Freitag, 19. Juli 2019

Papier ist geduldig

Ausgerechnet beim Radiohören ging mir gestern auf, wie gut es ist, dass es immer noch eine gedruckte Zeitung gibt. In jüngster Zeit habe ich den Eindruck, dass die Kollegen vom Funk wie von der Tarantel gestochen sind. Vor allem in die Reporter, die von der Börse und vom Tagessport berichten, aber nicht nur die , werden immer schneller. Selbst als normal hörender Mensch fällt es einem immer schwerer, ihrer Informationsraserei zu folgen. Vielleicht hat es damit zu tun, das gerade im Sport und an der Börse oft Sekunden zählen, die über Sieg oder Niederlage beziehungsweise über Gewinn oder Verlust entscheiden.
Kaum hat man sich als geneigter Frühstückshörer zwischen Kaffee, Brötchen, Wurst  und Marmelade auf eine Nachricht eingelassen, kommt auch schon die nächste wie aus der Pistole geschossen. Und am Ende weiß man gar nicht mehr recht, was man überhaupt gehört hat. Hinzu kommt, dass Fußballvereine, siehe Borussia Dortmund, inzwischen ja auch als Aktiengesellschaften an der Börse notiert sind. Man sieht: Auch der Sport ist schon lange nicht mehr die reine Freude. Auch auf seinem Spielfeld geht es um knallharte Gewinne und Verluste in Euro, Dollar und Cent. Na, dann: Hals und Beinbruch. Da bin ich als Zeitgenosse, der das digitale Zeitalter noch aus der Perspektive eines noch im analogen Steinzeitalter aufgewachsenen Menschen erlebt, doch ganz froh, dass ich bei meinen täglichen Nachrichten, die mir nicht nur morgens aufs Butterbrot geschmiert werden, nicht allein von den flüchtigen Funker abhängig bin, sondern alles noch einmal in Ruhe in meiner Zeitung nachlesen kann. Papier ist eben geduldig und verträgt auch den ein oder anderen Kaffee oder Fettfleck. So schön langsam kann eine Zeitreise ins analoge informationszeitalter sein.

Dieser Text erschien am 19. Juli 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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