Dienstag, 27. Dezember 2022

Weihnachten 1922

 Wie haben die Mülheimer vor 100 Jahren Weihnachten gefeiert. Ein Blick in die Weihnachtsausgabe der Mülheimer Zeitung vom 23. Dezember 1922 und deren Anzeigenteil zeigt es. Die Zeitung ist damals noch das Leitmedium schlechthin. Und die im Verlag Marcks erscheinende Mülheimer Zeitung kann 1922 ihr 50-jähriges Bestehen feiern.

Unter der Überschrift: „Weihnachten 1922“ heißt es unter anderem: „Denkt an die armen Mitmenschen! Am meisten freuen sich wohl die Kleinen auf den Lichterglanz des Weihnachtsbaumes und sie hoffen, dass vielleicht der eine oder andere Herzenswunsch in Erfüllung gehen wird. Glückliche Kindheit, der ein frohes und trautes Weihnachten wird. Die Kinder wissen nichts von derben Enttäuschungen und schmerzlichen Erinnerungen. Sie kennen nichts von dem lähmenden Druck, der jetzt wieder verstärkt auf allen Gemütern lastet. Und wenn etwas ihre Stimmung beeinflusst dann ist es die widrige Witterung, weil man sich den Geburtstag des Christkindes eigentlich nicht ohne Schnee Eis und Schlittengeläut vorstellen kann. Angesichts des guten alten Weihnachtszaubers sollte eigentlich in allen Herzen eine frohe Zukunftsstimmung sein. Aber wir können nicht den Maßstab früherer Jahre an dieses Fest legen, das vielen Erwachsenen wieder quälende Sorgen bereiten wird. Wer mit Kümmernis im Herzen nicht weiß, wie er den Speis und den Trank für den folgenden Tag besorgen soll, wo graue Armut und knöcherne Not ständige Hausgäste sind, da sind auch die Tage des Wünschens und Hoffens eine quälende Last. Erinnern wir uns gerade in dieser Zeit daran, dass die deutschen Weihnachten immer eine Zeit der helfenden Nächstenliebe gewesen sind, in der die Herzen besonders weich gestimmt sind. Und deshalb öffnen sich die Hände in dieser Zeit auch rascher zum seligen Geben als sonst. Gerade in diesem Jahre, in dem das Gespenst der Armut umherschleicht, müssen sich sehr viele Leute doch darauf besinnen, dass es eine schöne Tugend ist, wenn man denen die in bedrückender Bedrängnis leben, etwas vom eigenen Glück mitgeben und so ihren Glauben daran stärken kann, dass das Fest der Liebe auch an den unglücklichen Erdenkindern nicht spurlos vorübergeht.“

Der ernste Appell an die mitmenschliche Hilfsbereitschaft kommt nicht von ungefähr. Weihnachten steht vor 100 Jahren unter dem Vorzeichen der Hyperinflation, die zwischen 1923 und 1925 die Vermögen der Mülheimer vernichten und den wirtschaftlichen und sozialen Alltag in unserer Stadt noch mehr als bisher aus den Fugen geraten lassen wird, weil die Preise unkalkulierbar werden. Für die Hyperinflationsjahre weist das statistische Bundesamt deshalb auch keine Durchschnittslöhne. 1921 hatte das durchschnittliche Brutto-Monats-Gehalt noch bei 831 Mark gelegen.

Vier Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges müssen die Deutschen, die jetzt in einer von Rechts- und Linksextremisten angefeindeten Republik leben, milliardenschwere Reparationsleistungen erbringen, die ihnen der ungeliebte Friedensvertrag von Versailles seit drei Jahren auferlegt. Unter dem Eindruck der Not haben sich in der Stadt die sozialdemokratische Arbeiterwohlfahrt, die katholische Caritas und die evangelische Diakonie als Sozialverbände gebildet und mit dem Sozialdemokraten Ernst Tommes hat die Stadt erstmals einen Wohlfahrtsdezernenten, der die kommunale Sozialpolitik koordiniert. Auch in Mülheim haben die Bürgerinnen und Bürger mit Arbeitsniederlegungen und einer Protestkundgebung auf dem Rathausmarkt reagiert, nachdem der liberale und jüdische Reichsaußenminister Walther von Rathenau am 24. Juni 1922 einem Mordkomplott der rechtsextremen Organisation Consul zum Opfer gefallen ist.

Bezeichnend für die galoppierende Inflation sind die Preise, die man dem Anzeigenteil der Mülheimer Zeitung am 23. Dezember 1922 entnehmen kann. Da wird zum Beispiel das Pfund Rindfleisch für 560 Mark, das Paket Weihnachtskerzen für 195 Mark, das Pfund Margarine für 980 Mark, das Pfund Butter für 1750 Mark und ein halbes Pfund Bohnenkaffee für 600 Mark angeboten.

In den meisten Werbeanzeigen bieten die Händler ihren Kunden Ratenzahlungen an. Ablenkung und Trost finden die von der Not gebeutelten Mülheimer an Weihnachten 1922 nur in der Kirche oder im Kino. In den Mülheimer Filmtheatern laufen damals die neuesten, musikalisch untermalten, Stummfilme.

Für den ersten Weihnachtstag 1922 kündigt die Mülheimer Zeitung ein Konzert des Mülheimer Kirchenchores an, das um 20 Uhr in der Petrikirche beginnen soll. Von einem Eintrittspreis ist keine Rede.

Gleich mehrere Mülheimer Kinos, wie die Schauburg, das Apollo oder das Union-Filmtheater werben mit cineastischen Fluchten aus dem tristen Krisenalltag. Je nach Temperament kann man sich zum Beispiel vom Historienfilm: „Marie Antonette“, von der Detektivgeschichte „Ihr Kammerdiener“, vom Western: „Mit Büchse und Lasso“, von der Harold-Lloyd Komödie „Der Meisterboxer“ oder von der Komödie „Charly Chaplin und der Großfürst von Kirkistan“ in eine Traumwelt entführen lassen, in der man den Stress des trüben Alltags zumindest stundenweise vergessen kann. Das gleiche Ziel verfolgt auch, wer an den Weihnachtstagen 1922 der Einladung ins Tanzlokal an der Monning folgt, wo ein „öffentlichen Festball mit einem Familienkonzert“ auf dem per Zeitungsanzeige transportierten Veranstaltungsprogramm stehen. 

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Aufwind im Advent

 Dass an diesen Tagen vor Weihnachten auch an sie gedacht wird, erlebten etwa 50 sozial benachteiligte Menschen aus Mülheim, die von der 2002 ins Leben gerufenen christlichen Aktion Aufwind ins Gemeindehaus der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße eingeladen wurden, um bei gutem Essen, guten Gesprächen und guter Live-Musik (letztere von Keyboarder Dirk Biesgen und Sängerin Sandra Schmidt) für einige Stunden von der Schatten- auf die Sonnenseite des Lebens zu wechseln.

Mit-Organisator Norbert Tischmeyer ließ sich in seinem geistlichen Grußwort von der Weihnachtsgeschichte inspirieren und verglich die Hirten auf dem Felde, die als erstes von der Geburt Jesu erfuhren mit den Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, weil sie zum Beispiel durch Krankheit, Drogen, Arbeits- und Wohnungslosigkeit aus ihrer Lebensbahn geworfen sind. Der Automobilingenieur Tischmeyer, der nach eigener Aussage „in einer schweren Lebenskrise Menschen gefunden hat, die mich an die Hand genommen und wieder aufgerichtet haben,“ sagte seinen Gästen: „Die Frohe Botschaft Jesu richtet sich gerade an euch, die ihr gefallen, aber wieder aufgestanden seid. Sie kann euch für Euer Leben Mut machen, immer wieder neu anzufangen und nicht zu verzweifeln, auch wenn wir in beängstigenden und frustrierenden Zeiten von Corona, Krieg, Energiekrise und Inflation alle nicht wissen, wohin das alles führen wird.“.

Diese Zeitung nutzte die Adventsfeier der Aktion Aufwind, deren Name nicht nur zur Weihnachtszeit Programm ist, um mit deren Gästen darüber ins Gespräch zu kommen, was sie auf ihrem Lebensweg von 2022 nach 2023 für sich und für uns alle hoffen und wünschen.

Ein 56-jähriger Mann mit Wollmütze und leicht ergrautem Haar sagt: „Die heutige Einladung ist in meiner bescheidenen Situation eine schöne Ablenkung in meinem harten Alltag, aber auch nicht mehr. In Deutschland muss sich viel ändern, vor allem die Politik. Sie kümmert sich zu viel um arme Menschen, die zu uns kommen und zu wenig, um die vielen Leute, die hier schon ihr ganzes Leben verbracht haben und denen es echt dreckig geht.“

Renate (73) wünscht sich, „dass ich weiterhin die Kraft habe nach vorne zu schauen, weil es anders nicht geht und dass ich hier weiter eine Gemeinschaft finde, in der man zusammenhält, sich zuhört und sich auch hilft.“ Von der Politik fühlt sie sich auf allen Ebenen im Stich gelassen. „Der Oberbürgermeister und die Regierung müssten mal was für unsere Kreise, zum Beispiel für Obdachlose und arme Rentner tun. Im reichen Süden der Stadt sind die Straßen und Häuser noch ganz gut. Aber im armen Norden tut sich nichts. Für die armen Menschen bewegt sich nichts. Die sind für die Politik nicht wichtig und interessant.“

Annika (35) berichtet bei Kaffee und Gebäck: „Ich habe lange als Teilzeitkraft und Kassiererin im Einzelhandel gearbeitet. Aber das war für mich zu stressig und hat mich psychisch krank gemacht. Jetzt suche ich nach einer Langzeitreha nach einer betreuten Wohngemeinschaft, in der Menschen, wie ich an die Hand genommen und wieder fit gemacht werden. Aber solche WGs gibt es leider viel zu wenig. Umso schöner sind solche Aktionen wie die von Aufwind, die an Menschen denken und sie sehen, denen es nicht gut geht“

Jürgen (75) wünscht sich vor allem, „dass es Frieden in der Ukraine gibt und die Preise wieder runtergehen, damit es allem besser geht.“ Außerdem fände er es schön, wenn an kalten Tagen U-Bahnhöfe, Einkaufszentren und Turnhallen mit Feldbetten auszustatten und so als winterfeste Übernachtungsmöglichkeit für Obdach- und Wohnungslose zur Verfügung zu stehen. Menschen in der Krise, wünscht er vor allem „den Mut und die Klugheit, Hilfe anzunehmen, Veränderung zu wagen, auf gute Menschen zuzugehen und schlechten Menschen aus dem Weg zu gehen.“

Hermann (57) wünscht sich für 2023 vor allem „Gesundheit und Menschen, die einem ab und zu helfen.“ Außerdem würde er sich über „mehr Schlafplätze für Obdachlose und über mehr Streetworker freuen, die einen Blick für Menschen haben, die auf der Straße leben und denen es schlecht geht!“

Christel (68), die von sich sagt: „Ich war schon mal fast tot“, wünscht sich 2023 viele Stunden mit netten Menschen, wie sie sie an diesem Samstag beim Aufwind erlebt und sie hofft, „dass die Menschen wieder freundlicher und hilfsbereiter miteinander umgehen und dabei den Wert der Gemeinschaft wiederentdecken und erleben.“ Diesem Wunsch schließt sich Helmhard (71) gerne an und ergänzt ihn noch um den Wunsch, „dass es wieder mehr bezahlbaren Wohnraum und gute Nachbarschaft“ geben möge, „damit niemand mehr Wohnungs-Punk erleben muss.“

Und Jörg (57), der nach einer 35-jährigen Drogenkarriere seit 2018 wieder clean ist und jetzt zum Mitarbeiterteam der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße gehört, wünscht sich nicht nur für 2023, „dass viele Menschen in einer Lebenssituation, wie ich sie erlebt habe, Gott und Menschen kennenlernen, die wohlwollend auf sie zugehen und sie so ermutigen, ihr Leben zum Besseren zu verändern.“

 

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Samstag, 17. Dezember 2022

Saarner Geschichte(n)

 Für alle, die sich mit Saarn identifizieren und die sich für den Stadtteil interessieren, ist der 120 Seiten starke Band "Saarn ein städtisches Dorf" ein Muss. Für fünf Euro ist man bei der bild- und textreichen Zeitreise ins alte Saarn dabei. Das zweite Buch aus der Schreibwerkstatt des 2013 gegründeten Geschichtsgesprächskreises ist in den Buchhandlungen Hilberath und Lange an der Düsseldorfer Straße 111 und Fehst am Löhberg 4 erhältlich.


Werner Rausch, Franz Firla, Friedrich-Wilhelm von Gehlen, Herbert Heintges, Friedhelm Behmenburg, Heinz Weirauch, Jella Stanka, Sabine Klischat-Howe, Grietta Overmann, Bernd Bellenbaum, Willi Horstmannshoff und Bernd Blaschke haben lesenswerte Geschichte(n) aus dem Dorf zusammengetragen. Mit der Lektüre erfahren wir zum Beispiel etwas über den 1893 in Saarn geborenen Künstler Otto Pankok und über den Saarner Heimatdichter Heinrich Mühlensiepen. Wir entdecken die Geschichte Saarner Familienunternehmen, lernen den Saarner Segelflugpionier Wilhem Weinrauch kennen, besuchen die Saarner Pferderennbahn, erfahren, wie man in Saarn den Zweiten Weltkrieg und dessen Ende erlebt hat. Wir hören etwas vom Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Saarn, begleiten den Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy bei seiner Saarn-Visite anno 1834 und betrachten das ländliche und bäuerliche Leben auf der Saarner Kuppe Kinderaugen und erfahren, warum das Kartoffelauflesen zum Abenteuer werden kann. Und das alles ist noch längst nicht alles, was man im zweiten Band mit Stadtteilgeschicht(e)n aus Saarn erlesen und entdecken kann.

Unterstützung aus der Wirtschaft und aus der Politik


Nicht nur die Anzeigengeber aus der Saarner Wirtschaft, sondern auch die Unterstützung aus den Verfügungsmitteln der Linksruhr -Bezirksvertretung 3 haben den Druck von 750 Exemplaren und deren kundenfreundlichen Stückpreis von fünf Euro möglich gemacht. "Wir haben den zweiten Band des Geschichtsgesprächskreises Saarn als Bezirksvertretung 3 gerne 500 Euro unterstützt, weil die Identifikation mit dem Stadtteil und seinen Menschen fördert, wenn Wissen über die Saarner Geschichte auch an die junge Generation und an Neu-Saarner auf diesem Weg weitergegeben wird", sagt Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind.  In diesem Sinne wird der Geschichtsgesprächskreis Saarn 20 seiner Bände kostenfrei an Saarner Schulen abgeben. Nach Angaben der Stadt leben zurzeit rund 23.500 Menschen in Saarn.

Werner Rausch, Herbert Heintges und Friedrich-Wilhelm von Gehlen gehören zum "harten Kern" des Geschichtsgesprächskreises, der sich am ersten und dritten Freitag des Monats zwischen 10 und 12 Uhr im Kloster Saarn trifft. Sie können sich auch vorstellen, die alte Tradition eines Dorfrundganges am Samstagnachmittag in Zusammenarbeit mit dem Saarner Bürgerverein, wieder aufleben zu lassen, um alte, junge und neu zugezogene Saarner über die Geschichte ihres Stadtteils miteinander in Kontakt und ins Gespräch zu bringen. 

"Die meisten Mitglieder sind im Rentenalter. Wir würden uns aber auch über jüngere und noch berufstätige Mitstreiter freuen, die aus beruflichen Gründen aber nicht an unseren vormittäglichen Treffen teilnehmen können", sagt Werner Rausch. Deshalb können sich Menschen, die die Erinnerungsarbeit von Saarnerinnen und Saarnern für Saarner und Saarnerinnen unterstützen können und möchten, unter der Rufnummer: 0208/489120 oder per E-Mail an: info@saarnerkirmes.de über Werner Rausch Kontakt mit dem Geschichtsgesprächskreis Saarn aufnehmen. Die Saarner Geschichtsschreiber lassen keinen Zweifel daran, dass sie schon jetzt Ideen und Themen für einen dritten und vierten Band "Saarn - ein städtisches Dorf" haben.

Freitag, 16. Dezember 2022

Ein Preis für Kunst und Wissenschaft

 Mit rund 150 Gästen aus allen Bereichen der Bürgerschaft haben der Künstler Alexander Voß und der Chemiker Prof. Dr. Torsten Schmidt in der Sparkasse am Berliner Platz ihren Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft gefeiert. Die Sparkasse war nicht nur Gastgeberin der Preisverleihung. Sie stellt auch das Preisgeld von jeweils 3000 Euro zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang würdigte Oberbürgermeister Marc Buchholz die Partnerschaft zwischen Stadt und Sparkasse, die sich nicht nur bei der Dotierung des seit 1962 vergebenen Preises bewährt habe.

Der Jury, die die Ruhrpreisträger auswählt, gehören der Vorstandsprecher der Sparkasse, Martin Weck, Kulturdezernentin Dr. Daniela Grobe, die Vorsitzende des Kulturausschusses, Bürgermeisterin Ann-Kathrin Allekotte, der Chemiker und MPI-Direktor Prof. Dr. Ferdi Schüth  und der Filmemacher Rainer Komers an, der die Mülheimer Künstler vertritt. Angesichts der Corona-Pandemie hatte es 2020 und 2020 keine Ruhrpreisverleihung gegeben.

Mit Blick auf die aktuellen Preisträger erklärte der Oberbürgermeister: „Prof. Thorsten C. Schmidt und Alexander Voß zeichnet - wie andere Preisträger vor ihnen - aus, dass sie Bestehendes aus neuen Blickwinkeln ansehen. Sie bewerten es anders als ihre Vorgänger. Sie suchen nach innovativen Ansätzen, Entwicklungsmöglichkeiten und Ausdrucksformen.

Sie lösen Diskussionen aus, in denen sich Fachwelt und Laien neugierig mit den Arbeitsergebnissen der beiden auseinandersetzen. Sie regen die Fantasie an, inspirieren, irritieren, verblüffen oder verstören. Sie ermuntern andere, mit den Ergebnissen ihrer Arbeit weiter zu forschen, diese ebenfalls zu hinterfragen, sie weiterzuführen oder zu verändern.“


Alexander Voß wird einen Teil seines Preisgeldes, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung sagte, dem von ihm mitgegründeten Kunsthaus an der Meißelstraße in Styrum (www.kunsthaus-mh.de) zur Verfügung stellen.


In ihrer Laudatio auf Voß, die die kurzfristig erkrankte Leiterin des städtischen Kunstmuseums. Beate Reese, von ihrer Stellvertreterin Anja Bauer-Kersken vortragen ließ, würdigte Reese den Preisträger „als als eine verlässliche Größe in der Künstlerschaft.“ Voß, so seine Laudatorin, „wird ob seiner nachdenklichen und überlegten Art geschätzt.“ Darüber hinaus würdigten seine Laudatorinnen Voß als „Meister der gelenkten Schnitte und Bruchstellen,“ der „Seit fast vierzig Jahren beharrlich und konsequent seinen künstlerischen Weg verfolgt“ und sich: „mit der Gestaltungskraft der Linie auseinandergesetzt hat, die ihn als grundlegendem Element von Kunst, Schritt für Schritt von der Fläche in den Raum geführt“ habe. Dies gelte bei seinen Linoldrucken ebenso wie für seine markanten Glasarbeiten."


Voß betonte in seinen Dankesworten: „Meine Arbeit hat eine lange Entwicklung hinter sich und mit Abstand lässt sich das Ganze besser erfassen. Mit einer gesunden Mischung aus Rück- und Ausblick möchte ich meinen Dank verbinden“ In diesem Zusammenhang wies Voß auf seine Familie, aber auch auf Freunde und Kollegen hin, die seine künsterlische Arbeit inspiriert, begleitet und mitgetragen hätten. Den Mülheimer Künstler Friedebert Reihl würdigte Voß als seinen „geistigen Vater“ in Sachen Kunst.

Kunst und Wissenschaft verbindet der Mikrobiologe und Schriftsteller Hans-Curt Flemming. Er hielt die Laudatio an seinen Freund und Kollegen Prof. Dr. Torsten C. Schmidt, der als Chemiker am Mülheimer Wasserforschungsinstitut IWW und an der Universität Duisburg-Essen lehrt und forscht.


Schmidt, der seine Frau zu sich ins Rampenlicht, holte, machte deutlich, dass naturwissenschaftliches Arbeiten keine One-Man-Show, sondern immer ein Teamwork sei. Flemming würdigte seinen Freund und Kollegen Schmidt als einen kreativen und bodenständigen Menschen, mit dem man sich auch abseits naturwissenschaftlicher Diskussionen über unterschiedlichste Themen austauschen könne. Schmidt hat angekündigt, ein Drittel seines Preisgeldes der Mülheimer Obdachlosenhilfe Solidarität in Mülheim (www.si-mh.de) zur Verfügung zu stellen.


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Mittwoch, 14. Dezember 2022

Ein Preis für die Hoffnung

Fast genau einen Monat, nachdem das ökumenische Netzwerk Trauerbegleitung seine haupt- und ehrenamtlich geleistete Arbeit Weihbischof Wilhelm Zimmermann, im Rahmen seiner Visitation vorgestellt hat, sind die ehrenamtlichen Trauerbegleiter aus diesem Kreis (Bernd Heßeler, Dr. Britta Dickhoff, Rita Blank, Delia Blömer, Ursula Schulz, Kerstin Altenrath, Bettina Griebenow, Ruth Borgwarth  und Andela Canzler-Hiegemann von den beiden christlichen Stadtkirchen, denen aktuell 86.000 der insgesamt 172.000 Bürgerinnen und Bürger angehören, mit dem Ökumenischen Hoffnungspreis ausgezeichnet worden.


Vor den ehrenamtlichen Trauerbegleitern, die hauptamtlich vom katholischen Krankenhausseelsorger Berthold Boenig, von der katholischen Gemeindereferentin Andrea Schlüter, dem katholischen Diakon Martin Bader und dem evangelischen Pfarrer Christoph Pfeifer unterstützt werden, hatten die ehrenamtlichen Notfallseelsorger und die Mülheimer Pflegekräfte den mit 2000 Euro dotierten Hoffnungspreis erhalten.


Aufgrund der anhaltenden Coronaviruspandemie konnte die Preisverleihung nicht im Rahmen des Ökumenischen Stadtkirchenempfangs zum Beginn des neuen Kirchenjahres im Altenhof stattfinden. Stattdessen luden die Stadtkirchen zu einer Preisverleihung im kleinen Kreis, die als Internet-Livestream aus der im 13. Jahrhundert erbauten und im 16. Jahrhundert reformierten Petrikirche übertragen wurde.


Symbolisch überreichten Stadtdechant Michael Janßen und der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand den Hoffnungspreisträgern eine stählerne Fischskulptur. Der Fisch war ein Erkennungszeichen der im Römischen Reich verfolgten Urchristen. Die Evangelien berichten davon, dass Jesus einige seiner Jünger von Fischern zu Menschenfischern machte und wundertätig 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen speisen und sättigen konnte.

Janßen und Hillebrand berichteten aus ihren eigenen Erfahrungen in der Trauerbegleitung und machten damit deutlich, wie wichtig die Unterstützung durch ehrenamtliche Trauerbegleiter ist, die zum Beispiel mit Trauercafes und Einzelgesprächen, Hinterbliebenen dabei helfen, ihre Trauer anzunehmen. „Der Hoffnungspreis soll Ihre segensreiche Arbeit in der Trauerbegleitung sichtbar machen“, betonten Stadtdechant und Superintendent. Die so Gelobten und Ausgezeichneten bedankten sich ihrerseits für die Würdigung ihrer ehrenamtlichen Arbeit. „Das Preisgeld“, so kündigten sie in der Petrikirche an, „wollen wir in einen Thementag investieren, der mit Vorträgen und Workshops am 22. April 2023 auf dem Kirchenhügel stattfinden und die Themen Tod und Trauer bearbeiten und beleuchten soll.“ Viel Lob und Anerkennung erfuhr an diesem Abend in der Petrikirche auch der Kiewer Klavier-Professor Evgenij Rewitsky, der die Preisverleihung mit Werken von Beethoven und Schubert berührend begleitete. 


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Sonntag, 11. Dezember 2022

Von der Ruhr an die Waterkant

Alles hat einmal ein Ende, auch das schönste Berufsleben. Am vierten Adventssonntag, 18. Dezember, feiern Pfarrerin Annegret Cohen und ihr Mann und Kollege Pfarrer Justus Cohen, mit einem Gottesdienst in der Petrikirche ihren Abschied als Seelsorgeteam. Der Gottesdienst zu ihrer Verabschiedung beginnt um 11.15 Uhr.


Mitte der 1980er Jahre versuchte die Mülheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Helga Wex, nach der jetzt ein neuer Weg in Heißen benannt worden ist, das Thema Jobsharing, als Teil eines partnerschaftlichen und gleichberechtigten Berufs- und Familienlebens auf die politische Agenda zu setzen. Annegret und Justus Cohen, die nach ihrem gemeinsamen Theologiestudium in Göttingen 1987 eine Pfarrstelle suchten, wollten nicht nur vom Jobsharing reden, sondern es praktizieren.


Auch wenn es Bedenkenträger gab, ließ sich die damalige Evangelische Kirchengemeinde Menden -Raadt auf das seelsorgerische Doppelpack ein. „Wenn ihr das macht, seid ihr bald geschiedene Leute“, erinnern sich Annegret und Justus Cohen an Mahnungen zu ihrem Tandemstart ins geistliche Berufsleben. „Doch wir sind immer noch verheiratet und verstehen uns erschreckend gut“, sagen sie 35 Jahre und ein Berufsleben später.
Ihre Entscheidung Beruf und Leben zu teilen, haben Er, der am 11. Dezember 64 Jahre alt wird und Sie, die am 31. Dezember ihren 63. Geburtstag feiert, „nie bereut“! Beiden war und ist klar: „Wenn man sich eine Pfarrstelle teilt, dann verliert man Geld, gewinnt aber Lebensqualität.“


Auch wenn sie als Pfarrer Ehe-Paar, das zunächst in Menden-Raadt und dann in Heißen und zuletzt, sechs Jahre lang, in der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim gelebt und gearbeitet hat, „viele Verluste verarbeiten musste“, die ihnen und den Menschen in ihren Gemeinden durch die kirchliche Umstrukturierung der vergangenen 15 Jahre zugemutet worden sind, blicken sie dankbar auf ihr gemeinsames Berufsleben zurück. „Pfarrer und Pfarrerin zu sein ist für uns der schönste, weil vielfältigste Beruf, den man haben kann“, sagen sie mit Blick auf die Menschen mit denen und für die sie 35 Jahre als Seelsorger in Mülheim arbeiten durften. „Im persönlichen seelsorgerischen Gespräch haben wir auch von kirchenfernen Menschen viel Zuspruch und Dankbarkeit erfahren, was man angesichts der öffentlichen Kirchenkritik nicht unbedingt vermuten würde“, resümieren Cohen & Cohen. Besonders dankbar sind sie im Rückblick auf ihr geistliches Berufsleben, dass sie Kirche als Teamwork, auch im ökumenischen Sinne, und als Kulturraum erleben konnten, in dem es zum Beispiel einen Literaturkreis, Chöre, Singschulen oder Kunstausstellungen gab und gibt, die sie auch als einen Teil der menschlich bereichernden Seelsorge und Gemeinde begreifen, die Kirche im besten Fall bieten kann.
Und wie geht es jetzt für die Cohens weiter: „Wir starten zu einem Marathon“, sagt das Ehepaar mit Blick auf seinen gemeinsamen Ruhestand an der deutschen Nordseeküste. Der Rheinländer Justus Cohen folgt der Ostfriesin Annegret Cohen in ihr Elternhaus. Das wollen beide zu einem klimaneutralen Haus umbauen. So schließt sich Lebenskreis. So wie vor 35 Jahren beim Jobsharing entscheiden sie sich jetzt für gemeinsamen Klimaschutz. „Über Lebensqualität und Klimaschutz darf man eben nicht nur reden. Man muss sie machen“, finden Annegret und Justus Cohen. 


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Freitag, 9. Dezember 2022

Sozialdemokrat alter Schule

 Wie der ehemalige Bürgermeister und FDP-Stadtverordnete Paul Gerhard Bethge mitteilt, ist der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Meinolf am vergangenen Freitag im Alter von 92 Jahren gestorben. Trotz ihrer politischen Gegensätze waren Bethge und Meinolf freundschaftlich verbunden und trafen sich regelmäßig zum politischen und menschlichen Austausch im Stadtcafe Sander.

Meinolf stand von 1989 bis 1994 an der Spitze der SPD-Ratsfraktion. Außerdem vertrat er Eppinghofen jahrzehntelang als Stadtverordneter im Stadtparlament, dem jetzt sein Enkel Sven Deege (ebenfalls SPD) angehört.

Meinolf war ein Sozialdemokrat alter Schule. Als Betriebsratsvorsitzender der Mannesmannröhrenwerke stand er der mitgliederstärksten SPD-Betriebsgruppe der Bundesrepublik vor. In dieser Funktion stand er auch über Jahrzehnte im Austausch mit den Spitzenpolitikern seiner Partei, die regelmäßig bei den sozialdemokratischen Mannesmännern in Mülheim zu Gast waren. Der gelernte Metallfacharbeiter Meinolf, der seine politische Laufbahn als Jugendvertreter und Betriebsrat in den späten 1940er Jahren begann und vor 70 Jahren dann in der Sozialdemokratie aktiv wurde, war und blieb zeitlebens ein geradliniger und streitbarer Vertreter von Arbeitnehmerinteressen. Als Exponent des Arbeitnehmerflügels mahnte Meinolf immer wieder ein enges politisches Zusammenarbeiten von Gewerkschaften und Sozialdemokratie an.

Hans Meinolf, der eine Tochter hinterlässt, hat sich in seinen letzten Lebensjahren, zunehmend aus der Politik zurückgezogen, die Politik seiner Partei aber mit kritischer Solidarität, auch in Interviews mit dieser Zeitung, begleitet.

 Seine besondere Sorge galt zuletzt der häuslichen Pflege seiner vor ihm verstorbenen Ehefrau Hanni.

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Mit spitzer Feder

 Dass er das den intelligenten Wortwitz auf die Bühne bringen kann, den er vorher mit Spitzer Feder aufs Papier gebracht hat, bewies Dave Davis als sanitäre Fachkraft Motombo Umbokko beim Prinzenball in der Stadthalle, noch bevor ihm die Mülheimer Karnevalisten die Spitze Feder für Verdienste um das freie und offene Wort verliehen. 500 Jecken waren begeistert und bedankten sich mit stehenden Ovationen für seine Show und seine Dankesrede, die ein Plädoyer für Lebensfreude, Demokratie und Toleranz war. Der Musiker, Komponist und Komiker aus der Karnevalshochburg Köln sagte unter anderem: „Das Leben ist toll, trotz Krieg, Inflation und Energiekrise. Wenn ihr das Herz am rechten Fleck habt, habt ihr alles, was man für ein gelungenes Leben braucht. Feiert euer Leben und liebt euch selbst, damit ihr niemanden hassen könnt. Dafür bringt uns der Karneval zusammen. Und lasst euch auch vom Kapitalismus nicht klein machen, der euch einredet, dass ihr nur dann großartig seid, wenn ihr bestimmte Produkte kaufen könnt.“

Auch abseits der Bühne und außerhalb des karnevalistischen Rampenlichtes, zeigte sich Dave Davis im Gespräch mit dieser Zeitung als ein geistreicher, wortgewitzter und damit als einwürdiger Träger der seit 1984 vom Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval verliehenen Spitzen Feder.

Was verbinden Sie mit Mülheim an der Ruhr?

 

Dave Davis: Ich bin seit 2009 professionell in der Kabarett- und Comedy-Branche unterwegs und mit sind die Menschen in Mühlheim an der Ruhr als begeisterungsfreudig in Erinnerung geblieben. 

 

Braucht man für ein Freies Wort in unserer Demokratie Mut?

 

Dave Davis: Wer in Deutschland etwas Unbequemes oder Unliebsames sagt, muss nicht um sein Leben fürchten. Da finde ich an die Ehefrau gerichtete Sätze wie „Schatz, das Abendessen war heute nicht richtig gewürzt!“ bedrohlicher. Spaß beiseite. Wer sich aktuell in der Welt umschaut und sieht, was den Bürgern in sogenannten Demokratien angetan wird, der müsste jeden Morgen einen Freudensalto der Dankbarkeit schlagen.

 

Was würden Sie wem mit Spitzer Feder ins Stammbuch oder hinter die Ohren schreiben?

 

Dave Davis: Ich habe mich über unser Parlament in der Debatte über das Bürgergeld geärgert. Insbesondere über Friedrich Merz. Dieses gezeichnete Bild vom sozialschmarotzenden Erwerbslosen gefiel mir nicht. Ich habe gelesen, dass sich der Missbrauch auf drei Prozent der Leistungsbezieher beschränkt. Darüber muss man reden, aber die anderen ehrlichen 97 Prozent stehen in der Wahrnehmung der Bevölkerung unter Generalverdacht. Man müsste besser auf den Einzelfall eingehen können und zum Beispiel Lebensleistungen miteinbeziehen. Friedrich Merz war ja unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender bei Black Rock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Ich würde ihm mit spitzer Feder folgenden Spruch von Motombos stummen Opa ins Stammbuch schreiben: „Warum gibst du dein Geld einem Affen, wenn du nicht klettern kannst.

 

Worüber können Sie, nicht nur im Karneval, lachen? Und wo hört für Sie der Spaß auf?

Dave Davis: Über die menschliche Dummheit. Man kann intelligent und dumm zugleich sein. Beispiel: Wir Menschen fliegen zum Mond, operieren am offenen Herzen. Wenn wir aber an einer Wand mit der Aufschrift „Frisch gestrichen! „vorbeigehen, dann streichen wir mit dem Finger über die Wand, nur um zu gucken, ob‘s stimmt. Für mich hören Spaß und Humor nicht auf. Der Humor lässt uns Dinge leichter ertragen. Er ist in Ehen, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen ein elementares Ventil. Gerade da, wo es schwierig wird und wehtut, da fängt Humor an. Nicht von irgendwoher kommt der Spruch: „Irgendwann werden wir darüber lachen können!“

 

Was können wir von Ihrer Kunstfigur Motombo Umbokko lernen?

 

Dave Davis: „Wenn dir die Sonne aus dem Popo scheint, dann hast du selbst im Dunkeln Licht.“

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Montag, 5. Dezember 2022

Ganz schön ritterlich

 Bevor er 1943 im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde, war der Turm der im 13. Jahrhundert errichteten Petrikirche windschief. In Erinnerung daran schlagen die Mülheimer Karnevalisten die Verdientesten aus ihren Reihen zum Ritter vom schiefen Turm. Am kommenden Mittwoch wird Ulrich Pütz in diesen erlauchten Kreis aufgenommen. Der leitende Mitarbeiter des städtischen Immobilienservice hat lange den Rosenmontagszug geleitet. In der Session 1995/96 war er Stadtprinz, später auch Vorsitzender des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval. Heute steht der 53-jährige Familienvater an der Spitze des Prinzensenats. Warum investiert er viel Zeit und Arbeit in den Karneval. Der designierte Ritter erklärt es im Gespräch mit dieser Zeitung.

Wie kamen Sie zum Karneval?

Pütz: Schon mit zehn Jahren durch meine Eltern, die in der Kolpingfamilie Broich/Speldorf und in der aus ihr hervorgegangenen KG Blau Weiß aktiv waren. Ich habe klassisch mit dem Kinderkarneval angefangen und habe dann später auch hinter den Kulissen bei Blau Weiß mitgeholfen. Als gelernter Maler kam ich dann auch zu den Wagenbauern. Aber erst als Stadtprinz habe ich dann die ganze Breite des Mülheimer Karnevals kennengelernt.

Warum sind Sie dem Karneval treu geblieben?

Pütz: Ich bin ein geselliger Mensch und engagiere mich gerne für und mit anderen Menschen. Ich bereite Menschen gerne eine Freude. Und wenn ich nach einer Veranstaltung von Teilnehmern höre: Mensch, dass habt ihr tollgemacht, ist das für mich ein großartiges Gefühl. Ich möchte die Gemeinschaft, die man im Karneval erlebt, nicht missen. Im Karneval hat man sie alle zusammensitzen. Gerade in schwierigen Zeiten hat der Karneval eine wichtige soziale Funktion, in dem er die Menschen mit seiner fröhlichen Gemeinschaft für den harten Alltag mental stärkt.

Sie sind seit mehr als 40 Jahren im Karneval aktiv. Das ist heute selten.

Pütz: Das macht eben den Ritter aus. Der Ritter ist beständig und bleibt auch in schweren Zeiten an Bord. Man findet heute viele Menschen, die sich für ein zeitlich begrenztes Projekt engagieren. Aber Leute, die für eine Sache über Jahre arbeiten und auch Verantwortung übernehmen, weil sie sehen, was zu tun ist, sind selten. Das hat viele Gründe. Die Arbeitszeiten sind heute flexibler und die beruflichen Ansprüche höher. Aber wir haben heute auch eine neue Generation, die sich nicht mehr so ohne weiteres für irgendetwas auf Dauer einspannen lässt und die vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle nicht so belastbar ist und andere Prioritäten hat.

Wie hat sich der Karneval verändert?

Pütz: Die Zeiten ändern sich und mit ihnen der Karneval. Wir haben immer noch die klassische Prunksitzung, die zum Karneval einfach dazu gehört. Aber der Trend geht derzeit mehr in Richtung Party. Und wir brauchen den Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval mehr denn je, um große Gemeinschaftsveranstaltungen mit Strahlkraft zu organisieren.

Die größte Gemeinschaftsveranstaltung ist der Rosenmontagszug.

Pütz: So ist das: Mit dem Rosenmontagszug ziehen wir bis zu 50.000 Menschen in die Stadt. Ich bin froh, dass ich schon vor der Duisburger Love-Parade-Katastrophe von 2010 in die Leitung des Rosenmontagszuges hineinwachsen konnte. Damals saßen wir alle in einem Boot. Danach wurde seine Organisation erheblich aufwendiger. und man hat sehr viel stärker als vorher darauf geschaut, wer für was die Verantwortung übernehmen und den Kopf hinhalten muss. Gott sei Dank sind uns größere Unglücke in den 65 Jahren, in denen es den Mülheimer Rosenmontagszug gibt, bisher erspart geblieben. Seit 2010 haben wir mehr technische Sicherheitsauflagen: Die Wagenbauer haben sich in Seminaren weitergebildet. Heute wird beim Wagenbau und seiner technischen Abnahme genau darauf geachtet: Wie hoch und stabil sind die Wagenbrüstungen. Wo gibt es an Bord Haltegriffe und wie wird ein barrierearmer Ein- und Ausstieg der Wagenbesatzung gewährleistet. 


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Freitag, 2. Dezember 2022

Wo wünschen noch hilft

 Caritas und NRZ haben ihre gemeinsame Wunschbaumaktion 2022 gestartet. Die beiden Caritas-Mitarbeiter Monika Schick-Jöres und Rüdiger Pilotek schmückten jetzt den zum 15. Mal aufgestellten Wunschbaum mit roten und gelben Wunschkarten. Wie im Vorjahr steht der Wunschbaum in der Touristeninformation der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft (MST). Die Tourist-Info der MST befindet sich im neuen Stadtquartier Schloßstraße und ist, montags- bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr sowie samstags von 10- bis 14 Uhr,  von der Friedrich-Ebert-Straße und von der Schollenstraße zugänglich.

„Wir freuen uns, dass wir als eine zentrale Anlaufstelle in der Stadt die Wunschbaumaktion der Caritas und der NRZ auch in diesem Jahr wieder unterstützen und so einen Beitrag dazu leisten können, dass sich Menschen an Weihnachten über ein Geschenk freuen können, die sonst kein Geschenk bekommen würden. Ich hoffe, dass die Adventsaktion auch in diesem Jahr wieder so großen Anklang, wie im Vorjahr finden wird, und die Wunschkarten schnell vom Tannenbaum gepflückt werden“, sagt MST-Prokurist Marc Baloniak.

„Wir rechnen auch in diesem Advent mit bis zu 1000 Wunschkarten. 975 der 1000 Wünsche konnten wir im Advent 2021 mithilfe großzügiger NRZ-Leserinnen und Leser erfüllen. 25 Wünsche blieben zunächst unerfüllt, konnten dann aber über andere Kanäle von uns in letzter Minute nachträglich erfüllt werden“, erklären Schick-Jöres und Pilotek.

Pilotek ist für die Logistik der Wunschbaumaktion zuständig. Gerne beantwortet er An- und Nachfragen rund um die Wunschbaumaktion unter der Rufnummer: 0208-3000884 oder per E-Mail an: ruediger.pilotek@caritas-muelheim.de. „Wer sich an unserer Adventsaktion beteiligen möchte, muss bis zum 16. Dezember eine Wunschkarte vom Tannenbaum geholt und als verpacktes Geschenk wieder unter den Wunschbaum in der Tourist-Info gelegt oder auch direkt bei der Caritas an der Hingbergstraße 176 abgegeben habe. Denn nur so können unsere Mitarbeitenden die Geschenke noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest abgeben“, erklärt Schick-Jörres.

Unter den Menschen, die sich über ein Weihnachtsgeschenk vom Wunschbau freuen können, sind diesmal auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die als orthodoxe Christen ihr Weihnachtsfest traditionell erst am Dreikönigstag, dem 6. Januar feiern.

„In Zeiten der Inflation sind auch Pakete mit haltbarem Lebensmittel mehr denn je gewünscht und willkommen“, weiß Rüdiger Pilotek. „Auch Hygieneprodukte, Spielzeug oder Einkaufs- und Kinogutscheine stehen auf den Wunschkarten, die uns von Hilfsbedürftigen aller Nationalitäten und Generationen erreichen“, ergänzt Schick-Jörres. Dominik Schreyer, der als Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur an der Georgstraße auch für die Mülheimer Tafel zuständig ist, bestätigt den Eindruck seiner Caritas-Kollegen: „Wir haben viele neue Kunden und arbeiten mit 3000 Lebensmitteltüten, die wir pro Woche an Bedürftige abgeben, auf einem Rekordniveau sagt Schreyer. Die Mülheimer Tafel arbeitet seit Jahresbeginn mit Terminvergaben und Zeitfenstern, um dem Andrang Herr werden zu können. Der Bundesverband der Tafeln hat jüngst mitgeteilt, dass die Nachfrage nach gespendeten Lebensmitteln seit Beginn des Jahres um 50 Prozent angestiegen ist.

 

An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass Caritas und NRZ nur deshalb ihr Ziel, Freude zum Frohen Fest zu schenken, nur erreichen können, weil nicht nur die 300 hauptamtlich Mitarbeitenden des 1920 von Pastor Konrad Jakobs gegründeten katholischen Sozialverbandes, sondern auch die 100 ehrenamtlich in der Gemeindecaritas aktiven Frauen und Männer mit Hand anlegen und als Helfer und Paketboten unterwegs sind. „Viele der Beschenkten, die zum Beispiel durch Flucht, Krankheit und Arbeitslosigkeit unverschuldet in Not geraten sind, haben sich bei uns zum Teil mit Tränen in den Augen oder auch mit den von ihren Kindern gemalten Bildern bedankt, beschreiben Schick-Jörres und Pilotek die Resonanz, die die Wunschbaumaktion 2021 gefunden hat. Historisch zurückblickend, ist interessant, dass der Brauch der Bescherung unter einem geschmückten Baum, die den Beschenkten Freude machen und so die Freude über die Geburt Jesu Christi zum Ausdruck bringen soll, im 19. Jahrhundert von katholischen Arbeitern aus Polen ins Ruhrgebiet mitgebracht worden ist. 

Wo die Kumpel zuhause waren

  Der Mülheimer Bergbau ist Geschichte. 1966 machte mit Rosen Blumen gelle die letzte Zeche dicht Punkt Mülheim war damals die erste Bergbau...