeschaltet wurde. „Das ist wirklich eine gute Idee“, waren sich
meine Mit-Insassen im Wartezimmer einig. Da fiel mir der alte Kant wieder ein, der
seinen Zeitgenossen schon so manchen Zahn gezogen hatte. Und mir wurde klar, was
er damit gemeint hatte: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Ich weiß zwar nicht, welchen Zahnarzt Immanuel Kant hatte, aber er seine
Erkenntnis kann auch heute für uns heilsam sein. Die beste Idee nutzt nichts, solange
sie niemand in die Tat umsetzt.
Dieser Text erschien am 31. Juli 2019 in der Neuen Ruhrzeitung
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