Man könnte das Foyer der alten Augenklinik, die nach ihrem Umbau 2013 zum Haus der Stadtgeschichte und zur städtischen Musikschule geworden ist, als einen leeren und zwecklosen Raum erleben, wenn das Stadtarchiv diesen Raum und seine Betonwände nicht regelmäßig zu einer geschichtsträchtigen Ausstellungsfläche machen würde.
Jetzt haben Archivleiter Dr. Stefan Pätzold, Inge Ketzer und Karl-Heinz Zonbergs, beide Vorstandsmitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und des Bundes der Antifaschisten (VVN-BDA) im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37 eine neue stadtgeschichtliche Ausstellung vorgestellt, die das dunkelste Kapitel der Mülheimer Geschichte, dessen Jahre unter dem Hakenkreuz beleuchtet.
Nicht nur für Schulklassen und Geschichtskurse ist es interessant, in Wort und Bild die zwölf Jahre zwischen 1933 und 1945 aus der lokalen Perspektive vor Augen geführt zu bekommen. Wer sich die Ausstellung anschaut begreift schnell, warum Oberbürgermeister Marc Buchholz die Erinnerung an Krieg und nationalsozialistische Gewaltherrschaft am Volkstrauertag 2021 als "eine humanitäre Verpflichtung" bezeichnet hat, "um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen!"
Aktuelle rechtsextremistische Tendenzen in unserer Gesellschaft zeigen, dass die mahnende Erinnerung an die NS-Zeit zeitlos aktuell bleibt, auch wenn die jetzt präsentierte Ausstellung schon über 30 Jahre alt ist. "Wir müssen alles dafür tun, dass Rechtsextremisten und Rassismus nicht noch mehr Boden in unserer Gesellschaft gewinnen, als sie ihn jetzt schon gewonnen haben. Aber dafür müssen viel mehr Menschen mithelfen", betont die Vize-Vorsitzende der VVN-BDA, Inge Ketzer.
Die jetzt bis Ende April im Haus der der Stadtgeschichte zu sehende Ausstellung, die den Widerstand und die Verfolgung im Mülheim unter dem Hakenkreuz dokumentiert, wurde von 1981 bis 1987 im Rahmen eines Kurses der Heinrich-Thöne-Volkshochschule erstellt und um eine inzwischen neu aufgelegten und in der Buchhandlung Fehst am Löhberg 4 für 16 Euro erhältlichen Dokumentation ergänzt.
Diese Dokumentation zeigt nicht nur jüdische, christliche, sozialdemokratische und kommunistische Schicksale der Widerstands- und Verfolgungsgeschichte des Dritten Reiches. Sie zeigt auch wie und warum Hitler und die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen und sich dort zwölf Jahre lang halten konnten.
Nicht nur Opfer und Widerstandskämpfer
Wir begegnen in dieser Wanderausstellung nicht nur den Opfern des antifaschistischen Widerstands, wie etwa den Stadtverordneten Wilhelm Müller (SPD), Fritz Terres und Otto Gaudig (beide KPD), sondern auch den Mülheimer Steigbügelhaltern Hitlers, den Industriellen Fritz Thyssen und Emil Kirdorf oder dem überlebenden NS-Juristen und Politiker, Werner Best. Er war während des Krieges unter anderem Reichsstatthalter im von Deutschland besetzten Dänemark. Nach dem Krieg kam er dann in der Essener Rechtsanwaltskanzlei Ernst Achenbach und später als Justitiar bei Stinnes unter.
Die per E-Mail an: i.ketzer@vvn-bda-mh.de erreichbare Vizevorsitzende der VVN-BDA hofft darauf, dass ihre Vereinigung ab Februar auch Führungen durch die Ausstellung anbieten kann, wenn dies dann die Corona-Lage erlauben sollte.