Dienstag, 27. Dezember 2022

Weihnachten 1922

 Wie haben die Mülheimer vor 100 Jahren Weihnachten gefeiert. Ein Blick in die Weihnachtsausgabe der Mülheimer Zeitung vom 23. Dezember 1922 und deren Anzeigenteil zeigt es. Die Zeitung ist damals noch das Leitmedium schlechthin. Und die im Verlag Marcks erscheinende Mülheimer Zeitung kann 1922 ihr 50-jähriges Bestehen feiern.

Unter der Überschrift: „Weihnachten 1922“ heißt es unter anderem: „Denkt an die armen Mitmenschen! Am meisten freuen sich wohl die Kleinen auf den Lichterglanz des Weihnachtsbaumes und sie hoffen, dass vielleicht der eine oder andere Herzenswunsch in Erfüllung gehen wird. Glückliche Kindheit, der ein frohes und trautes Weihnachten wird. Die Kinder wissen nichts von derben Enttäuschungen und schmerzlichen Erinnerungen. Sie kennen nichts von dem lähmenden Druck, der jetzt wieder verstärkt auf allen Gemütern lastet. Und wenn etwas ihre Stimmung beeinflusst dann ist es die widrige Witterung, weil man sich den Geburtstag des Christkindes eigentlich nicht ohne Schnee Eis und Schlittengeläut vorstellen kann. Angesichts des guten alten Weihnachtszaubers sollte eigentlich in allen Herzen eine frohe Zukunftsstimmung sein. Aber wir können nicht den Maßstab früherer Jahre an dieses Fest legen, das vielen Erwachsenen wieder quälende Sorgen bereiten wird. Wer mit Kümmernis im Herzen nicht weiß, wie er den Speis und den Trank für den folgenden Tag besorgen soll, wo graue Armut und knöcherne Not ständige Hausgäste sind, da sind auch die Tage des Wünschens und Hoffens eine quälende Last. Erinnern wir uns gerade in dieser Zeit daran, dass die deutschen Weihnachten immer eine Zeit der helfenden Nächstenliebe gewesen sind, in der die Herzen besonders weich gestimmt sind. Und deshalb öffnen sich die Hände in dieser Zeit auch rascher zum seligen Geben als sonst. Gerade in diesem Jahre, in dem das Gespenst der Armut umherschleicht, müssen sich sehr viele Leute doch darauf besinnen, dass es eine schöne Tugend ist, wenn man denen die in bedrückender Bedrängnis leben, etwas vom eigenen Glück mitgeben und so ihren Glauben daran stärken kann, dass das Fest der Liebe auch an den unglücklichen Erdenkindern nicht spurlos vorübergeht.“

Der ernste Appell an die mitmenschliche Hilfsbereitschaft kommt nicht von ungefähr. Weihnachten steht vor 100 Jahren unter dem Vorzeichen der Hyperinflation, die zwischen 1923 und 1925 die Vermögen der Mülheimer vernichten und den wirtschaftlichen und sozialen Alltag in unserer Stadt noch mehr als bisher aus den Fugen geraten lassen wird, weil die Preise unkalkulierbar werden. Für die Hyperinflationsjahre weist das statistische Bundesamt deshalb auch keine Durchschnittslöhne. 1921 hatte das durchschnittliche Brutto-Monats-Gehalt noch bei 831 Mark gelegen.

Vier Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges müssen die Deutschen, die jetzt in einer von Rechts- und Linksextremisten angefeindeten Republik leben, milliardenschwere Reparationsleistungen erbringen, die ihnen der ungeliebte Friedensvertrag von Versailles seit drei Jahren auferlegt. Unter dem Eindruck der Not haben sich in der Stadt die sozialdemokratische Arbeiterwohlfahrt, die katholische Caritas und die evangelische Diakonie als Sozialverbände gebildet und mit dem Sozialdemokraten Ernst Tommes hat die Stadt erstmals einen Wohlfahrtsdezernenten, der die kommunale Sozialpolitik koordiniert. Auch in Mülheim haben die Bürgerinnen und Bürger mit Arbeitsniederlegungen und einer Protestkundgebung auf dem Rathausmarkt reagiert, nachdem der liberale und jüdische Reichsaußenminister Walther von Rathenau am 24. Juni 1922 einem Mordkomplott der rechtsextremen Organisation Consul zum Opfer gefallen ist.

Bezeichnend für die galoppierende Inflation sind die Preise, die man dem Anzeigenteil der Mülheimer Zeitung am 23. Dezember 1922 entnehmen kann. Da wird zum Beispiel das Pfund Rindfleisch für 560 Mark, das Paket Weihnachtskerzen für 195 Mark, das Pfund Margarine für 980 Mark, das Pfund Butter für 1750 Mark und ein halbes Pfund Bohnenkaffee für 600 Mark angeboten.

In den meisten Werbeanzeigen bieten die Händler ihren Kunden Ratenzahlungen an. Ablenkung und Trost finden die von der Not gebeutelten Mülheimer an Weihnachten 1922 nur in der Kirche oder im Kino. In den Mülheimer Filmtheatern laufen damals die neuesten, musikalisch untermalten, Stummfilme.

Für den ersten Weihnachtstag 1922 kündigt die Mülheimer Zeitung ein Konzert des Mülheimer Kirchenchores an, das um 20 Uhr in der Petrikirche beginnen soll. Von einem Eintrittspreis ist keine Rede.

Gleich mehrere Mülheimer Kinos, wie die Schauburg, das Apollo oder das Union-Filmtheater werben mit cineastischen Fluchten aus dem tristen Krisenalltag. Je nach Temperament kann man sich zum Beispiel vom Historienfilm: „Marie Antonette“, von der Detektivgeschichte „Ihr Kammerdiener“, vom Western: „Mit Büchse und Lasso“, von der Harold-Lloyd Komödie „Der Meisterboxer“ oder von der Komödie „Charly Chaplin und der Großfürst von Kirkistan“ in eine Traumwelt entführen lassen, in der man den Stress des trüben Alltags zumindest stundenweise vergessen kann. Das gleiche Ziel verfolgt auch, wer an den Weihnachtstagen 1922 der Einladung ins Tanzlokal an der Monning folgt, wo ein „öffentlichen Festball mit einem Familienkonzert“ auf dem per Zeitungsanzeige transportierten Veranstaltungsprogramm stehen. 

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Aufwind im Advent

 Dass an diesen Tagen vor Weihnachten auch an sie gedacht wird, erlebten etwa 50 sozial benachteiligte Menschen aus Mülheim, die von der 2002 ins Leben gerufenen christlichen Aktion Aufwind ins Gemeindehaus der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße eingeladen wurden, um bei gutem Essen, guten Gesprächen und guter Live-Musik (letztere von Keyboarder Dirk Biesgen und Sängerin Sandra Schmidt) für einige Stunden von der Schatten- auf die Sonnenseite des Lebens zu wechseln.

Mit-Organisator Norbert Tischmeyer ließ sich in seinem geistlichen Grußwort von der Weihnachtsgeschichte inspirieren und verglich die Hirten auf dem Felde, die als erstes von der Geburt Jesu erfuhren mit den Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, weil sie zum Beispiel durch Krankheit, Drogen, Arbeits- und Wohnungslosigkeit aus ihrer Lebensbahn geworfen sind. Der Automobilingenieur Tischmeyer, der nach eigener Aussage „in einer schweren Lebenskrise Menschen gefunden hat, die mich an die Hand genommen und wieder aufgerichtet haben,“ sagte seinen Gästen: „Die Frohe Botschaft Jesu richtet sich gerade an euch, die ihr gefallen, aber wieder aufgestanden seid. Sie kann euch für Euer Leben Mut machen, immer wieder neu anzufangen und nicht zu verzweifeln, auch wenn wir in beängstigenden und frustrierenden Zeiten von Corona, Krieg, Energiekrise und Inflation alle nicht wissen, wohin das alles führen wird.“.

Diese Zeitung nutzte die Adventsfeier der Aktion Aufwind, deren Name nicht nur zur Weihnachtszeit Programm ist, um mit deren Gästen darüber ins Gespräch zu kommen, was sie auf ihrem Lebensweg von 2022 nach 2023 für sich und für uns alle hoffen und wünschen.

Ein 56-jähriger Mann mit Wollmütze und leicht ergrautem Haar sagt: „Die heutige Einladung ist in meiner bescheidenen Situation eine schöne Ablenkung in meinem harten Alltag, aber auch nicht mehr. In Deutschland muss sich viel ändern, vor allem die Politik. Sie kümmert sich zu viel um arme Menschen, die zu uns kommen und zu wenig, um die vielen Leute, die hier schon ihr ganzes Leben verbracht haben und denen es echt dreckig geht.“

Renate (73) wünscht sich, „dass ich weiterhin die Kraft habe nach vorne zu schauen, weil es anders nicht geht und dass ich hier weiter eine Gemeinschaft finde, in der man zusammenhält, sich zuhört und sich auch hilft.“ Von der Politik fühlt sie sich auf allen Ebenen im Stich gelassen. „Der Oberbürgermeister und die Regierung müssten mal was für unsere Kreise, zum Beispiel für Obdachlose und arme Rentner tun. Im reichen Süden der Stadt sind die Straßen und Häuser noch ganz gut. Aber im armen Norden tut sich nichts. Für die armen Menschen bewegt sich nichts. Die sind für die Politik nicht wichtig und interessant.“

Annika (35) berichtet bei Kaffee und Gebäck: „Ich habe lange als Teilzeitkraft und Kassiererin im Einzelhandel gearbeitet. Aber das war für mich zu stressig und hat mich psychisch krank gemacht. Jetzt suche ich nach einer Langzeitreha nach einer betreuten Wohngemeinschaft, in der Menschen, wie ich an die Hand genommen und wieder fit gemacht werden. Aber solche WGs gibt es leider viel zu wenig. Umso schöner sind solche Aktionen wie die von Aufwind, die an Menschen denken und sie sehen, denen es nicht gut geht“

Jürgen (75) wünscht sich vor allem, „dass es Frieden in der Ukraine gibt und die Preise wieder runtergehen, damit es allem besser geht.“ Außerdem fände er es schön, wenn an kalten Tagen U-Bahnhöfe, Einkaufszentren und Turnhallen mit Feldbetten auszustatten und so als winterfeste Übernachtungsmöglichkeit für Obdach- und Wohnungslose zur Verfügung zu stehen. Menschen in der Krise, wünscht er vor allem „den Mut und die Klugheit, Hilfe anzunehmen, Veränderung zu wagen, auf gute Menschen zuzugehen und schlechten Menschen aus dem Weg zu gehen.“

Hermann (57) wünscht sich für 2023 vor allem „Gesundheit und Menschen, die einem ab und zu helfen.“ Außerdem würde er sich über „mehr Schlafplätze für Obdachlose und über mehr Streetworker freuen, die einen Blick für Menschen haben, die auf der Straße leben und denen es schlecht geht!“

Christel (68), die von sich sagt: „Ich war schon mal fast tot“, wünscht sich 2023 viele Stunden mit netten Menschen, wie sie sie an diesem Samstag beim Aufwind erlebt und sie hofft, „dass die Menschen wieder freundlicher und hilfsbereiter miteinander umgehen und dabei den Wert der Gemeinschaft wiederentdecken und erleben.“ Diesem Wunsch schließt sich Helmhard (71) gerne an und ergänzt ihn noch um den Wunsch, „dass es wieder mehr bezahlbaren Wohnraum und gute Nachbarschaft“ geben möge, „damit niemand mehr Wohnungs-Punk erleben muss.“

Und Jörg (57), der nach einer 35-jährigen Drogenkarriere seit 2018 wieder clean ist und jetzt zum Mitarbeiterteam der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde an der Auerstraße gehört, wünscht sich nicht nur für 2023, „dass viele Menschen in einer Lebenssituation, wie ich sie erlebt habe, Gott und Menschen kennenlernen, die wohlwollend auf sie zugehen und sie so ermutigen, ihr Leben zum Besseren zu verändern.“

 

Zur Mülheimer Tagespresse

Samstag, 17. Dezember 2022

Saarner Geschichte(n)

 Für alle, die sich mit Saarn identifizieren und die sich für den Stadtteil interessieren, ist der 120 Seiten starke Band "Saarn ein städtisches Dorf" ein Muss. Für fünf Euro ist man bei der bild- und textreichen Zeitreise ins alte Saarn dabei. Das zweite Buch aus der Schreibwerkstatt des 2013 gegründeten Geschichtsgesprächskreises ist in den Buchhandlungen Hilberath und Lange an der Düsseldorfer Straße 111 und Fehst am Löhberg 4 erhältlich.


Werner Rausch, Franz Firla, Friedrich-Wilhelm von Gehlen, Herbert Heintges, Friedhelm Behmenburg, Heinz Weirauch, Jella Stanka, Sabine Klischat-Howe, Grietta Overmann, Bernd Bellenbaum, Willi Horstmannshoff und Bernd Blaschke haben lesenswerte Geschichte(n) aus dem Dorf zusammengetragen. Mit der Lektüre erfahren wir zum Beispiel etwas über den 1893 in Saarn geborenen Künstler Otto Pankok und über den Saarner Heimatdichter Heinrich Mühlensiepen. Wir entdecken die Geschichte Saarner Familienunternehmen, lernen den Saarner Segelflugpionier Wilhem Weinrauch kennen, besuchen die Saarner Pferderennbahn, erfahren, wie man in Saarn den Zweiten Weltkrieg und dessen Ende erlebt hat. Wir hören etwas vom Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Saarn, begleiten den Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy bei seiner Saarn-Visite anno 1834 und betrachten das ländliche und bäuerliche Leben auf der Saarner Kuppe Kinderaugen und erfahren, warum das Kartoffelauflesen zum Abenteuer werden kann. Und das alles ist noch längst nicht alles, was man im zweiten Band mit Stadtteilgeschicht(e)n aus Saarn erlesen und entdecken kann.

Unterstützung aus der Wirtschaft und aus der Politik


Nicht nur die Anzeigengeber aus der Saarner Wirtschaft, sondern auch die Unterstützung aus den Verfügungsmitteln der Linksruhr -Bezirksvertretung 3 haben den Druck von 750 Exemplaren und deren kundenfreundlichen Stückpreis von fünf Euro möglich gemacht. "Wir haben den zweiten Band des Geschichtsgesprächskreises Saarn als Bezirksvertretung 3 gerne 500 Euro unterstützt, weil die Identifikation mit dem Stadtteil und seinen Menschen fördert, wenn Wissen über die Saarner Geschichte auch an die junge Generation und an Neu-Saarner auf diesem Weg weitergegeben wird", sagt Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind.  In diesem Sinne wird der Geschichtsgesprächskreis Saarn 20 seiner Bände kostenfrei an Saarner Schulen abgeben. Nach Angaben der Stadt leben zurzeit rund 23.500 Menschen in Saarn.

Werner Rausch, Herbert Heintges und Friedrich-Wilhelm von Gehlen gehören zum "harten Kern" des Geschichtsgesprächskreises, der sich am ersten und dritten Freitag des Monats zwischen 10 und 12 Uhr im Kloster Saarn trifft. Sie können sich auch vorstellen, die alte Tradition eines Dorfrundganges am Samstagnachmittag in Zusammenarbeit mit dem Saarner Bürgerverein, wieder aufleben zu lassen, um alte, junge und neu zugezogene Saarner über die Geschichte ihres Stadtteils miteinander in Kontakt und ins Gespräch zu bringen. 

"Die meisten Mitglieder sind im Rentenalter. Wir würden uns aber auch über jüngere und noch berufstätige Mitstreiter freuen, die aus beruflichen Gründen aber nicht an unseren vormittäglichen Treffen teilnehmen können", sagt Werner Rausch. Deshalb können sich Menschen, die die Erinnerungsarbeit von Saarnerinnen und Saarnern für Saarner und Saarnerinnen unterstützen können und möchten, unter der Rufnummer: 0208/489120 oder per E-Mail an: info@saarnerkirmes.de über Werner Rausch Kontakt mit dem Geschichtsgesprächskreis Saarn aufnehmen. Die Saarner Geschichtsschreiber lassen keinen Zweifel daran, dass sie schon jetzt Ideen und Themen für einen dritten und vierten Band "Saarn - ein städtisches Dorf" haben.

Freitag, 16. Dezember 2022

Ein Preis für Kunst und Wissenschaft

 Mit rund 150 Gästen aus allen Bereichen der Bürgerschaft haben der Künstler Alexander Voß und der Chemiker Prof. Dr. Torsten Schmidt in der Sparkasse am Berliner Platz ihren Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft gefeiert. Die Sparkasse war nicht nur Gastgeberin der Preisverleihung. Sie stellt auch das Preisgeld von jeweils 3000 Euro zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang würdigte Oberbürgermeister Marc Buchholz die Partnerschaft zwischen Stadt und Sparkasse, die sich nicht nur bei der Dotierung des seit 1962 vergebenen Preises bewährt habe.

Der Jury, die die Ruhrpreisträger auswählt, gehören der Vorstandsprecher der Sparkasse, Martin Weck, Kulturdezernentin Dr. Daniela Grobe, die Vorsitzende des Kulturausschusses, Bürgermeisterin Ann-Kathrin Allekotte, der Chemiker und MPI-Direktor Prof. Dr. Ferdi Schüth  und der Filmemacher Rainer Komers an, der die Mülheimer Künstler vertritt. Angesichts der Corona-Pandemie hatte es 2020 und 2020 keine Ruhrpreisverleihung gegeben.

Mit Blick auf die aktuellen Preisträger erklärte der Oberbürgermeister: „Prof. Thorsten C. Schmidt und Alexander Voß zeichnet - wie andere Preisträger vor ihnen - aus, dass sie Bestehendes aus neuen Blickwinkeln ansehen. Sie bewerten es anders als ihre Vorgänger. Sie suchen nach innovativen Ansätzen, Entwicklungsmöglichkeiten und Ausdrucksformen.

Sie lösen Diskussionen aus, in denen sich Fachwelt und Laien neugierig mit den Arbeitsergebnissen der beiden auseinandersetzen. Sie regen die Fantasie an, inspirieren, irritieren, verblüffen oder verstören. Sie ermuntern andere, mit den Ergebnissen ihrer Arbeit weiter zu forschen, diese ebenfalls zu hinterfragen, sie weiterzuführen oder zu verändern.“


Alexander Voß wird einen Teil seines Preisgeldes, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung sagte, dem von ihm mitgegründeten Kunsthaus an der Meißelstraße in Styrum (www.kunsthaus-mh.de) zur Verfügung stellen.


In ihrer Laudatio auf Voß, die die kurzfristig erkrankte Leiterin des städtischen Kunstmuseums. Beate Reese, von ihrer Stellvertreterin Anja Bauer-Kersken vortragen ließ, würdigte Reese den Preisträger „als als eine verlässliche Größe in der Künstlerschaft.“ Voß, so seine Laudatorin, „wird ob seiner nachdenklichen und überlegten Art geschätzt.“ Darüber hinaus würdigten seine Laudatorinnen Voß als „Meister der gelenkten Schnitte und Bruchstellen,“ der „Seit fast vierzig Jahren beharrlich und konsequent seinen künstlerischen Weg verfolgt“ und sich: „mit der Gestaltungskraft der Linie auseinandergesetzt hat, die ihn als grundlegendem Element von Kunst, Schritt für Schritt von der Fläche in den Raum geführt“ habe. Dies gelte bei seinen Linoldrucken ebenso wie für seine markanten Glasarbeiten."


Voß betonte in seinen Dankesworten: „Meine Arbeit hat eine lange Entwicklung hinter sich und mit Abstand lässt sich das Ganze besser erfassen. Mit einer gesunden Mischung aus Rück- und Ausblick möchte ich meinen Dank verbinden“ In diesem Zusammenhang wies Voß auf seine Familie, aber auch auf Freunde und Kollegen hin, die seine künsterlische Arbeit inspiriert, begleitet und mitgetragen hätten. Den Mülheimer Künstler Friedebert Reihl würdigte Voß als seinen „geistigen Vater“ in Sachen Kunst.

Kunst und Wissenschaft verbindet der Mikrobiologe und Schriftsteller Hans-Curt Flemming. Er hielt die Laudatio an seinen Freund und Kollegen Prof. Dr. Torsten C. Schmidt, der als Chemiker am Mülheimer Wasserforschungsinstitut IWW und an der Universität Duisburg-Essen lehrt und forscht.


Schmidt, der seine Frau zu sich ins Rampenlicht, holte, machte deutlich, dass naturwissenschaftliches Arbeiten keine One-Man-Show, sondern immer ein Teamwork sei. Flemming würdigte seinen Freund und Kollegen Schmidt als einen kreativen und bodenständigen Menschen, mit dem man sich auch abseits naturwissenschaftlicher Diskussionen über unterschiedlichste Themen austauschen könne. Schmidt hat angekündigt, ein Drittel seines Preisgeldes der Mülheimer Obdachlosenhilfe Solidarität in Mülheim (www.si-mh.de) zur Verfügung zu stellen.


Zur Mülheimer Tagespresse

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Ein Preis für die Hoffnung

Fast genau einen Monat, nachdem das ökumenische Netzwerk Trauerbegleitung seine haupt- und ehrenamtlich geleistete Arbeit Weihbischof Wilhelm Zimmermann, im Rahmen seiner Visitation vorgestellt hat, sind die ehrenamtlichen Trauerbegleiter aus diesem Kreis (Bernd Heßeler, Dr. Britta Dickhoff, Rita Blank, Delia Blömer, Ursula Schulz, Kerstin Altenrath, Bettina Griebenow, Ruth Borgwarth  und Andela Canzler-Hiegemann von den beiden christlichen Stadtkirchen, denen aktuell 86.000 der insgesamt 172.000 Bürgerinnen und Bürger angehören, mit dem Ökumenischen Hoffnungspreis ausgezeichnet worden.


Vor den ehrenamtlichen Trauerbegleitern, die hauptamtlich vom katholischen Krankenhausseelsorger Berthold Boenig, von der katholischen Gemeindereferentin Andrea Schlüter, dem katholischen Diakon Martin Bader und dem evangelischen Pfarrer Christoph Pfeifer unterstützt werden, hatten die ehrenamtlichen Notfallseelsorger und die Mülheimer Pflegekräfte den mit 2000 Euro dotierten Hoffnungspreis erhalten.


Aufgrund der anhaltenden Coronaviruspandemie konnte die Preisverleihung nicht im Rahmen des Ökumenischen Stadtkirchenempfangs zum Beginn des neuen Kirchenjahres im Altenhof stattfinden. Stattdessen luden die Stadtkirchen zu einer Preisverleihung im kleinen Kreis, die als Internet-Livestream aus der im 13. Jahrhundert erbauten und im 16. Jahrhundert reformierten Petrikirche übertragen wurde.


Symbolisch überreichten Stadtdechant Michael Janßen und der evangelische Superintendent Gerald Hillebrand den Hoffnungspreisträgern eine stählerne Fischskulptur. Der Fisch war ein Erkennungszeichen der im Römischen Reich verfolgten Urchristen. Die Evangelien berichten davon, dass Jesus einige seiner Jünger von Fischern zu Menschenfischern machte und wundertätig 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen speisen und sättigen konnte.

Janßen und Hillebrand berichteten aus ihren eigenen Erfahrungen in der Trauerbegleitung und machten damit deutlich, wie wichtig die Unterstützung durch ehrenamtliche Trauerbegleiter ist, die zum Beispiel mit Trauercafes und Einzelgesprächen, Hinterbliebenen dabei helfen, ihre Trauer anzunehmen. „Der Hoffnungspreis soll Ihre segensreiche Arbeit in der Trauerbegleitung sichtbar machen“, betonten Stadtdechant und Superintendent. Die so Gelobten und Ausgezeichneten bedankten sich ihrerseits für die Würdigung ihrer ehrenamtlichen Arbeit. „Das Preisgeld“, so kündigten sie in der Petrikirche an, „wollen wir in einen Thementag investieren, der mit Vorträgen und Workshops am 22. April 2023 auf dem Kirchenhügel stattfinden und die Themen Tod und Trauer bearbeiten und beleuchten soll.“ Viel Lob und Anerkennung erfuhr an diesem Abend in der Petrikirche auch der Kiewer Klavier-Professor Evgenij Rewitsky, der die Preisverleihung mit Werken von Beethoven und Schubert berührend begleitete. 


Zur katholischen Stadtkirche und: Zur evangelischen Stadtkirche



Sonntag, 11. Dezember 2022

Von der Ruhr an die Waterkant

Alles hat einmal ein Ende, auch das schönste Berufsleben. Am vierten Adventssonntag, 18. Dezember, feiern Pfarrerin Annegret Cohen und ihr Mann und Kollege Pfarrer Justus Cohen, mit einem Gottesdienst in der Petrikirche ihren Abschied als Seelsorgeteam. Der Gottesdienst zu ihrer Verabschiedung beginnt um 11.15 Uhr.


Mitte der 1980er Jahre versuchte die Mülheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Helga Wex, nach der jetzt ein neuer Weg in Heißen benannt worden ist, das Thema Jobsharing, als Teil eines partnerschaftlichen und gleichberechtigten Berufs- und Familienlebens auf die politische Agenda zu setzen. Annegret und Justus Cohen, die nach ihrem gemeinsamen Theologiestudium in Göttingen 1987 eine Pfarrstelle suchten, wollten nicht nur vom Jobsharing reden, sondern es praktizieren.


Auch wenn es Bedenkenträger gab, ließ sich die damalige Evangelische Kirchengemeinde Menden -Raadt auf das seelsorgerische Doppelpack ein. „Wenn ihr das macht, seid ihr bald geschiedene Leute“, erinnern sich Annegret und Justus Cohen an Mahnungen zu ihrem Tandemstart ins geistliche Berufsleben. „Doch wir sind immer noch verheiratet und verstehen uns erschreckend gut“, sagen sie 35 Jahre und ein Berufsleben später.
Ihre Entscheidung Beruf und Leben zu teilen, haben Er, der am 11. Dezember 64 Jahre alt wird und Sie, die am 31. Dezember ihren 63. Geburtstag feiert, „nie bereut“! Beiden war und ist klar: „Wenn man sich eine Pfarrstelle teilt, dann verliert man Geld, gewinnt aber Lebensqualität.“


Auch wenn sie als Pfarrer Ehe-Paar, das zunächst in Menden-Raadt und dann in Heißen und zuletzt, sechs Jahre lang, in der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim gelebt und gearbeitet hat, „viele Verluste verarbeiten musste“, die ihnen und den Menschen in ihren Gemeinden durch die kirchliche Umstrukturierung der vergangenen 15 Jahre zugemutet worden sind, blicken sie dankbar auf ihr gemeinsames Berufsleben zurück. „Pfarrer und Pfarrerin zu sein ist für uns der schönste, weil vielfältigste Beruf, den man haben kann“, sagen sie mit Blick auf die Menschen mit denen und für die sie 35 Jahre als Seelsorger in Mülheim arbeiten durften. „Im persönlichen seelsorgerischen Gespräch haben wir auch von kirchenfernen Menschen viel Zuspruch und Dankbarkeit erfahren, was man angesichts der öffentlichen Kirchenkritik nicht unbedingt vermuten würde“, resümieren Cohen & Cohen. Besonders dankbar sind sie im Rückblick auf ihr geistliches Berufsleben, dass sie Kirche als Teamwork, auch im ökumenischen Sinne, und als Kulturraum erleben konnten, in dem es zum Beispiel einen Literaturkreis, Chöre, Singschulen oder Kunstausstellungen gab und gibt, die sie auch als einen Teil der menschlich bereichernden Seelsorge und Gemeinde begreifen, die Kirche im besten Fall bieten kann.
Und wie geht es jetzt für die Cohens weiter: „Wir starten zu einem Marathon“, sagt das Ehepaar mit Blick auf seinen gemeinsamen Ruhestand an der deutschen Nordseeküste. Der Rheinländer Justus Cohen folgt der Ostfriesin Annegret Cohen in ihr Elternhaus. Das wollen beide zu einem klimaneutralen Haus umbauen. So schließt sich Lebenskreis. So wie vor 35 Jahren beim Jobsharing entscheiden sie sich jetzt für gemeinsamen Klimaschutz. „Über Lebensqualität und Klimaschutz darf man eben nicht nur reden. Man muss sie machen“, finden Annegret und Justus Cohen. 


Zur Mülheimer Presse und: Zur VEK Mülheim


Freitag, 9. Dezember 2022

Sozialdemokrat alter Schule

 Wie der ehemalige Bürgermeister und FDP-Stadtverordnete Paul Gerhard Bethge mitteilt, ist der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Meinolf am vergangenen Freitag im Alter von 92 Jahren gestorben. Trotz ihrer politischen Gegensätze waren Bethge und Meinolf freundschaftlich verbunden und trafen sich regelmäßig zum politischen und menschlichen Austausch im Stadtcafe Sander.

Meinolf stand von 1989 bis 1994 an der Spitze der SPD-Ratsfraktion. Außerdem vertrat er Eppinghofen jahrzehntelang als Stadtverordneter im Stadtparlament, dem jetzt sein Enkel Sven Deege (ebenfalls SPD) angehört.

Meinolf war ein Sozialdemokrat alter Schule. Als Betriebsratsvorsitzender der Mannesmannröhrenwerke stand er der mitgliederstärksten SPD-Betriebsgruppe der Bundesrepublik vor. In dieser Funktion stand er auch über Jahrzehnte im Austausch mit den Spitzenpolitikern seiner Partei, die regelmäßig bei den sozialdemokratischen Mannesmännern in Mülheim zu Gast waren. Der gelernte Metallfacharbeiter Meinolf, der seine politische Laufbahn als Jugendvertreter und Betriebsrat in den späten 1940er Jahren begann und vor 70 Jahren dann in der Sozialdemokratie aktiv wurde, war und blieb zeitlebens ein geradliniger und streitbarer Vertreter von Arbeitnehmerinteressen. Als Exponent des Arbeitnehmerflügels mahnte Meinolf immer wieder ein enges politisches Zusammenarbeiten von Gewerkschaften und Sozialdemokratie an.

Hans Meinolf, der eine Tochter hinterlässt, hat sich in seinen letzten Lebensjahren, zunehmend aus der Politik zurückgezogen, die Politik seiner Partei aber mit kritischer Solidarität, auch in Interviews mit dieser Zeitung, begleitet.

 Seine besondere Sorge galt zuletzt der häuslichen Pflege seiner vor ihm verstorbenen Ehefrau Hanni.

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Mit spitzer Feder

 Dass er das den intelligenten Wortwitz auf die Bühne bringen kann, den er vorher mit Spitzer Feder aufs Papier gebracht hat, bewies Dave Davis als sanitäre Fachkraft Motombo Umbokko beim Prinzenball in der Stadthalle, noch bevor ihm die Mülheimer Karnevalisten die Spitze Feder für Verdienste um das freie und offene Wort verliehen. 500 Jecken waren begeistert und bedankten sich mit stehenden Ovationen für seine Show und seine Dankesrede, die ein Plädoyer für Lebensfreude, Demokratie und Toleranz war. Der Musiker, Komponist und Komiker aus der Karnevalshochburg Köln sagte unter anderem: „Das Leben ist toll, trotz Krieg, Inflation und Energiekrise. Wenn ihr das Herz am rechten Fleck habt, habt ihr alles, was man für ein gelungenes Leben braucht. Feiert euer Leben und liebt euch selbst, damit ihr niemanden hassen könnt. Dafür bringt uns der Karneval zusammen. Und lasst euch auch vom Kapitalismus nicht klein machen, der euch einredet, dass ihr nur dann großartig seid, wenn ihr bestimmte Produkte kaufen könnt.“

Auch abseits der Bühne und außerhalb des karnevalistischen Rampenlichtes, zeigte sich Dave Davis im Gespräch mit dieser Zeitung als ein geistreicher, wortgewitzter und damit als einwürdiger Träger der seit 1984 vom Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval verliehenen Spitzen Feder.

Was verbinden Sie mit Mülheim an der Ruhr?

 

Dave Davis: Ich bin seit 2009 professionell in der Kabarett- und Comedy-Branche unterwegs und mit sind die Menschen in Mühlheim an der Ruhr als begeisterungsfreudig in Erinnerung geblieben. 

 

Braucht man für ein Freies Wort in unserer Demokratie Mut?

 

Dave Davis: Wer in Deutschland etwas Unbequemes oder Unliebsames sagt, muss nicht um sein Leben fürchten. Da finde ich an die Ehefrau gerichtete Sätze wie „Schatz, das Abendessen war heute nicht richtig gewürzt!“ bedrohlicher. Spaß beiseite. Wer sich aktuell in der Welt umschaut und sieht, was den Bürgern in sogenannten Demokratien angetan wird, der müsste jeden Morgen einen Freudensalto der Dankbarkeit schlagen.

 

Was würden Sie wem mit Spitzer Feder ins Stammbuch oder hinter die Ohren schreiben?

 

Dave Davis: Ich habe mich über unser Parlament in der Debatte über das Bürgergeld geärgert. Insbesondere über Friedrich Merz. Dieses gezeichnete Bild vom sozialschmarotzenden Erwerbslosen gefiel mir nicht. Ich habe gelesen, dass sich der Missbrauch auf drei Prozent der Leistungsbezieher beschränkt. Darüber muss man reden, aber die anderen ehrlichen 97 Prozent stehen in der Wahrnehmung der Bevölkerung unter Generalverdacht. Man müsste besser auf den Einzelfall eingehen können und zum Beispiel Lebensleistungen miteinbeziehen. Friedrich Merz war ja unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender bei Black Rock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Ich würde ihm mit spitzer Feder folgenden Spruch von Motombos stummen Opa ins Stammbuch schreiben: „Warum gibst du dein Geld einem Affen, wenn du nicht klettern kannst.

 

Worüber können Sie, nicht nur im Karneval, lachen? Und wo hört für Sie der Spaß auf?

Dave Davis: Über die menschliche Dummheit. Man kann intelligent und dumm zugleich sein. Beispiel: Wir Menschen fliegen zum Mond, operieren am offenen Herzen. Wenn wir aber an einer Wand mit der Aufschrift „Frisch gestrichen! „vorbeigehen, dann streichen wir mit dem Finger über die Wand, nur um zu gucken, ob‘s stimmt. Für mich hören Spaß und Humor nicht auf. Der Humor lässt uns Dinge leichter ertragen. Er ist in Ehen, Freundschaften, Arbeitsbeziehungen ein elementares Ventil. Gerade da, wo es schwierig wird und wehtut, da fängt Humor an. Nicht von irgendwoher kommt der Spruch: „Irgendwann werden wir darüber lachen können!“

 

Was können wir von Ihrer Kunstfigur Motombo Umbokko lernen?

 

Dave Davis: „Wenn dir die Sonne aus dem Popo scheint, dann hast du selbst im Dunkeln Licht.“

 Zum Mülheimer Karneval und: Zur Mülheimer Tagespresse




Montag, 5. Dezember 2022

Ganz schön ritterlich

 Bevor er 1943 im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde, war der Turm der im 13. Jahrhundert errichteten Petrikirche windschief. In Erinnerung daran schlagen die Mülheimer Karnevalisten die Verdientesten aus ihren Reihen zum Ritter vom schiefen Turm. Am kommenden Mittwoch wird Ulrich Pütz in diesen erlauchten Kreis aufgenommen. Der leitende Mitarbeiter des städtischen Immobilienservice hat lange den Rosenmontagszug geleitet. In der Session 1995/96 war er Stadtprinz, später auch Vorsitzender des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval. Heute steht der 53-jährige Familienvater an der Spitze des Prinzensenats. Warum investiert er viel Zeit und Arbeit in den Karneval. Der designierte Ritter erklärt es im Gespräch mit dieser Zeitung.

Wie kamen Sie zum Karneval?

Pütz: Schon mit zehn Jahren durch meine Eltern, die in der Kolpingfamilie Broich/Speldorf und in der aus ihr hervorgegangenen KG Blau Weiß aktiv waren. Ich habe klassisch mit dem Kinderkarneval angefangen und habe dann später auch hinter den Kulissen bei Blau Weiß mitgeholfen. Als gelernter Maler kam ich dann auch zu den Wagenbauern. Aber erst als Stadtprinz habe ich dann die ganze Breite des Mülheimer Karnevals kennengelernt.

Warum sind Sie dem Karneval treu geblieben?

Pütz: Ich bin ein geselliger Mensch und engagiere mich gerne für und mit anderen Menschen. Ich bereite Menschen gerne eine Freude. Und wenn ich nach einer Veranstaltung von Teilnehmern höre: Mensch, dass habt ihr tollgemacht, ist das für mich ein großartiges Gefühl. Ich möchte die Gemeinschaft, die man im Karneval erlebt, nicht missen. Im Karneval hat man sie alle zusammensitzen. Gerade in schwierigen Zeiten hat der Karneval eine wichtige soziale Funktion, in dem er die Menschen mit seiner fröhlichen Gemeinschaft für den harten Alltag mental stärkt.

Sie sind seit mehr als 40 Jahren im Karneval aktiv. Das ist heute selten.

Pütz: Das macht eben den Ritter aus. Der Ritter ist beständig und bleibt auch in schweren Zeiten an Bord. Man findet heute viele Menschen, die sich für ein zeitlich begrenztes Projekt engagieren. Aber Leute, die für eine Sache über Jahre arbeiten und auch Verantwortung übernehmen, weil sie sehen, was zu tun ist, sind selten. Das hat viele Gründe. Die Arbeitszeiten sind heute flexibler und die beruflichen Ansprüche höher. Aber wir haben heute auch eine neue Generation, die sich nicht mehr so ohne weiteres für irgendetwas auf Dauer einspannen lässt und die vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle nicht so belastbar ist und andere Prioritäten hat.

Wie hat sich der Karneval verändert?

Pütz: Die Zeiten ändern sich und mit ihnen der Karneval. Wir haben immer noch die klassische Prunksitzung, die zum Karneval einfach dazu gehört. Aber der Trend geht derzeit mehr in Richtung Party. Und wir brauchen den Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval mehr denn je, um große Gemeinschaftsveranstaltungen mit Strahlkraft zu organisieren.

Die größte Gemeinschaftsveranstaltung ist der Rosenmontagszug.

Pütz: So ist das: Mit dem Rosenmontagszug ziehen wir bis zu 50.000 Menschen in die Stadt. Ich bin froh, dass ich schon vor der Duisburger Love-Parade-Katastrophe von 2010 in die Leitung des Rosenmontagszuges hineinwachsen konnte. Damals saßen wir alle in einem Boot. Danach wurde seine Organisation erheblich aufwendiger. und man hat sehr viel stärker als vorher darauf geschaut, wer für was die Verantwortung übernehmen und den Kopf hinhalten muss. Gott sei Dank sind uns größere Unglücke in den 65 Jahren, in denen es den Mülheimer Rosenmontagszug gibt, bisher erspart geblieben. Seit 2010 haben wir mehr technische Sicherheitsauflagen: Die Wagenbauer haben sich in Seminaren weitergebildet. Heute wird beim Wagenbau und seiner technischen Abnahme genau darauf geachtet: Wie hoch und stabil sind die Wagenbrüstungen. Wo gibt es an Bord Haltegriffe und wie wird ein barrierearmer Ein- und Ausstieg der Wagenbesatzung gewährleistet. 


Zum Mülheimer Karneval und: Zur Mülheimer Presse

Freitag, 2. Dezember 2022

Wo wünschen noch hilft

 Caritas und NRZ haben ihre gemeinsame Wunschbaumaktion 2022 gestartet. Die beiden Caritas-Mitarbeiter Monika Schick-Jöres und Rüdiger Pilotek schmückten jetzt den zum 15. Mal aufgestellten Wunschbaum mit roten und gelben Wunschkarten. Wie im Vorjahr steht der Wunschbaum in der Touristeninformation der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft (MST). Die Tourist-Info der MST befindet sich im neuen Stadtquartier Schloßstraße und ist, montags- bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr sowie samstags von 10- bis 14 Uhr,  von der Friedrich-Ebert-Straße und von der Schollenstraße zugänglich.

„Wir freuen uns, dass wir als eine zentrale Anlaufstelle in der Stadt die Wunschbaumaktion der Caritas und der NRZ auch in diesem Jahr wieder unterstützen und so einen Beitrag dazu leisten können, dass sich Menschen an Weihnachten über ein Geschenk freuen können, die sonst kein Geschenk bekommen würden. Ich hoffe, dass die Adventsaktion auch in diesem Jahr wieder so großen Anklang, wie im Vorjahr finden wird, und die Wunschkarten schnell vom Tannenbaum gepflückt werden“, sagt MST-Prokurist Marc Baloniak.

„Wir rechnen auch in diesem Advent mit bis zu 1000 Wunschkarten. 975 der 1000 Wünsche konnten wir im Advent 2021 mithilfe großzügiger NRZ-Leserinnen und Leser erfüllen. 25 Wünsche blieben zunächst unerfüllt, konnten dann aber über andere Kanäle von uns in letzter Minute nachträglich erfüllt werden“, erklären Schick-Jöres und Pilotek.

Pilotek ist für die Logistik der Wunschbaumaktion zuständig. Gerne beantwortet er An- und Nachfragen rund um die Wunschbaumaktion unter der Rufnummer: 0208-3000884 oder per E-Mail an: ruediger.pilotek@caritas-muelheim.de. „Wer sich an unserer Adventsaktion beteiligen möchte, muss bis zum 16. Dezember eine Wunschkarte vom Tannenbaum geholt und als verpacktes Geschenk wieder unter den Wunschbaum in der Tourist-Info gelegt oder auch direkt bei der Caritas an der Hingbergstraße 176 abgegeben habe. Denn nur so können unsere Mitarbeitenden die Geschenke noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest abgeben“, erklärt Schick-Jörres.

Unter den Menschen, die sich über ein Weihnachtsgeschenk vom Wunschbau freuen können, sind diesmal auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die als orthodoxe Christen ihr Weihnachtsfest traditionell erst am Dreikönigstag, dem 6. Januar feiern.

„In Zeiten der Inflation sind auch Pakete mit haltbarem Lebensmittel mehr denn je gewünscht und willkommen“, weiß Rüdiger Pilotek. „Auch Hygieneprodukte, Spielzeug oder Einkaufs- und Kinogutscheine stehen auf den Wunschkarten, die uns von Hilfsbedürftigen aller Nationalitäten und Generationen erreichen“, ergänzt Schick-Jörres. Dominik Schreyer, der als Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur an der Georgstraße auch für die Mülheimer Tafel zuständig ist, bestätigt den Eindruck seiner Caritas-Kollegen: „Wir haben viele neue Kunden und arbeiten mit 3000 Lebensmitteltüten, die wir pro Woche an Bedürftige abgeben, auf einem Rekordniveau sagt Schreyer. Die Mülheimer Tafel arbeitet seit Jahresbeginn mit Terminvergaben und Zeitfenstern, um dem Andrang Herr werden zu können. Der Bundesverband der Tafeln hat jüngst mitgeteilt, dass die Nachfrage nach gespendeten Lebensmitteln seit Beginn des Jahres um 50 Prozent angestiegen ist.

 

An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass Caritas und NRZ nur deshalb ihr Ziel, Freude zum Frohen Fest zu schenken, nur erreichen können, weil nicht nur die 300 hauptamtlich Mitarbeitenden des 1920 von Pastor Konrad Jakobs gegründeten katholischen Sozialverbandes, sondern auch die 100 ehrenamtlich in der Gemeindecaritas aktiven Frauen und Männer mit Hand anlegen und als Helfer und Paketboten unterwegs sind. „Viele der Beschenkten, die zum Beispiel durch Flucht, Krankheit und Arbeitslosigkeit unverschuldet in Not geraten sind, haben sich bei uns zum Teil mit Tränen in den Augen oder auch mit den von ihren Kindern gemalten Bildern bedankt, beschreiben Schick-Jörres und Pilotek die Resonanz, die die Wunschbaumaktion 2021 gefunden hat. Historisch zurückblickend, ist interessant, dass der Brauch der Bescherung unter einem geschmückten Baum, die den Beschenkten Freude machen und so die Freude über die Geburt Jesu Christi zum Ausdruck bringen soll, im 19. Jahrhundert von katholischen Arbeitern aus Polen ins Ruhrgebiet mitgebracht worden ist. 

Mittwoch, 23. November 2022

Schein und Sein

 Heuchler wurden im antiken Griechenland und im alten Rom Hypokrit genannt. Jetzt hatte mit „Hypocrites“ die neue Volxbühnenproduktion im Theaterstudio an der Adolfstraße gleich dreimal eine gut bis sehr gut besuchte Premiere. Wer sie verpasst hat, bekommt am 27., 28. und 29. Januar 2023, jeweils um 19.30 Uhr, eine zweite Chance, das von Jörg Fürst inszenierte und von seinem 18-köpfigen Ensemble auf die Bühne gebrachte Stück anschauen und daraus seine Schlüsse für die eigene Existenz zu ziehen. „Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben heute Fragen transportiert, mit denen sich jeder auseinandersetzen sollte: Was ist Sein? Was ist Schein? Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Wie funktioniert unsere Gesellschaft? Wie sollte sie funktionieren? Wie beeinflusst Digitalisierung unser Leben?“, fanden Julia Cornelius und Kosta Thönneßen nach der Aufführung, der sich eine Premierenfeier anschloss.

Minimalistisch gestaltet und im existenziellen Schwarz gehalten. So sieht man, die Volxbühne, auf der sich die grau gewandeten Darstellerinnen und Darsteller als Hypocrites, wie du und ich, bewegen. Wer ist hier Profi, wer Amateur? Was ist Choreografie? Was ist Improvisation? Das ist kaum zu erkennen. Und das macht die Qualität des Ensembles aus. Aus dem Theater Mülheimer Spätlese hervorgegangen gehört es als Bürgertheater heute zum Theater an der Ruhr. In einigen Passagen kann man am Stimmvolumen am ehesten den Unterschied zwischen Profi und professionellem Amateur erahnen. Wie im antiken Theater stehen deklamierende Chöre und Solisten im Dialog. Die Damen und Herrn in Grau erinnern an Michael Endes Romanfigur Momo, die den grauen Herren, die den Menschen die Zeit stehlen wollen, einen Strich durch die Rechnung macht. Auch an das Bild der „grauen Maus“ oder der „grauen Masse“, kann denken, der die grau gekleideten und barfuß auf der Bühne stehenden und gehenden Männer und Frauen der Volxbühne sieht.

Die Musiker Peter Eisold und Max Wehner bewegen sich mit Posaune, Sousaphon und einem fahrbaren Schlagwerk. Mal sind sie Teil der Handlung, mitten auf der Bühne, und dann wieder verborgen, aber hinter der Bühne hörbar. Ihre Töne verschmelzen mit dem Takt der auf der Bühne gehenden und stehenden Schauspielerinnen und Schauspieler.

Wie ein Dirigent im Orchestergraben muss Ton- und Lichttechniker Dirk Lohmann am Pult in der letzten Reihe des Auditoriums, Computermonitore, Mischpult und die, Partitur der Regieanweisung im Blick behalten. Seine Jonglage gelingt. Er zaubert eine Sinfonie aus Klang und Licht auf die Bühne. Sie fordert das Publikum heraus, will es irritieren. Warum? Vielleicht, um es aus scheinbaren Gewissheiten herauszureißen, um dem Kern des eigenen Seins zu erkennen. Weitere Informationen zur Volxbühne und ihrer aktuellen Produktion, die vom NRW-Kulturministerium, von der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft und von der Rheinenergie-Kulturstiftung gefördert wird, finden sich im Internet unter: www.volxbuehne.de


Zu meinen Texten in NRZ & WAZ

Freitag, 18. November 2022

Reden wir über Tod und Trauer

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag. Der November ist der Monat des Jahres, der unter dem Vorzeichen von Tod, Trauer und Gedenken steht. Vor diesem Hintergrund trafen sich die beiden ehrenamtlichen Begräbnisleiter, Bernd Heßeler und Annegret Tewes aus der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt und die ebenfalls in der ökumenischen Trauerbegleitung Links der Ruhr und im Trauernetzwerk Mülheim aktive Psychotherapeutin Dr. Britta Dickoff am Rande der Buchausstellung im Kloster Saarn mit dieser Zeitung zu einem Gespräch darüber, warum sie sich in einem Themenfeld engagieren, das die meisten Menschen meiden und tabuisieren.

Warum treffen wir Sie heute bei einer Buchausstellung?

Bernd Heßeler: Wir stellen hier Literatur zum Thema Tod und Trauer vor, weil wir festgestellt haben, dass es zumindest nach der ersten Phase der Trauer hilfreich sein kann, etwas darüber zu lesen, wie andere Menschen ihren Trauerprozess erlebt und gemeistert haben. So erfahren die Trauernden: Das ist ja wie bei mir. Ich bin ja gar nicht verrückt, sondern durch meine Trauer nur verrückt in eine andere Welt. Zudem ist die hiesige Bibliothek ein guter Treffpunkt, um aus seiner Isolation heraus- und mit anderen Menschen ins Gespräch und in Kontakt zu kommen.

Warum engagieren Sie sich, neben ihrem Beruf als Krankenschwester und Heilpraktikerin, als ehrenamtliche Begräbnisleiterin?

Annegret Tewes: Ich möchte als Begräbnisleiterin, auch vor dem Hintergrund meiner eigenen Trauererfahrungen, sowohl den Verstorbenen als auch den Hinterbliebenen einen würdigen Abschied gestalten, mit dem sie gut weiterleben können und ihnen im Gespräch das gute Gefühl geben, dass ich offen und bereit bin, mit ihnen über ihre Trauer zu sprechen. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Das wird von den Menschen dankbar angenommen. Das gilt auch für das Gleichnis vom Regenbogen, das ich gerne nutze, um den Trauernden zu zeigen, dass der Regenbogen, als ein göttliches Hoffnungszeichen, dort am Himmel steht, wo die Wolken am dunkelsten sind.

Warum werden Tod, Trauer, Abschied und Bestattung in unserer modernen Gesellschaft tabuisiert?

Bernd Heßeler: Wir Deutschen sind sehr regelfixiert. Wir fragen zuerst: Was darf ich? Doch wenn es um Tod, Trauer und Abschied geht, sollten wir uns zunächst mal fragen: Was brauche ich in dieser Ausnahmesituation? Deshalb ist es uns auch wichtig, die Bestattet in unser Trauernetzwerk mit einzubeziehen. Und wir sehen, dass immer mehr Bestatter dafür sensibel sind, wie man einen Abschieds- und Bestattungsprozess so individuell gestalten kann, um damit auch die Trauer zu ermöglichen und nicht zu verdrängen.

Heute sterben viele Menschen in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Müssen wir zurück in die Vergangenheit, in der die Menschen zuhause im Kreise ihrer Familien starben und dann auch zuhause aufgebahrt wurden?

Annegret Tewes: Ich glaube, dass wir wieder einen anderen Umgang mit dem Tod brauchen. Sicher wäre das auch aus christlicher Sicht wünschenswert. Aber wir sollten nicht bewerten, sondern Menschen in der Trauer Mut machen und ihnen aufzeigen, was möglich ist, wenn es um Tod, Trauer und Abschied geht.

Kann eine gute Trauerfeier Hinterbliebene trösten?

Bernd Heßeler: Das Kondolenzgespräch ist hier wichtig. Hier geht es für mich vor allem um das Zuhören. Was war das für ein Mensch? Wie haben seine Hinterbliebenen mit ihm gelebt und ihn erlebt? Das ist viel wichtiger als die Klärung, welches Lied bei der Trauerfeier gespielt werden soll. Nur so kann eine Trauerfeier für die Hinterbliebenen authentisch und tröstlich werden.

Annegret Tewes: Ich versuche den Menschen, persönlich etwas mitzugeben, was sie berührt und tröstet. Gerne erinnere ich mich an eine Trauerfeier, vor der ich die handgeschriebene Lebensgeschichte des Verstorbenen lesen durfte. Dies konnte ich in meine Ansprache und in die Fürbitten mitnehmen. Und es hat mich damals sehr angerührt, dass die Hinterbliebenen meine Worte immer wieder zustimmend kommentiert haben und mir im besten Sinne ins Wort gefallen, sind: „Ja. Genau so war es. Genauso war er!“ Mir erscheint es besonders wichtig, dass die Hinterbliebenen eine Brücke zueinander finden und anerkennen, dass jeder anders trauert.

Und was kommt nach der Trauerfeier?

Bernd Heßeler: Wichtig ist es, Trauernde nicht allein zu lassen, mit ihnen im Gespräch zu bleiben und sie immer wieder in die Gemeinschaft hineinzuholen, ob im Rahmen eines Trauer Cafés oder eines Trauerseminars oder auch in der Gemeinde, in der Nachbarschaft und auch am Arbeitsplatz. Auch hier sollte man den Trauernden nicht aus dem Weg gehen, sondern mit ihnen im Gespräch bleiben. Deshalb ist es dem Bundesverband der Trauerbegleiter auch ein Anliegen, dass in jedem Betrieb mindestens ein Mitarbeiter zum Trauerbegleiter qualifiziert wird.

Ist der November mit seinen Trauertagen für Trauerende ent- oder belastend?

Bernd Heßeler: Wir haben bei unserer Allerheiligenandacht, bei unseren Grabsegnungen, aber auch bei unseren Gesprächen am Grab erlebt, dass es Hinterbliebenen ein tröstliches Bedürfnis ist.

Was sagen Sie Trauernden als Psychotherapeutin mit eigenen Trauererfahrungen?

Britta Dickkoff: Jeder Mensch muss seine eigenen Trauererfahrungen machen. Die kann einem niemand abnehmen. Aber ein Gespräch kann helfen, wenn man keine guten Ratschläge gibt, sondern zusammen mit dem Trauernden Ideen entwickelt, wie sie Leben ohne den Verstorbenen weitergehen kann und ihn darin zu ermutigen, seinen eigenen Weg der Trauer, aber auch des Lebens weiterzugehen. Leider kommt es in der Trauerphase immer wieder zu belastenden Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen, wenn zum Beispiel ein Erbe oder die Gestaltung der Trauerfeier im Raum steht. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass Literatur, zum Beispiel die Gedichte von Hermann Hesse, Else Lasker-Schüler, Hilde Domin und Mascha Kaleko, Trauernde sehr gut trösten und ihnen Mut zum eigenen Weiterleben machen können.


Meine Beiträge in der Mülheimer Tagespresse



Donnerstag, 17. November 2022

Tante Emmas Erben

 Einkaufen ist ein Politikum. Das machte ein Zeitzeugengespräch rund ums Einkaufen deutlich, zu der die Mülheimer Zeitzeugenbörse, rechtzeitig zum Wochenendeinkauf, in den Dümptener Seniorenclub an der Oberheidstraße eingeladen hatte. Brigitte Reuß, die die Zeitzeugenbörse zusammen mit Manfred Zabelberg leitet, schlug zum Einstieg den ganz großen historischen Bogen von den tönernen Einkaufslisten alten Römer bis zu den personalfreien Kassenscannern und dem Interneteinkauf, der die Existenz des stationären Einzelhandels bedroht. Auch den sozialen Bogen schlug sie vom Higtech-Smarthome, in dem der Kühlschrank die Einkaufliste erstellt bis hin zur zunehmenden Zahl materiell armer Menschen, die auf die Lebensmittelspenden der Tafel des Diakoniewerkes an der Georgstraße oder auf Kleidung aus den Schenk- und Secondhandläden der Wohlfahrtverbände angewiesen sind.

Die 1926 geborene Eva Timm berichtete aus ihrer Jugend: „Natürlich gab es früher auch schon Kaufhäuser, zum Beispiel das der jüdischen Familie Tietz, das nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten in den 1930erJahren als Kaufhof arisiert wurde. Aber die Auswahl und Vielfalt war früher bei weitem nicht so groß wie heute. Stattdessen gab es sehr viel mehr Stoffgeschäfte als heute und den Beruf des Zuschneiders, den mein Vater ausübte.“ Zuschneider schnitten den Stoff zu, den ihre Kunden bei ihnen kauften, um sich daheim an der Nähmaschine ein Kleid, eine Hose oder einen Anzug zu nähen. Auch das damals noch florierende Gewerbe der Hutmacherinnen und Hutmacher gehört zu Timms Kindheitserinnerungen, „weil die Damen und auch die Herren viel mehr Hut trugen als heute.“ Unvergessen bleiben für Timm auch ihr erste blaues Jäckchenkleid und die dazu passenden Schuhe, die ihr älterer Bruder ihr im Kriegsjahr 1942 im Heimaturlaub, aus dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Paris mitgebracht hatten.

Wie Timm, konnten sich auch die 1939 geborene Ursula Storks, die 1936 geborene Ilse Diekhönner und die 1938 geborene Gisela Fuß an die Mangelwirtschaft der Kriegs- und Nachkriegsjahre erinnern. „Wir kauften in einem kleinen Tante-Emma-Laden ein. Gekauft wurde, was gerade da war. Lebensmittel wurden unverpackt und wurden in einem Henkelmann, in einer mitgebrachten Flasche oder im Einkaufskorb- oder Beutel nach Hause getragen.“ Die Kriegs- und Nachkriegszeit verbinden Storks, Fuß und Diekhönner mit rationierten Lebensmitteln, die man monatlich auf einer Karte zugeteilt bekam und meistens erst nach einem langen Stehen in der Warteschlange ausgehändigt bekam. „Damals gab es oft Maisbrot und Steckrüben. Die schmeckten furchtbar. Aber wir hatten Hunger“, erinnern sich Storks und Fuß. Unvergessen bleibt Storks, „dass meine Mutter den Bunker verließ und im Bombenhagel nach Hause lief, um dort einen Fleischtopf zu holen, den sie auf der Fensterbank hatte stehen lassen und dass ich einmal den Henkelmann mit unserer gesamten Milchration vergossen habe, weil ich auf dem Heimweg von einem Tiefflieger überrascht wurde und mich sofort flach hinwerfen musste.“ Obwohl Bergleute als „Schwerstarbeiter“ Lebensmittelzulagen erhielten, weiß Diekhönner zu berichten, „dass mein Vater nach seiner Schicht als Bergmann am Wochenende bei einem Bauern arbeitete, um zusätzliche Lebensmittel heimbringen zu können.“

„Nach dem Krieg mussten unsere Eltern uns immer wieder bei Nachbarn einquartieren, um in überfüllten Zügen zum Hamstern an den Niederrhein zu fahren. Die Reichsmark war nichts mehr wert. Der Schwarzhandel blühte. Zigaretten waren damals die Hauptwährung. Unsere Eltern haben bei den Bauern alles, was nicht niet- und nagelfest war gegen Lebensmittel eingetauscht.“ Als ein Privileg empfand es Ursula Storks, „dass meine Mutter zuhause einen Teil der Milchsuppe kochen konnte, die wir nach dem Krieg als Schulspeisung von den Quäkern bekamen, so dass ich in der Schule und zuhause essen konnte.“ Und auch ein waghalsiger Kohlenklau auf einem Eisenbahnwaggon am Styrumer Bahnhof gehörte für Storks zu ihren etwas anderen „Einkaufserlebnissen“ in der Nachkriegszeit.

Erst nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 füllten sich die Schaufenster der zum Teil noch kriegsbeschädigten Geschäfte wieder mit Waren, die jetzt mit der knappen D-Mark bezahlt werden mussten.

„In der DDR gab es noch bis 1958 Lebensmittelkarten. Eingekauft wurde in den HO-Läden der staatlichen Handelsorganisation. Grundnahrungsmittel und Wohnungsmieten waren sehr preiswert, aber alles was über den Grundbedarf hinausging, war sehr teuer. Während ein 1500-Gramm-Brot 78 Pfennig kostete, kosteten eine Bockwurst 5 Mark und ein Stück Torte 7,50 Mark. Später konnte man viele hochwertige Waren nur in Exquisit-Läden und Intershops zu überhöhten Preisen kaufen. Manche Waren, wie etwa ein Kühlschrank waren nur gegen einen inoffiziellen Aufpreis unter der Hand zu bekommen“, erinnert sich der 1939 in Halle an der Saale geborene Mülheimer Dieter Schilling.

Aber auch für die 1949 im damals noch ländlichen Teil Dümptens, der an Oberhausen grenzt, geborene Jutta Lose kam das Wirtschaftswunder erst Mitte der 1960er Jahre an, als sie als Arzthelferin ihr erstes eigenes Geld verdiente und damit erstmals in einer Boutique schick einkaufen konnte. Lose erinnert sich: „In meiner Kindheit hatten wir einen großen Garten, in dem wir als Selbstversorger Obst und Gemüse anbauten. Einkaufen konnten wir damals nur in einem kleinen Tante-Emma-Laden mit einer sehr begrenzten Auswahl. Kartoffeln, Eier und Milch lieferte uns ein Bauer mit seinem Pferdefuhrwerk. Brot, Brötchen und Kuchen kauften wir aus dem Lieferwagen eines Bäckers. Ein Einkauf in der Mülheimer oder Oberhausener Innenstadt war für uns mit einem mindestens 40-minütigen Fußmarsch verbunden. Erst 1962 eröffnete in der Nähe meines Elternhauses ein Aldi-Markt.“


Mülheimer Zeitzeugen

Dienstag, 15. November 2022

Kinder: Es ist Karneval

 Mehr als 1000 Menschen sind im Mülheimer Karneval aktiv. Ein Drittel von ihnen feierte am 11.11. im Dümptener Autohaus Extra den Start in die Fünfte Jahreszeit. Chefkarnevalist Markus Uferkamp konnte nicht mit von der närrischen Partie sein, weil das Corona-Virus bei ihm stärker war als der Bazillus Carnevalensis war.

Die Jecken, die gesund und munter feiern konnten, bekamen von.

Tollitäten, Tanzgarden und Musikzüge eine Karnevalsshow geboten,, die Lust auf mehr machte. Da das große Prinzenpaar, Tamara und Kevin, bereits am 11.11.2021 proklamiert worden war und jetzt einen zweiten Anlauf wagt, nachdem die vergangene Session Corona-bedingt abgebrochen werden musste, standen an diesem 11.11. die Kindertollitäten, Kinderprinz Louis, Kinderprinzessin Emily, Pagin Marie und Page Felix Antonio im Rampenlicht.

Das närrische Publikum, zu dem auch Mülheims rheinischer Oberbürgerbürgermeister Marc Buchholz gehörte, wurde mit kleinen Glückbringern und selbstgestrickten Wollbeuteln überrascht, die Louis, Emily und ihr Gefolge wie Kamelle am Rosenmontag unters Narrenvolk brachten.

Und nach der Verleihung der närrischen Insignien, Zepter, Amtskette und Federn, kam der Moment der Wahrheit, als Louis und Emily ihr närrisches Regierungsprogramm verkündeten. Nach ihrem Willen, müssen Miesepeter, die im Karneval nicht mitsingen und mittanzen 11,11 Euro in die Kasse der Karnevalisten zahlen. OB Buchholz wurde verdonnert, an den Tollen Tagen alle Baustellen der Stadt mit Luftschlangen und Luftballons schmücken zu lassen, die Müga an den Tollen Tagen in ein Kinder-Karnevalsparadies umzuwandeln, leerstehende Ladenlokale in der Innenstadt als kindgerechten Freizeiteinrichtungen zu nutzen, den Karnevalsgesellschaften mietfreie Feste in der Stadthalle zu gewähren und am Altweiberdonnerstag im Clownskostüm zu erscheinen.


Außerdem forderten die Nachwuchsregenten von Politik und Wirtschaft, auch außerhalb der Fünften Jahreszeit, mehr Gehör und Unterstützung, natürlich nicht, ohne sich zuvor bei allen zu bedanken, die das närrische Brauchtum schon jetzt unterstützen. Und sein Sessionslied: „Wir sind die Kindercrew,  die Krone, die euch aufrecht hält, wo nur die Freundschaft zählt. Ihr seid der Karneval und der Karneval sind wir!“, will das Kinderprinzenteam während der Fünften Jahreszeit mindestens einmal pro Tag im Radio Mülheim hören.

Nicht nur vom Oberbürgermeister bekamen die Kindertollitäten viel Lob für ihren ersten Sessionsauftritt. Der ohnehin kostümaffine OB erklärte sich sofort bereit, im Clownskostüm zur Schlüsselübergabe zu erscheinen. Aber mit Blick auf die hohe Verschuldung der Stadt lehnte er es ab, den närrischen Nachwuchsregenten eine mietfreie Stadthalle für Karnevalsfeste zu versprechen. Stattdessen gab es vom Stadtoberhaupt nur einen symbolischen Null-Euro-Schein und die Absichtserklärung: „Was nicht ist, kann vielleicht noch werden. Wir arbeiten daran.“


Zum Mülheimer Karneval und: Zu NRZ/WAZ



Montag, 14. November 2022

Traurige Aktualität

 Am Volkstrauertag 2022 waren deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger zum Mahnmal des unbekannten Soldaten gekommen, um den vergangenen und den gegenwärtigen Opfern von Krieg Gewalt Herrschaft und Terrorismus zu gedenken. Vorsichtig geschätzt waren es 100 Bürgerinnen und Bürger, die sich vor dem Mahnmal an der Kettwigerstraße versammelt hatten.

Der Volkstrauertag wurde auf Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge 1919 ins Leben gerufen und 1922 zum staatlichen Gedenktag erklärt. Bürgermeister Markus Püll zitierte in seiner Funktion als Kreisvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge unter anderem aus einer vor 100 Jahren gehaltenen Reichstagsrede des Sozialdemokraten Paul Löbe: „Wir brauchen Versöhnung und Verständigung, um Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch, um Tote zu ehren und Verlorene zu beklagen. Das bedeutet Abkehr vom Hass und Heimkehr zur Liebe. Und unsere Welt hat die Liebe nötig!

Der Superintendent der evangelischen Kirche Pfarrer Gerald Hillebrand und der Stadtdechant der katholischen Kirche Pfarrer Michael Janßen setzten mit einer Dialogansprache ein Zeichen der Ökumene. Sie machten deutlich, dass die Erinnerung an Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland auch heute und künftig notwendig sei, um die Werte der christlichen Botschaft, die auch die Werte der freiheitlichen Demokratie und des Grundgesetzes seien, zu bewahren, zu leben und, wo nötig, zu verteidigen. Hillebrand sagte: „Es gibt heute viele Menschen, die das gemeinsame Gedenken am Volkstrauertag, viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Frage stellen. Doch wir sollten an diesem gemeinsamen Gedenken am Volkstrauertag festhalten. Denn es hat seinen Sinn, in dem es die Toten ehrt, die Lebenden mahnt und die Kommenden warnt!“ Und Janßen betete: „Gott, wir bitten dich: Schenk uns Aufmerksamkeit und Zivilcourage, damit wir protestieren, wo wir Unrecht wahrnehmen, dass wir helfen, wo die menschliche Würde mit Füßen getreten wird und dass wir Menschen auf der von dir so wunderbar geschaffenen Mutter Erde erkennen, dass wir alle deine Kinder sind.“

Der vom Musiklehrer Stephan Adam-Glagovsek  geleitete Oberstufenchor der Gesamtschule Saarn und das Bläserensemble um den Rathaus-Mitarbeiters, Alexander Vogtmann, begleiteten die Kundgebung zum Volkstrauertag musikalisch und gaben ihr damit einen würdigen und berührenden Charakter. Die Lieder, die die Saarner Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler sangen, „Flashlight“ und „Time“ erzählten von der Widersprüchlichkeit unseres menschlichen Lebens und unserer Welt, die so wunderbar und zugleich auch so grausam sein können. Und sie erzählten von der vergehenden Zeit, die es uns möglich machen kann, aus Fehlern zu lernen, Schuld zu vergeben und sich mit sich selbst und mit anderen Menschen zu versöhnen. Die Bläser um Alexander Vogtmann setzen mit der Internierung des 1841 von Hoffmann von Fallersleben gedichteten Deutschlandliedes den Schlussakkord, dessen dritte Strophe von allen Anwesenden gemeinsam gesungen, mit dem Dreiklang von Einigkeit und Recht und Freiheit den Kern unserer Demokratie, in Erinnerung rief, der am Volkstrauertag 2022, angesichts der inneren und äußeren Anfechtungen unserer Demokratie eine tiefere Bedeutung bekam.

Zu den Mülheimerinnen und Mülheimern, die an diesem Sonntagmittag den Weg zum Mahnmal des Unbekannten Soldaten gefunden hatten, gehörten auch Oberbürgermeister Marc Buchholz und der ehemalige Bürgermeister und FDP-Stadtrat Paul Gerhard Bethge. Er gehört mit seinen 98 Lebensjahren zur Generation, die als Soldaten der deutschen Wehrmacht vom Hitler Regime missbraucht wurden und nach dem erlebten und überlebten Krieg von Werkzeugen der NS-Diktatur zu politischen Mitgestaltern der neuen westdeutschen Nachkriegsdemokratie geworden sind. Bethge erinnerte sich: „Ich habe die Errichtung des Mahnmals des Unbekannten Soldaten an der Kettwiger Straße in meinem ersten Ratsjahr 1964 vorgeschlagen und seine Realisierung im Jahr 1968 miterleben können. Nachdem dem Vertreter der politischen Parteien und andere gesellschaftliche Organisationen am Mahnmal Kränze niedergelegt hatten machte Bürgermeister Markus Püll deutlich, dass sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem in Mühlheim rund 50 Bürgerinnen und Bürger angehören, über zusätzliche Unterstützer und Mitglieder freuen würde. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, „dass die Pflege von Kriegsgräbern gerade für Jugendliche, die im Frieden aufgewachsen sind, eine anschauliche und praktische Form der Erinnerungskultur darstellt.“ Sie zeige Ihnen, so Püll, „was Krieg für Menschen bedeutet, und was getan werden muss, um auch heute und morgen Kriege zu verhindern oder zu beenden.“ Laut Püll gibt es in Mülheim acht Gräber von Mülheimer Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen sind. Nicht nur an die 10.000 Mülheimer Soldaten, die in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts ihr Leben verloren haben, wurde am Volkstrauertag erinnert, sondern auch an die 59 Bundeswehrsoldaten, die während des Afghanistan-Einsatzes zwischen 2001 und 2021 gefallen sind.

 Zum Volksbund Duetsche Kriegsgräberfürsorge

Freitag, 11. November 2022

Ein Fest der Freiheit

 Am 11.11. starten die Karnevalisten, die Fünfte Jahreszeit. Jubel, Trubel, Heiterkeit!? Geht das in Zeiten von Corona, Inflation und Ukraine-Krieg? Am Tag vor dem Start in die Session 2022/2023 trafen sich Stadtprinz, Kevin Bongarts (34) und Stadtprinzessin Tamara Bongarts (31) in einem Mülheimer Restaurant, noch ganz zivil, zum Gespräch mit dieser Zeitung. Beide Tollitäten kommen aus den Reihen der Roten Funken. Abseits des karnevalistischen Rampenlichtes, wo man sich im Ernst des Lebens beruflich nicht nur seine Kamelle, sondern auch seine Lorbeeren und seine Brötchen verdienen muss, arbeitet der Prinz bei der Müllabfuhr der MEG und die Prinzessin als Altenpflegerin für einen ambulanten Pflegedienst.

Einmal Prinz zu sein, davon habe ich immer schon geträumt. So heißt es in einem Karnevalsschlager. Wie fühlt es sich an, wenn Sie nach der Corona-bedingt ausgefallenen Session 2021/2022 jetzt zum zweiten Mal als närrisches Regentenpaar ins närrische Rampenlicht treten?

Kevin und Tamara: Ganz ehrlich. Nach der Absage der letzten Session hatten wir erst mal keine Lust mehr. Aber dann haben wir, auf Einladung des Oberbürgermeisters Marc Buchholz, zusammen mit dem Kinderprinzenpaar im Sommer einen Freizeitpark in Kevelaer besucht. Das war ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Und danach haben wir uns entschlossen, zwei neue Lieder für unsere zweite Session als Prinzenpaar zu schreiben und dann haben wir wieder Feuer gefangen. Und jetzt kommt bei uns auch schon wieder Lampenfieber auf.

Was bekommt das närrische Publikum von Ihnen zu hören?

Kevin und Tamara: Unsere neuen Sessionsschlager tragen die Titel: „Was für eine geile Session“ und: „Lange nicht genug. Was für ein guter Tag!“

Was werden Sie denken, wenn Sie das als Tollitäten am 11.11. auf der Bühne singen?

Kevin und Tamara: Zugegeben. Wir haben da zwiespältige Gefühle. Denn niemand kann im Moment die Gedanken an die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die daraus erwachsene Inflation abschalten. Aber vielleicht kommen wir ja gerade jetzt mit dem Karneval, der die Gemeinschaft, die Toleranz, die Freiheit und die Lebensfreude feiert, zu den rechten Zeiten, um mit unseren Auftritten und Festen unseren grauen und trüben Alltag wenigstens für einige Stunden wieder bunt und fröhlich machen, gemäß unserem Motto: „Kunterbunte Mölmsche Welt. Wir machen Sie, wie es uns gefällt!“ Ohne Karneval ginge es den Menschen in unserer Gesellschaft sicher noch schlechter. Auch wenn wir jetzt nicht nur in der Ukraine Krieg und Krisen erleben, haben die einfachen Menschen, die keine Schuld an der aktuellen Weltlage, es sich gerade jetzt verdient, richtig Karneval zu feiern und damit, allen schrecklichen Nachrichten zum Trotz, etwas Freude, Gemeinschaft und Hoffnung zu erleben.

Was haben Sie sich als närrische Regenten vorgenommen?

Kevin und Tamara: Wir wollen bei unseren Auftritten wir selbst sein und den Karneval fröhlich und authentisch mit möglichst vielen Menschen feiern. Damit wollen wir uns bei den Karnevalsgesellschaften, ihren Sponsoren und Oma Alex, Opa Udo und Tante Jasmin bedanken, die uns auf der Bühne, hinter den Kulissen und zuhause mit unseren Töchtern Shalia (5) und Lavinia (8) den Rücken freihalten und uns so eine zweite Regentschaft ermöglichen.

Was gehört zur Agenda ihrer Regentschaft?

Kevin und Tamara: Unser am 11.11.2021 verkündetes Regierungsprogramm bleibt in Kraft: Keine Erhöhung der Getränkepreise, keine Knöllchen für das Prinzenmobil und gebührenfreie Entsorgung von elf Tonnen Müll durch die MEG für alle aktiven Karnevalisten. Und: Männer verzichten auf das letzte Bier und Frauen auf das letzte Wort Das sind unsere Beiträge zur Dämpfung der Inflation und zum Erhalt des sozialen Friedens..

Und wenn Sie als närrische Regenten reale Macht hätten, was würden Sie in unserer oft närrischen, aber nicht immer heiteren Welt gerne durchsetzen?

Kevin und Tamara: Alle Kriege beenden und alle Diktatoren entmachten. Sofort!

Wie politisch ist der Karneval?

Kevin und Tamara: Der Karneval feiert die Freiheit und die Toleranz. Er lädt Menschen aller Generationen ein, egal, wer sie sind und woher sie kommen. Er schließt niemanden aus und macht keine sozialen Unterschiede. Besonders wichtig ist für uns, dass wir als Prinzenpaar auch behinderte, alte und pflegebedürftige Menschen besuchen, um ihnen Aufmerksamkeit, Zuwendung, Gemeinschaft und Freude zu bringen. Und bitte, nicht vergessen: Der Karneval mit seinen Tanzgarden und Musikzügen ist immer auch ein Stück Sozial- und Jugendarbeit, und dass nicht nur zur Fünften Jahreszeit. 


Meine Beiträge für NRZ & WAZ

Zum Mülheimer Karneval 





 

Dienstag, 1. November 2022

Die Zukunft im Rücken

 Der Samstagabend Gottesdienst in Sankt Mariae Geburt war fast so gut besucht wie die Gottesdienste an Ostern und Weihnachten. Und das hatte seinen guten Grund. Denn 19 Mädchen und Jungen wurden als neue Messdiener feierlich in ihr Amt eingeführt. 

Sie verstärken das Team Messdiener von Sankt Mariae Geburt. „In diesem Gottesdienst fühle ich mich besonders wohl, weil ich die Kirche der Zukunft im Rücken habe“, sagte Pfarrer und Stadtdechant Michael Janßen. Er hob in seiner Predigt die besondere Bedeutung der Messdienerinnen und Messdiener hervor. „Sie tragen das Kreuz vorweg, bringen Brot und Wein zum Alltar und tragen die Kerzen als Symbol des Lichtes, das Jesus als eingeborener Sohn Gottes mit seinem Leben und Leiden in die Welt gebracht hat, um uns zu erlösen. Kreuz, Brot und Wein stehen für das Leiden aber auch für die Auferstehung Jesu Christi. Sie geben uns Hoffnung und Zuversicht und zeigen uns, dass kein Weg zum Ostersonntag am Karfreitag vorbeiführt, dass aber unsere frohe christliche Botschaft uns Mut macht und uns Kraft gibt, auf das Wort Gottes zu hören und danach zu handeln. So können wir selbst zum Licht für andere Menschen werden.“ Janßen bedankte sich nicht nur für das Engagement der acht bis zehn Jahre jungen Messdienerinnen und Messdiener, die sich nach ihrer ersten Heiligen Kommunion vor den Sommerferien für eine Ausbildung zum Messdiener entschieden, hatten. Ausdrücklich bedankte sich Jansen auch bei den Eltern, Freunden und Verwandten, die die neuen Messdienerinnen und Messdiener durch ihr eigenes christliches Lebensbeispiel begleitet und inspiriert hätten. Alle neuen Messdiener wurden einzeln mit ihrem Namen aufgerufen, verbunden mit ihrem geistlichen Wahlspruch. Da war zum Beispiel zu hören: „Nichts soll dich erschrecken. Denn dein Gott und Herr bin bei dir!“ Oder: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott.“ Alle neuen Messdienerinnen und Messdiener traten aus der ersten Kirchenbank heraus und sagten vor dem Altar stehend: „Hier bin ich. Anschließend erhielten sie ihr vollständiges Messdienergewand und den Segen des Pfarrers und Stadtdechanten. „Als ich so alt war, wie ihr heute, bin ich auch Messdiener geworden. Damals hat mich unser inzwischen heiliggesprochener Papst Johannes XXIII. inspiriert“, erinnerte sich Janßen.

Warum entscheiden sich heute Kinder für den Messedienst am Altar? Die neunjährige Lena Bülte erklärt ihre Motivation so: „Meine Geschwister sind auch Messdiener. Und ich habe sie schon oft im Gottesdienst beobachtet. Und das, was sie tun, hat mir so gut gefallen, dass ich auch Messdienerin werden wollte.“ Der inzwischen 31-jährige Marketingfachmann, Lukas Lamberty gehört ebenfalls zum Messdienerteam von St. Mariae Geburt. Er sagt: „Ich kam nach meiner Erstkommunion durch einen Freund zu den Messdienern und habe mich seitdem in dieser tollen Gemeinschaft, die auch durch die Leute in der Gemeinde getragen wird, so wohlgefühlt, dass ich bis heute dabeigeblieben bin und meinen Dienst, auch als Ausbilder, solange weiter tun möchte, wie mir das möglich ist. Mich begeistert es, mitzuerleben, wie die jungen Messdienerinnen und Messdiener in unserer Gemeinschaft zu Persönlichkeiten heranreifen, die dann auch selbst wieder unseren Messdienernachwuchs ausbilden können. In unserer Ausbildung haben wir nicht nur mit Erklärgottesdiensten, sondern auch mit Lehrvideos, die man sich bei Youtube herunterladen kann, sehr gute Erfahrungen gemacht.“


Meine Beiträge für den Lokalkompass der Mülheimer Woche

Junge Schule

 Schülerinnen und Schüler machen Schule. Das nahm die Schülervertretung an der Willy-Brandt-Schule in Styrum an einem von ihr organisierten ...