Freitag, 28. Mai 2021

Kreatives Dankeschön

 Die Banane gehört zu den nährwertigsten Lebensmitteln. Doch für Thomas Baumgärtel ist sie in mehr als 30 Jahren zum Kunstobjekt und zum Markenzeichen seines kreativen Schaffens geworden. Eines dieser Kunstobjekte hängt seit dem 27. Mai nun auch im Eingangsbereich des St. Marienhospitals.

"Das soll ein Dankeschön an alle sein, die auch in diesem Hause getestet, geimpft und Covid-Patienten betreut haben", sagt Baumgärtel, der seinen Zivildienst in einem katholischen Krankenhaus absolviert hat. Dort, wo er übrigens zum ersten Mal sein Kunstobjekt Banane kreierte und an ungewöhnlicher Stelle, einem Kreuz, zum Einsatz brachte, hat er den Einsatz von Ärzten und Pflegekräften kennen und schätzen gelernt.

Jetzt legte Chefarzt Dr. Jörg Meyer mit Hand an, als Baumgärtel, seine von einem Impfspritze gepikste schwarz-rot-goldene Banane mithilfe einer Schablone auf die dafür vorgesehene Stelle sprayte. "Das ist wirklich eine coole Nummer", findet Jörg Meyer. 

"Die Impfung ist der einzige Weg in die Freiheit!"

Er leitet die Abteilung für Anästhesie und Intensiv-Medizin, in der 14 Ärzte und 40 Pflegefachkräfte bisher 64 Covid-19-Patienten betreut haben, von denen rund 40 Prozent an den Folgen der Virus-Infektion verstorben sind. "Von den Kolleginnen und Kollegen, die Covid-Patienten haben sterben sehen, sind 100 Prozent gegen das Virus geimpft", betont Meyer. Auch  für Thomas Baumgärtel, der mit seiner schwarz-rot-goldenen Impfbanane in mittlerweile 70 Kliniken und Pflegeeinrichtungen ein sichtbares, zum Hingucken und Schmunzeln einladendes Dankeschön für die Helden an der Corona-Front hinterlassen hat, steht fest: "Die Impfung ist für uns alle der einzige Weg in die Freiheit.

Das sehen die Mitarbeitenden des seit 1887 bestehenden St. Marienhospitals ebenso. Mehr als 90 Prozent von ihnen haben sich inzwischen gegen das Corona-Virus impfen lassen. "Die noch nicht geimpften Kolleginnen und Kollegen sind keine Impfgegner, sondern mussten aufgrund einer Vorerkrankung auf eine Impfung verzichten.", betont Klinik-Sprecherin Katharina Landorff.

Dr. Meyer und der Ärztliche Direktor des St. Marienhospitals, Dr. Thomas Nordmann sind sich einig: "Thomas Baumgärtels Impf-Banane ist, abseits aller Corona-Statistiken und alle medizinischen Fakten ein kreatives Statement für die Impfkampagne." Robert Schruba, der als Stationsleiter an der Spitze der Pflegekräfte in der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin steht, freut sich über das künstlerische und humorvolle Dankeschön für die gemeinsame Pflegearbeit, "die uns emotional belastet hat, die uns aber auch als Team enger zusammenrücken ließ."


aus der Mülheimer Woche, 28.05.2021

Dienstag, 25. Mai 2021

Das Arbeitserziehungslager am Flughafen

Vor 80 Jahren wurde am Flughafen zwischen Brunshof- und Windmühlenstraße ein sogenanntes Arbeitserziehungslager für 500 Häftlinge errichtet. Bis zur Auflösung des Lagers lebten und litten dort insgesamt etwa 8000 Menschen. 130 Menschen starben dort während ihrer Lagerhaft.

Seit 1996 erinnert dort eine in der Lehrwerkstatt der Mülheimer Röhrenwerke gefertigte Gedenktafel an das Schicksal der deutschen, niederländischen, belgischen, polnische, jugoslawische, französischen und ukrainischen Häftlinge, die während des Zweiten Weltkriegs am Flughafen unter unmenschlichen Bedingungen Tiefbauarbeiten und Erdbewegungen ausführen mussten. „Vor allen aus den Niederlanden erreichen uns immer wieder viele Anfragen von Menschen, die die Lebensgeschichte ihrer Väter und Großväter erforschen möchten“, sagt Stadtarchivar Jens Roepstorff.

Am 17. Mai berät jetzt der Kulturausschuss des Rates über einen Antrag, in dem die CDU und die Grünen fordern, die Gedenktafel an der Windmühlenstraße zu renovieren und mithilfe örtlicher Stiftungen und Künstler eine zentrale Erinnerungsstätte für jene 25.000 Menschen zu schaffen, die während des Zweiten Weltkrieges in unterschiedlicher Form Zwangsarbeit leisten mussten.

Zum Teil unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben und zum Teil gewaltsam verschleppt, mussten die sogenannten Fremdarbeiter in Industriebetrieben, in der Landwirtschaft, in Krankenhäusern, in privaten Haushalten, im Wasserwerl, in der Stadtverwaltung und eben auch am Flughafen die Lücken schließen, die die als Wehrmachtssoldaten an der Front kämpfenden Männer oder die im Kriegshilfsdienst eingesetzten Frauen hinterlassen hatten.

Das Lager am Flughafen, der mit Kriegsbeginn zum militärischen Fliegerhorst ausgebaut wurde, war eines von stadtweit 55 Lagern. Von hohen Hecken und einem Stacheldraht umgeben, war das Geheimen Staatspolizei unterstehende und von Polizeibeamten bewachte Lager kein klassisches Zwangsarbeiterlager. Ins Arbeitserziehungslager wies die GESTAPO Menschen ein, die sich als sogenannte „Arbeitsscheue“ und „Bummelanten“ sogenannter „Arbeitsvergehen“schuldig gemacht hatten.

Im Arbeitserziehungslager, in dem Verhältnisse wie in einem Konzentrationslager herrschten, konnten Menschen landen, die zu spät zur Arbeit gekommen waren, zu langsam und zu wenig gearbeitet hatten, ihren Arbeitsplatz zu früh verlassen hatten. Vor allem niederländische Zwangsarbeiter versuchten immer wieder, sich über die nahe Grenze in ihre Heimat abzusetzen. Die meisten von ihnen wurden aber aufgegriffen und landeten dann im Arbeitserziehungslager.

Dort mussten sie bei kargem Essen (Brot und Suppe) täglich zwölf Stunden schwerste körperliche Arbeit leisten. Ab 21 Uhr wurden sie in ihren nur mit einem Ofen beheizten Wohnbaracken eingeschlossen. Weil die sanitären Einrichtungen und damit die hygienischen Verhältnisse mehr als unzureichend waren, brachen im Arbeitserziehungslager immer wieder Krankheiten aus. So wurde das Lager am Flughafen zwischen Oktober 1943 und Januar 1944 wegen eines Fleckfieberausbruchs unter Quarantäne gestellt. Hinzu kamen die Misshandlungen durch das Wachpersonal.

Die Repressalien reichten vom Essensentzug über Tritte und Schläge bis hin zum Nackt-Appellstehen und zur sogenannten Sonderbehandlung. Mit diesem Begriff bezeichnete die GESTAPO Erschießungen. Die Haftzeit im Arbeitserziehungslager war in der Regel auf sechs Wochen beschränkt. Aber nach ihrem Ende wurden viele Gefangene nicht wieder an ihren alten Arbeitsplatz entlassen, sondern in ein Konzentrationslager eingewiesen.

Die Wachmannschaften und Lagerleitungen wurden nach 1945 nicht zur Rechenschaft gezogen. Und es sollte bis zum Jahr 2000 dauern, ehe die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Unternehmen die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft gründeten, aus deren Mittel ehemalige Zwangsarbeiter finanziell entschädigt wurden.

 Ein Zeitzeuge erinnert sich:

Im Mülheimer Jahrbuch 1997 erinnert sich Prof. Dr. Karl Gerhard  Lickfeld an Beobachtungen, die er als Schüler am AEL Flughafen gemacht hatte:

„Auf der Hinfahrt mit der Straßenbahn pflegte ich an der Haltestelle Windmühlenstraße auszusteigen. Als ich an einem sehr kühlen Nachmittag dort ausstieg, befand ich mich schon in der anfänglichen Steigung der Straße hinter einem Lagerinsassen, an dessen rechter Seite ein bewaffneter Polizist schritt. Da hatte ich nun die Bekleidung des Gefangenen dicht vor mir, die um seinen Körper flatterte. Da schlug in seinem Gehrhythmus eine Metallschüssel, an einer um seine Taille geschlungen Kordel befestigt, gegen seinen Körper. Da sah ich dicht vor mir seine nackten Füße in primitiven hölzernen Sandalen ohne Fersen. Kein Wort fiel zwischen den Männern. In der Nähe des Lagers trennten sich unsere Wege. Die Häftlinge schufteten im Südwestbereich des Flughafens. Ganz offensichtlich ging es bei den rein manuellen Erdarbeiten darum, das Niveau des gewachsenen Geländes dort auf das Niveau des Bereiches dort befindlichen Flughafens zu erhöhen. Von Hand mit braunem Erdreich gefüllte Lorent wurden von Hand zum Abladeplatz geschoben. An einem unvergesslichen Tag sah und beobachtete ich auf dem Weg zur Haltestelle der Straßenbahn im Gelände der Erdarbeiten eine Häftlingsgruppe von etwa 10 bis 15 Männern, die zuschauten, gewiss wohl zuschauen mussten, wie ein sich in ihrer Mitte befindlicher Leidensgefährte von einem uniformierten Bewacher mit einem Knüppel zusammengeschlagen wurde, offensichtlich mit voller Kraft und kräftig Schwung nehmend. Die Hiebe, die auch auf den Schädelbereich zielten, strecken das Opfer zu Boden. Dieses für den nationalsozialistischen Polizeistaat typische symbolhafte Erlebnis hat mich völlig aus dem seelischen Gleichgewicht geworfen. Heute noch ist es ein unauslöschliches hervorstechendes Bild des Schreckens, neben manchen anderen, die Zukunft damals für mich bereithielt.“


aus NRZ/WAZ, 13.05.2021

Montag, 24. Mai 2021

Seelsorge in Krisenzeiten

 "Wo ist denn die Kirche?" fragt Superintendent Gerald Hillebrand mit Blick auf die Corona-Krise. Eine Antwort liefert er gleich selbst. "Dass, was wir als Evangelische Kirche in der Seelsorge und in der sozialen Beratung für Menschen in Not leisten, haben wir auch in den letzten 14 Monaten, für die Öffentlichkeit unsichtbar, getan!"

Doch jetzt nahmen sich Seelsorgerinnen aus dem Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr einmal die Zeit, um in einem Pressegespräch das breite Spektrum der kirchlichen Seelsorge zu beleuchten.

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht

In den Berichten der hauptamtlichen Seelsorger wurde deutlich, dass auch die Seelsorge nicht ohne das ehrenamtliche Engagement funktioniert. Besonders eindrucksvoll: Allein in der Ökumenischen Telefonseelsorge engagieren sich aktuell 130 Ehrenamtliche. Der hauptamtliche Leiter der Telefonseelsorge, Olaf Meier, hat auch in der Corona-Pandemie keine Probleme, alle Schichten zu besetzen. So konnten die haupt- und ehrenamtlichen Telefonseelsorger auch den um zehn Prozent angewachsenen Gesprächsbedarf decken. "Was mache ich, wenn ich Corona-positiv bin? Wie komme ich möglichst schnell an eine Impfung? Und was mache ich gegen meine Einsamkeit und den Corona-Blues, wenn mir zuhause die Decke auf den Kopf fällt", zählt Olaf Meier zentrale Fragen auf, die in den etwa 50 Gesprächen thematisiert werden, die die Telefonseelsorge täglich erreichen.

Klaudia Schmalenbach, Seelsorgerin im Evangelischen Krankenhaus, "Wir haben in der Corona-Krise, zum Beispiel über das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) sogar noch weitere ehrenamtliche Mitarbeitende gewonnen, zum Beispiel Studenten oder Berufstätige, die aufgrund des  eingeschränkten Lehrbetriebs oder durch Homeoffice und Kurzarbeit plötzlich mehr Zeit hatten und etwas sinnvolles tun wollten, in dem sie anderen Menschen helfen." Besonders beeindruckt zeigte sich Schmalenbach von den etwa 20 Ehrenamtlichen, die sich zusätzlich in psychologischer Gesprächsführung schulen ließen, um Ärzte, Pflegekräfte, Patienten und Angehörige nach belastenden Erfahrungen des Corona-geprägten Krankenhausalltags durch ein professionelles Gespräch entlasten zu können. Eine zentrale Stütze für das Evangelische Krankenhaus waren die ehrenamtlichen Kollegen auch im sogenannten Besuchermanagement, dass in der Empfangshalle Besucher und Patienten in dir richtigen Bahnen lenkte. "Auch in der Corona-Pandemie musste niemand bei uns alleine sterben", betont Schmalenbach. Und sie berichtet davon, dass alte und neue Ehrenamtliche "das Gefühl, gebraucht zu werden und Menschen in Not helfen zu können."

Telefonseelsorger Olaf Meier berichtet vergleichbare Erfahrungen: "Die Kirchen haben als Seelsorger eine Chance, wenn sich das in der Krise bei vielen Menschen gewachsene Bewusstsein, dass es im Leben wichtigeres, als den nächsten Urlaub auch nach der Überwindung der Corona-Pandemie fortsetzen und erhalten sollte."

"Wir haben dazu gelernt!"

Für Superintendent Gerald Hillebrand steht nach zahlreichen neuen Angeboten der digitalen und analogen Beratung und Begegnung fest: "Wir haben durch die Corona-Krise dazu gelernt und unsere Seelsorge überprüft. Wir haben neue Formen der Ansprache entdeckt, mit der wir Menschen erreichen konnten, die wir bisher nicht erreicht haben."

Gespräche im Hausflur. Gespräche am Gartenzaun oder am Balkon. Ein "Sommerfest mit Leckereien in der Tüte", Einkaufshilfen, Rundbriefe, Rundmails, Telefonanrufe und Spaziergänge mit Schutzmaske und 1:1-Seelsorge. "Wir haben durch die Pandemie gelernt, flexibler zu agieren, mehr miteinander zu kommunizieren und mehr miteinander anzupacken", findet Pfarrerin Michaela Langfeld aus der Gemeinde Speldorf, einer von sieben Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr, zu dem aktuell 42.700 evangelische Christen gehören.

Neu war auch für Volker Rohse und seine Kolleginnen der Evangelischen Lebensberatungsstelle am Hagdorn, "dass wir unsere Beratungsarbeit mithilfe von Chats, Telefongesprächen und Videokonferenzen aufrechterhalten konnten." Immer wieder machte Rose die Erfahrung, dass auch die Online-Beratung in der Lage war, Klienten "seelisch zu stabilisieren, ihnen Perspektiven aufzuzeigen und ihren Blick Ressourcen-orientiert und damit wohltuend und entspannend darauf zu richten, was sie in und trotz  der Krise nicht nur im Homeoffice und beim Home-Schooling alles geschafft und gut gemacht hatten."

Hilfe für die Ärmsten

Andrea Krause, die die an der Auerstraße ansässigen Gefährdetenhilfe des Diakonischen Werks leitet, lenkte den Blick auf die wohnungslosen Menschen, denen es schon vor der Corona-Krise schlecht und nach dem Beginn der Pandemie noch schlechter ging, auch deshalb, weil viele Behörden Corona-bedingt geschlossen blieben. Umso wichtiger war es für Krause und ihre Kollegen, ihre niederschwellige und zum Teil aufsuchende Sozialarbeit, unter Einhaltung der Corona-Schutz-Regeln aufrechtzuerhalten. So konnten die Wohnungslosen auch während der Pandemie im Diakonie-Haus an der Auerstraße sich und ihre Wäsche waschen, Gespräche und Beratung finden, Lebensmittel bekommen, kostenfrei mit Corona-Schutzmasken und Hygiene-Artikeln, auf Corona getestet oder sogar gegen Corona geimpft werden. Außerdem richtete die ambulante Gefährdetenhilfe in Zusammenarbeit mit der Wohnungsfachstelle der Stadt eine Quarantänewohnung für Corona-positiv-getstete Wohnungslose ein.

aus der Mülheimer Woche, 19.05.2021

Sonntag, 23. Mai 2021

Klassik für Kinder

 Nach einer Corona-bedingten Zwangspause gehen die Dinslakener Kinderkonzerte wieder an den Start. Gabriele Tackenberg, Vorsitzende des gleichnamigen Trägervereins stellte jetzt zusammen mit der Orchestermusikerin Imke Alers und dem Leiter der Dinslakener Musikschule e.V., Sebastian Rakow, die geplanten Konzertprojekte für die Spielzeit 2021/2022 vor.

Seit 2017 bringt  der Verein Kindern in moderierten und bewegten Mitmach-Konzerten die klassische Musik nahe. Neben den Musikern und Sängern machen das Sponsoren, wie die Volksbank Rhein-Lippe und deren Stiftung Kreaktiv, die RAG Stiftung, der Lions-Club Dinslaken, die Firma Foto Wolff, der Dinslakener Filmclub, die Stadtwerke Dinslaken, das Lohberger Kultur- und Wirtschaftszentrum Ledigenheim, die Firma Foto Wolff  möglich.

Ab Juni gehen auch die sogenannten Hofkonzerte des Vereins wieder an den Start. Sie finden jeweils vormittags auf den Schulhöfen Dinslakener Grundschulen statt. Bei diesen Konzerten geht es nicht nur um das Zu hören, sondern auch um das Mitmachen. Hier bewegt die klassische Musik der Nachwuchs im wahrsten Sinne des Wortes. Neben den kurzweiligen Schulhofkonzerten plant der Verein auch wieder große Konzerte. die jeweils mit einem Schülerworkshop verbunden sind. Es handelt sich dabei um 45-minütige moderierte Konzerte, die immer wieder samstags jeweils um 11:00 Uhr am 29. Mai 2021, am 20. November 2021, am 19. März 2022 und am 21. Mai 2022 in der Ernst Barlach Grundschule Gesamtschule oder in der in der Kathrin-Türks Halle über die Bühne gehen. Die sinkenden infektionszahlen und der Fortschritt der impfkampagne machen Gabriele Tackenberg und ihrer musikalischen Mitstreiter zuversichtlich, dass die Dinslakener Kinder-Konzerte an den Erfolg der Vor-Corona-Jahre anschließen können. „Wichtig ist uns, dass wir auch jenen Kindern die klassische Musik näherbringen, die nicht in einem kultur- und bildungsnahen Elternhaus aufwachsen“, betonen Alers und Tackenberg. Dass der kleine, aber aktive Verein, der gerade mal rund 30 Mitglieder zählt, auf Sponsoren angewiesen ist, macht Imke Alers mit dem Hinweis deutlich, dass sich die Sach- und Personalkosten für die Kinderkonzerte und die ihnen vorausgehenden Schülerworkshops auf jeweils  4000 bis 5000 Euro summieren. In diesem Jahr hat der Verein auch Fördermittel aus dem Kulturfonds der Stadt Dinslaken beantragt. Eine Entscheidung steht aber noch aus.

 Auf dem Programm der jahreszeitlich gestalteten Konzerte stehen diesmal unter anderem Kompositionen von Ludwig van Beethoven, Antonio Vivaldi und Jean-Baptiste Abrang. Der Konzert-Eintritt ist wie immer kostenfrei. Aber die Karten müssen aus organisatorischen Gründen vorab bei der Dinslakener Stadtinformation am Rittertor unter der Rufnummer 02064-66231 bestellt werden. An den Kinderkonzerten der jetzt anlaufenden Spielzeit 2021/2022 wirken mit: das vom Musikschulleiter Sebastian Rakow dirigierte Kammerorchester Dinslaken, die Oboistin Imke Alters, die Violinistin Karin Nakayama, der Trompeter Jan Drees, das Bläser-Quintett der Dinslakener Musikschule  und der von Kinderkonzert-Moderator Thorsten Baumann geleitete Shanty-Chor Hiesfeld. Mehr Informationen findet man im Internet unter: www.dinslakener-kinderkonzerte.de


Niederrheinanzeiger, 23.05.2021

Samstag, 22. Mai 2021

Mülheimer Blick auf den Nahen Osten

 Wieder Krieg im Nahen Osten. Wie bewegt und berührt der aktuelle Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern Mülheimer, die als Christen, Juden und Muslime in Mülheim und als Akteure der internationalen Friedens- und Versöhnungsarbeit aktiv. Mülheim hat mit Kfar Saba (seit 1993) eine Partnerstadt, die nördlich von Tel Aviv und unmittelbar an der Grenze zum vom palästinensisch verwalteten Westjordanland liegt.

Der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen, Alexander Drehmann sagt angesichts der aktuellen Krise: „Die Sicherheitsmaßnahmen am Gemeindezentrum sind verstärkt worden. Wir haben glücklicherweise sehr gute Beziehungen zur örtlichen Polizei. Wir haben keine Angst. Aber die Gefühlslage ist schon bescheiden. Ich ärgere mich sehr darüber, dass der Nahost-Konflikt, der mit Deutschland nichts zu tun hat, durch Demonstranten, die zum Teil aus dem Ausland kommen nach Deutschland importiert wird. Wer sein Gastrecht auf diese Weise missbraucht, sollte konsequent bestraft und abgeschoben werden.“

Der Fotograf Heiner Schmitz hat gute Kontakte in die israelische Partnerstadt Kfar Saba und deren palästinensische Nachbargemeinde Qalqilya im Westjordanland. Zurzeit bereitet er mit Künstle- Kollegen eine Ausstellung in Kfar Saba vor die er im Dezember 2021 auch vor Ort besuchen möchte. Er engagiert sich in einem deutsch-palästinensischen Arbeitskreis, der auch Qalqilya in die Städtepartnerschaft mit Mülheim einbeziehen und so den Frieden fördern möchte. Zuletzt hat Schmitz humanitäre Hilfe für eine palästinensische Familie im Westjordanland organisiert, die Opfer eines israelischen Übergriffs geworden war. Er sagt: „Die Situation ist grauenvoll. Man weiß nicht, wo man anfangen soll. Die palästinensischen Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung sind völlig inakzeptabel. Aber man muss sehen, was dem vorausgegangen ist. Die Palästinenser leben perspektivlos und eingesperrt seit 54 Jahren unter israelischer Bestatzung im eigenen Land. Ich habe selbst erlebt, wie schlecht Palästinenser an den verschiedenen Checkpoints behandelt werden. Frieden im Nahen Osten kann es nur geben, wenn sich beide Seiten gleichwertige Lebensverhältnisse und Rechte zugestehen und junge Israelis wie junge Palästinenser eine echte Perspektive für ihr Leben bekommen. Das Problem ist die Besatzung, die völkerrechtswidrige Besiedlung und es sind die Radikalen auf beiden Seiten, die mit Gewalt immer neue Gegengewalt provozieren. Das löst den Konflikt nicht, sondern heizt ihn nur an.“

 

Hasan Tuncer ist Alevit. Der ehemalige Gemeindevorsitzende ist inzwischen Vorsitzender des Integrationsrates. Er betont: „ Man kann Die Politik der Regierung Israels sehr wohl kritisieren. Damit habe ich kein Problem. Allerdings ist der Nahost Konflikt so komplex, dass ich mir kein abschließendes Urteil darüber erlaube. Was aber in unserem Land überhaupt nicht geht ist der pure Judenhass, der jetzt bei einigen Demonstrationen gezeigt und ausgelebt worden ist. Da müssen wir in Deutschland besonders sensibel sein. Da muss der Staatsschutz gegen alle Verantwortlichen ermitteln. Ich war erschrocken, dort auch junge Demonstranten zu sehen die antisemitischen Parolen riefen, obwohl sie es besser wissen müssten, da sie doch in Deutschland die Schule besuchen. Da gibt es, wo noch Nachholbedarf, vor allem bei den Jugendlichen, die vielleicht in einem arabischen Umfeld sozialisiert, worden sind in denen dem Antisemitismus aus politischen Gründen zumindest weit verbreitet ist. Man darf auch nicht vergessen, dass die im Gaza-Streifen regierende Hamas eine Terrororganisation ist.  Wir müssen jüdisches Leben in Deutschland schützen! Frieden braucht Kommunikation und keine Waffen.“

Tuncers Stellvertreterin im Vorsitz des Integrationsrates, Medlina Al Ashouri stammt aus einer palästinensischen Familie. Für sie stellt sich der aktuelle Konflikt so da: „Sich gegen die Palästinapolitik Israels zu äußern, welcher Vertreibungen, illegalen Siedlungsbau und Unterdrückung an Palästinenser:innen ausübt, ist kein Antisemitismus. Sich gegen Juden zu äußern allerdings schon. Sidenote: Human rights watch hat Israel der Apartheid bezichtigt. Der Vorwurf von Antisemitismus, genauer gesagt Judenhass, fungiert eher als Hindernis konstruktiv und offen eine Diskussion führen zu können. Der aktuelle Begriff des "eingewanderten Antisemitismus" ist gefährlich, da er nicht nur das Problem des jahrelangen Judenhasses und der Diskriminierung in Deutschland auf Neueingewanderte verschieben kann, sondern weil das auch wiederum muslimischen Hass fördert. Anti muslimischer Rassismus ist weltweit ein Problem, wo noch keinerlei Sensibilität herrscht.  Die teilweise einseiten Berichterstattungen in den Medien befeuern diesen nur. Es gab beispielsweise keinerlei Berichte über die überwiegend friedlich verlaufenden Demonstrationen in Deutschland und weltweit. Stattdessen gibt es große Diskussionen über einevkleine Minderheiten unter den Demonstrantinnen, die sich Judenfeindlich geäußert haben.“

Hier möchte ich darauf aufmerksam machen, dass nicht nur Angehörige der muslimischen Community an Demonstrationen teilgenommen haben, sondern durchaus auch diese der jüdischen und christlichen Community. In Israel gibt es ebenso starke Spaltungen, da viele die herrschende Politik nicht unterstützen.
Ich möchte an die Menschen appellieren auf Pauschalisierungen zu verzichten. Sowohl bezüglich Juden als auch Muslimen. Historisch gesehen solidarisiert sich Deutschland natürlich verpflichtend dem Staat Israel. Doch es darf nicht zugelassen werden, dass das Verbrechen an Palästinenser:innen unterstützt und vertuscht wird. Es gab beispielsweise in den deutschen Medien keinerlei Informationen über die Anschläge auf die Al-Aqsa Moschee in Jerusalem am Ende des Fastenmonats Ramadan. Wo betende Menschen eingesperrt wurden und mit Granaten abgeworfen wurden. Das war die Antwort Israels auf die Demonstrationen gegen die Vertreibung der Familien aus deren Häusern in Sheikh Jarrah.

 

Peter Wolfmeyer leitet das Kompetenzteam Kfar Saba im Förderverein Mülheimer Städtepartnerschaften. Er hat aus der Partnerstadt, die durch eine Mauer von der palästinensischen Nachbargemeinde Qalqilya  getrennt ist, erfahren, dass man auch dort aufgrund von Raketenalarm Schutzräume aufsuchen musste. „Das ist nicht der erste Konflikt dieser Art, den wir miterleben müssen und der unsere für Oktober geplante Bürgerfahrt nach Kfar Saba infrage stellt. Aber noch hoffe ich, dass der Konflikt bis dahin wieder entschärft werden kann. In Kfar Saba hat man nicht von  ungefähr eine Mauer errichtet, weil man dort nicht zum ersten Mal mit der Bedrohung durch palästinensische Angriffe leben muss. Ich erinnere mich noch gut an einen Jugendaustausch, den wir als Förderverein 1999 mit Jugendlichen aus Mülheim, Kfar Saba und Qalqilya  durchgeführt haben. Das war eine großartige Sache. Der palästinensische Bürgermeister von Qalqilya hat damals auch seinen Sohn mit nach Mülheim geschockt. Leider war man damals im Rathaus von Kfar Saba an der Fortsetzung solcher Begegnungen nicht interessiert.“ Wolfmeyers Vorgänger, als Kompetenzteamleiter Kfar Saba, der evangelische Religionspädagoge Gerhard Bennertz, bedauert die Tatsache, „dass dieser aktuelle Konflikt völlig unnötig aus nichtigen Gründen begonnen worden ist. Ein Funke, der das Pulverfass explodieren ließ war der Streit zwischen jüdischen und arabische Israel um ihr Wohnrecht in Häusern im Grenzbereich zwischen West- und Ost-Jerusalem.“

Der vormalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Mülheimer Ehrenbürger, Jaques Marx, der zur Generation der Holocaust-Überlebenden gehört, sagt: „Das ist eine furchtbare Situation für uns Juden. Tatsache ist, dass wir unschuldig sind und nichts dafürkönnen, dass in Israel Krieg ist. Krieg ist eine schlimme Sache. Ich bin Mülheimer mit einem deutschen und einem französischen Pass. Wir bringen als jüdische Bürger in Deutschland unsere Leistung und wollen dafür toleriert werden. Ich möchte in den Nahost-Konflikt  nicht hineingezogen werden. Ich bin Europäer. Aber ich möchte mich auf die Seite Israels stellen. Ich tue dies nicht, weil Israel mein Land ist, sondern weil ich ein vernünftig denkender Mensch bin. Denn das, was die Hamas und die Hisbollah wollen, ist für mich einfach nicht logisch und macht keinen Sinn. Sie haben 1000de von Raketen. Woher kommen die? Die Israelis haben einen großartigen Staat aufgebaut und das neiden ihnen Manche. Sie provozieren, weil sie besser sind. Auch den Palästinensern, die in Israel leben geht es besser. Sie haben dort auch ihre eigene Partei, sind aber, zugegeben, gesellschaftlich nicht ganz gleichberechtigt.“

Die unter anderem im Mülheimer Friedensforum und für das Mülheimer Friedensgebet  engagierte Angelika Romeik, ist unmittelbar vom Krieg im Nahen Osten betroffen. Denn ihre Tochter lebt mit ihrem palästinensischen Ehemann und den gemeinsamen sechs Kindern seit 2011 im Gazastreifen lebt. Sie hält via Telefon und Internetkontakt zu ihrer Familie im Kriegsgebiet. Sie sieht den Konflikt so: „Man darf nicht vergessen, dass auch den Palästinensern 1947 von den Vereinten Nationen ein eigener Staat im Nahen Osten versprochen worden ist. Und man darf auch nicht glauben, dass alle Einwohner des Gazastreifens Anhänger der Hamas sind. Ich habe dort viele Menschen kennengelernt, die wissen, dass dieser Konflikt nur gewaltfrei und doch Gerechtigkeit für alle Menschen zu beenden ist. Doch die anderen werden immer lauter und uns fehlen zurzeit die Machthaber, die daran interessiert wären. Das hat auch viel mit  den wirtschaftlichen Interessen des internationalen Waffenhandels zu tun. Wir hören von unseren Kindern, dass  sie nachts nicht schlafen können, weil die Erde bebt und wackelt. Wasser und Strom sind rationiert. Die Fensterscheiben zerbrechen durch die Druckwellen der Luftangriffe. Unsere Kinder und ihre Nachbarn können nicht vor der Gefahr fliehen, morgen nicht mehr wach zu werden. Sie haben keinen sicheren Ort. Sie wissen nicht, wo die nächste Bombe einschlägt. Es gibt keine Bunker und die UNO-Schulen sind überfüllt, weil viele Häuser unter den Bomben zusammenbrechen und die Menschen obdachlos sind.“

Dr. Yousef Ribhi, Vizepräsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft meint: „Der Konflikt ist bedauerlicherweise eskaliert. Und ich fürchte, dass er weiter eskalieren wird. Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf Israel ausüben, um diesen Krieg zu beenden. Die Haltung der deutschen Regierung ist in diesem Konflikt sehr passiv. Sie kann nicht nur das Selbstverteidigungsrecht Israels unterstützen. Sie muss auch das Recht der Palästinenser unterstützen, in Frieden und Gerechtigkeit zu leben.“ Und Bürgermeister Markus Püll, der als Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft schon mehrfach Schülergruppen durch Israel begleitet hat, resümiert: „Es ist traurig, dass der Nahostkonflikt jetzt wieder eskaliert ist und so viele Menschen ihr Leben verlieren. Dieser Konflikt wäre nur zu beenden, wenn beide Seiten ein Stück ihrer Identität aufgeben. Aber dazu wird es nicht kommen, wenn Extremisten auf beiden Seiten auf ihren Maximalforderungen bestehen. Man kann nur Shalom sagen und auf Frieden und Vernunft hoffen.“ (T.E.)

Hintergrund: Christlich-Muslimischer Aufruf:

„Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Geschwister“

 

Christliche und islamische Gemeinden in Mülheim an der Ruhr setzen sich für das friedliche Miteinander ein

Gemeinsam veröffentlichen das Katholische Stadtdekanat Mülheim, der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr, die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Mülheim, die Christusgemeinde Mülheim, die Gemeinde Mülheim der neuapostolischen Kirche und die Moschee Arrahma e.V. folgende Stellungnahme:

Mit Schrecken erfahren wir von den antisemitischen Vorkommnissen der letzten Tage. Geschehnisse wie zuletzt an den Synagogen in Gelsenkirchen, Bochum, Bonn oder Münster sind für uns nicht hinnehmbar. Wir können es gut verstehen, wenn Jüdinnen und Juden in diesen Tagen verängstigt sind. Ihnen wurde das Gefühl genommen, sich unbeschwert in der Stadt zu bewegen und die Synagoge zu besuchen. Das darf nicht sein. Daher stehen wir ganz besonders jetzt an der Seite unserer jüdischen Geschwister.

Als Religionsgemeinschaften, die Frieden als zentralen Wert ihrer jeweiligen Traditionen in höchstem Maße schätzen, sagen wir in aller Klarheit: Antisemitismus ist nicht zu dulden, Hetze - ganz gleich gegen welche Religion - hat keinen Platz in unseren Gotteshäusern und in unserer Gesellschaft.

Wir werden nicht aufhören, jedem zu widersprechen, der versucht, Hass zu sähen und unser Miteinander zu spalten. Wir stehen als Religionsgemeinschaften zusammen ein für friedlichen Dialog.


aus NRZ/WAZ, 20.05.2021

Donnerstag, 20. Mai 2021

Gastronomie macht glücklich

Gastronomie macht glücklich. Das konnte man am Samstag zum Beispiel bei einer „Kneipentour“ durch die Innenstadt erleben.

Weil Mülheims Corona-Inzidenzwert inzwischen unter 100 gefallen ist, durften die örtlichen Gastronomen nicht nur in der Stadtmitte. Ihre Außen-Bewirtung wieder eröffnen. Das war seit der Verhängung des zweiten Lockdowns am 1. November 2020 nicht mehr möglich gewesen.

Allerdings stellten nicht alle Gastronomen Tische und Stühle hinaus. Viele beließen es vorerst beim Außer-Haus-Verkauf und beim schriftlichen Hinweis auf ihren Abhol- und Lieferservice. Grund dafür war offensichtlich die ungünstige Wetterprognose. Der westdeutsche Wetterdienst hatte für den Samstag 80 bis 90 Prozent Regenwahrscheinlichkeit vorausgesagt. Aber die Gastronomen, die sich trotzdem trauten und ihren Gästen einen Platz mit Speis und Trank unter großen Regenschirmen oder, ganz mutig, unter freiem Himmel anboten, wurden für ihr Engagement nicht nur finanziell, sondern auch emotional belohnt.

Was auffiel, war der große Anteil von  auswärtigen Gästen, die zum Beispiel aus Essen, Düsseldorf, Krefeld und Gelsenkirchen einpendelten, um sich nach Monaten des Corona-bedingten „Hausarrestes“ wie einmal Kaffee, Bier, Pizza, Salat, Nudeln, Eis, Kuchen oder andere Leckerbissen aus der kalten und warmen Küche in geselliger Frischluftrunde munden zu lassen.

Nicht nur Rejsh Luthra, Inhaber des Cafés Leonardo (Schloßstraße) hatte weise und wetterfest mit großformatigen und standfesten Regenschirmen allen Regenschauern und Windstößen vorgesorgt. Außerdem wies eine Infotafel die Gäste darauf hin: „Wir können euch nur platzieren, wenn ihr getestet, vollständig geimpft oder genesen seid!“

Und so verging seinen Gästen ihre gute Laune auch nicht, als es um die Mittagszeit kräftig schauerte.

Gäste und Gastronomen, die von der Redaktion am Samstagmittag und am Samstagabend befragt und fotografiert wurden, zeigten sich ausgesprochen entspannt und verströmten etwas von der in Corona-Zeiten vergessenen Leichtigkeit des Seins. Bei den Tischgesprächen zwischen den Gängen ließ sich Lebensfreude spüren und tanken.

Einige O-Töne mögen den besonderen Geschmack dieses außergewöhnlichen Samstags (15. Mai) verdeutlichen, einem Tag, der verregnet und doch voller Sonnenschein und Licht am Ende des Corona-Tunnels war.

Stimmen aus der Gastronomie: Anke Großenbeck (Stadtcafé Sander): „Heute haben wir noch keine Tische und Stühle rausgestellt, weil wir nur eine Markise als Überdachung haben. Aber sobald es wieder etwas wärmer ist, freuen wir uns darauf, unsere Gäste auch auf dem Kohlenkamp wieder bedienen zu können. Wir sind froh, dass unsere Kunden uns auch in der Corona-Krise treugeblieben sind und wir so weitermachen konnten.“

 Donnerstag mit meinem Team gesprochen. Und wir haben uns gesagt: ‚Wir machen auf, egal, wie das Wetter wird und egal, ob sich das finanziell lohnt. Denn wir wollten unseren Gästen ein Zeichen der Hoffnung geben und ihnen signalisieren. Wir sind da. Wir machen weiter. Wir sind nicht faul und freuen uns auf euch.“

Guiseppe Santo (Café Mocca Nova): „Ich habe für meine Gäste aufgemacht, auch wenn das Wetter leider nicht mitspielt. Sicher wird jetzt aufgrund der Impfungen in der Gastronomie etwas passieren. Mal sehen, wie es weiter geht.“

René und Marco Lomonaco (Pizzeria Carmelo): „Das ist ein Traum. Wir können wieder unsere Gäste bedienen und das normale Leben fängt wieder an.“

Martha Gomes und Gianfranco Pasca (Eiscafé Italia): „Die vergangenen Monate waren eine schwere Zeit für uns. Aber jetzt sind wir froh, dass wir unseren Gästen wieder Eis, Kaffee und Cappuccinos servieren können!“

Ludmilla Schönmeier (Schloss Treff): „Viele Gäste wussten noch gar nicht, dass wir wieder aufmachen konnten und dass sie einen negativen Corona-Test oder eine vollständige Corona-Impfung brauchten, um bei uns bedient zu werden. Jetzt kehrt hoffentlich wieder Normalität und Zufriedenheit ein!“

Und was sagten die Gäste? „Wir haben uns ganz kurzfristig am Vatertag im Café Leonardo an der Schloßstraße verabredet und uns einen Platz reserviert. Hier kennt man mit Namen und das Personal ist einfach großartig“, schwärmte das Quartett Ulrich Dörr, Filip Fischer, Christel Llorca und Jasmin Bromberg.

Ihre Tischnachbarinnen Janice Owen-Aghedo und Jessica Figura sagten: „Endlich können wir mal wieder unter Menschen sein und zusammen einen Kaffee trinken. Was vor Corona für uns eine selbstverständliche Kleinigkeit war, ist jetzt etwas Besonderes für uns. Und wir wollen auch das Team vom Café Leonardo mit unserem Besuch unterstützen, auch wenn das Wetter heute nicht so sonnig ist.“

Aliza und Sebastian Skupin, die sich ihren Kaffee zusammen mit Sohnemann Ben im Café Mocca Nova am Löhberg schmecken ließen, meinten: „Wir mussten heute einfach raus. Das fühlt sich für uns wie Urlaub an. Das haben wir wirklich vermisst!“

Und vor dem nahegelegen Schlosstreff ließen sich Petra und Rolf Strupais  ihr frisch gezapftes Bierchen schmecken. „Wir sind beide geimpft und können jetzt hier draußen ganz locker unser Bier genießen und unter freundlichen Menschen sein. Wir werden hier von Ludmilla („LuLa“) Schönmeier immer so nett  bedient und das Bier ist nirgendwo preiswerter. Und das fühlt sich einfach gut und ganz anders an, als wenn wir zuhause ein Bierchen trinken.“

Katharina Haarmann und Iolanda Din, die sich im Café Perfetto am Kohlenkamp ihren Frischluft-Imbiss zur Mittagszeit munden ließen, fanden: „Endlich können wir uns mal wieder draußen im Café treffen und müssen nicht zuhause allein unseren Kaffee trinken. Das wir jetzt lange genug gemacht. Und bevor sich Erika Halfar, ihre Enkelin Laura Sweid und deren Mann Daniel auf der Terrasse der Mausefall mit Blick auf die Altstadt ihre Abendessen schmecken ließen, diktierten sie dem Reporter in seinen Notizblock: „Das fühlt sich hier wunderbar an, wie ein Kurzurlaub vom Alltag!“ Und die vorschriftsgemäß auf Sicherheitsabstand platzierten Tischnachbarn Melanie Schott, Anne-Kathrin Roedel und Thomas Höcker. „Endlich können wir uns mal wieder in geselliger Runde in der Mausefalle zum Abendessen treffen. Jetzt kommen wir mal wieder unter Leute, nach dem wir lange genug zuhause auf unserem Sofa gesessen haben.“ Nicht weit entfernt von der Mausefalle im Torbogen der Altstadt genossen Sybille Wiedemann und Rolf Schönsohn bei Carmelo am Hagdorn ihre Pizza-Connection: „Das ist einfach super. Gutes Essen, gute Gespräche und mal wieder bedient werden“, gaben sie zu Protokoll. Und ihre Tischnachbarn Birgit Czepan und Frank Fromann waren sich einig: „Mal wieder unterwegs sein und Freunde treffen. Diese Normalität haben wir so lange vermisst.“ 


 aus NRZ/WAZ, 17.05.2021

Mittwoch, 19. Mai 2021

Kampf gegen Corona

 Moderiert vom Notfall-Pädagogen Prof. Dr. Harald Karutz, der als ständiges Mitglied des kommunalen Krisenstabes mit Merit Tinla das psychosoziale Krisenmanagement der Stadt koordiniert, hat ein Runder Tisch am 5. Mai über die Weiterentwicklung der lokalen Anti-Corona-Strategie beraten.

Mit am Runden Tisch saßen unter anderem der Leiter des kommunalen Krisenstabes, Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort, Oberbürgermeister Marc Buchholz, Gilberte Raymond-Driesen vom Integrationsrat, Dr. Sonja Clausen vom Kommunalen Integrationszentrum, Awo-Geschätzführerin Michaela Rosenbaum als Sprecherin der Sozialverbände, der Leiter der städtischen Online-Redaktion, Thomas Nienhaus sowie Vertreter des Gesundheitsamtes, des Sozialamtes und von Zuwanderer-Organisationen und sozialen Nachbarschaftsnetzwerken.

Gut vorbereitet

Steinfort und Raymonde-Driesen lobten nach dem Treffen die gute Vorbereitung aller Teilnehmer und die lösungsorientierte und wertschätzende Atmosphäre des Treffens. Ausdrücklich bedauerte Steinfort, dass der Stadt zurzeit ein koordinierender Sozialdezernent fehle. "Eine wichtige Rolle wird das kommunale Integrationszentrum spielen. Dort laufen viele Fäden zusammen," sagte Steinfort mit Blick auf die vom Runden Tisch angeregten Krisenbewältigungsmaßnahmen, die jetzt in Projekten gebündelt und anschließen priorisiert werden müssen. Ein verantwortliche Koordinierungsstelle muss aber noch gefunden werden. Als weitere Problemfelder benannte der Runde Tisch, die vor allem unter jüngeren Menschen weit verbreitete Impfskepsis und die fehlenden finanziellen Ressourcen der Stadt. Vor allem für die notwendigen Maßnahmen für eine verstärkte Internet-Kommunikation müsse die Online-Redaktion kurzfristig personell verstärkt werden. Weil der Stadt aber das Geld für Neueinstellungen fehlt, müssten dafür Mitarbeiter aus anderen Verwaltungsbereichen für die Sonderaufgabe vorübergehend abgezogen werden. Hintergrund: Die Stadtverwaltung hat zurzeit 3200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus finanziellen Gründen hat die Stadt in den vergangenen Jahren 20 Prozent der durch Pensionierung freigewordenen Stellen nicht neu besetzt, was zu einer Arbeitsverdichtung in den städtischen Ämtern geführt hat.

Zahlreiche Vorschläge

Konkret vorgeschlagen wurden folgende Maßnahmen, um die Infektionszahlen zu senken und die Impfbereitschaft zu steigern: 

1. Kinder in Kitas und Grundschulen soll als Gesundheitsbotschafter aktiviert werden.

2. Ehrenamtliche aus der Nachbarschaftsarbeit sollen als Corona-Coaches bei der Suche nach Impfterminen helfen.

3. Multiplikatoren sollen in den Stadtteilen unterwegs sein und in 1:1-Gesprächen, nach Möglichkeit auch mehrsprachig Überzeugungsarbeit leisten.

4. In Moscheen sollen Displays aufgestellt werden, um wichtige Informationen mehrsprachig in Videoform weiterzugeben.

5. In Moscheen oder in den Räumen der Sozialverbände sollen niederschwellige Impftermine stattfinden.

6. Mehrsprachige Ärzte sollen an den Wochenenden an Informationsständen in den Stadtteilen mit hoher Inzidenz Überzeugungsarbeit leisten und so die Impfakzeptanz erhöhen.

7. Die verschiedenen Informationsquellen, wie etwa mehrsprachige Informationen, sollen für soziale Medien aufbereitet werden.

8. Vereine und Institutionen sollen gebeten werden, diese Informationen direkt auf den eigenen Kanälen zu verbreiten.

9. Mehrsprachige Teams von Ehrenamtlichen sollen in den Stadtteilen für die Einhaltung der Corona-Regeln werben und diese zu erklären.

10. Es soll ein mobiles Aufklären mit dem Schwerpunkt „Impfung“ geben.

11. Andere Plattformen als die Internetseiten der Stadt sollen im Internet für die Corona-Krisen-Kommunikation genutzt werden. Gedacht ist dabei zum Beispiel an die Internetseiten von Schulen, Vereinen, Supermärkten und Unternehmen.

12. Bekannte Personen aus Vereinen, Vereinsvorsitzende, Ärzte und Imame sollen als Vertrauenspersonen in Videos Überzeugungsarbeit leisten.

13. Informationsmaterial und Kurzvideos in verschiedenen Sprachen zur Aufklärung über die Folgen von Corona und über die Risiken und Nebenwirkungen von Impfungen sollen stadtweit verbreitet werden.

und:

15. Auch mithilfe einer Mülheimer Corona-App in mehreren Sprachen will der kommunale Krisenstab Corona-relevante Informationen schneller in die verschiedenen Gruppen, Organisationen und Gemeinschaften der Stadtgesellschaft hineintragen.

Der Moderator des Runden Tisches, Harald Karutz, teilte auf Nachfrage mit, dass er zusammen mit seiner Kollegin Merit Tinla seit Herbst 2020 zehn ehrenamtliche Corona-Coaches als Multiplikatoren ausgebildet habe. Darunter seien zurzeit aber noch keine Mülheimer mit einer Zuwanderungsgeschichte. Wer sich als Corona-Coach ausbilden lassen will, kann sich per E-Mail an das psychosoziale Krisenmanagement der Stadt wenden. Die Adresse lautet: psychkm@muelheim-ruhr.de


aus der Mülheimer Woche vom 6. Mai 2021

Montag, 17. Mai 2021

Weil nur Impfen hilft

 993 Mülheimer aus Stadtmitte nutzten am 13. und 14. Mai die Gelegenheit, sich außerplanmäßig mit Moderna gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Ein zusätzliches Moderna-Impfdosen-Kontingent der für die Verteilung zuständigen Kassenärztlchen Vereinigung Nordrhein machte es möglich. Als ganztägig geöffnete Impfzentren dienten die kinderärztliche Praxis Dr. Ulrike Breckling an der Delle und die urologische Praxis Dr. Horst Godo an der Kaiserstraße.

„Ich bin meinem Team sehr dankbar, dass es bei dieser Impfaktion mitzieht. Ohne diese Unterstützung hätte ich das nicht machen können“, sagt Kinderärztin Dr. Ulrike Breckling. „Für uns war das keine Frage, dass wir da mitziehen. Denn wir freuen uns, wenn wir so dazu beitragen können, dass wir die hohen Inzidenzzahlen in der Innenstadt senken und die Corona-Pandemie möglichst schnell überwinden können“, betont Brecklings Mitarbeiterin Inka Nie. Neben den vier Arzthelferinnen gehören an diesem sonnigen Feiertag auch zwei freiwillige Helfer aus Brecklings Freundeskreis und ihre angestellte Arzt-Kollegin Elke Jacobs zum Impfteam.


Die eigentlichen Moderna-Impfungen, eines Piks in den Oberarm, übernehmen Breckling und Jakobs. Ihre Helfer sorgen für das bürokratisch Notwendige. Alle Impfkandidaten müssen ihren Impfpass und die unterschriebenen Aufklärungs- und Diagnosebögen vorlegen, bevor sie zum Impfen durchgewunnken werden dürfen.


Die 53-jährige Hausfrau Silvia Sieh, verheiratete Mutter von drei Kindern, und der 59-jährige Installateur Jürgen Brand gehören zu den Erstgeimpften, die nach ihrem Anti-Corona-Piks auf den sonnenbeschienenen Sitzbänken vor der Praxis die vorgeschriebene 15-minütige Erholungs- und Beobachtungsphase verbringen, ehe sie wieder nach Hause gehen dürfen.


„Ich bin nicht gerade begeistert hier hingekommen“, räumt Silvia Sieh ein. Aber die Aussicht „auf mehr Freiheit und die ungleich hören gesundheitlichen Risiken einer Covid-19-Erkrankung“ haben bei ihr dann doch den Ausschlag für das Impfangebot am Himmelfahrtstag gegeben.


Ebenso, wie seine Sitz-Nachbarin, ist auch Jürgen Brand durch die Zeitung auf das kurzfristige Impfangebot in der Stadtmitte aufmerksam geworden. „Ich bin dankbar, dass ich mich jetzt impfen lassen konnte und in sechs Wochen meine zweite Impfung bekommen werde. Denn ich habe weniger Angst davor, mich selbst mit Corona zu infizieren, als davor, andere Menschen, mit denen ich täglich in Kontakt komme, mit dem Virus anzustecken.“ Für Brand liegt auf der Hand: „Mögliche Nebenwirkungen der Impfung sind sicher nicht so schlimm, wie ein schwerer Covid-19-Verlauf mit einer künstlichen Beatmung.

Dass auch Jugendliche einen solchen schweren Krankheitsverlauf erleiden können, erlebten die beiden Kinderärztinnen Dr. Ulrike Breckling und Elke Jacobs am Tag vor der Impfaktion, als sie einen 15-jährigen Patienten mit schweren Covid-19-Symptomen zur stationären Behandlung ins Krankenhaus überweisen mussten. „Wenn wir die Eltern und Großeltern impfen und damit die Inzidenzzahlen nach unterdrücken, schützen wir auch die Kinder und Jugendlichen und sorgen dafür, dass sie bald wieder zur Schule gehen können“, unterstreicht Ulrike Breckling. Aus ihrem Praxisalltag weiß die Kinderärztin, die in die beruflichen Fußstapfen ihres Vaters Dr. Gerhard Breckling getreten ist, „dass das Corona-bedingte Home-Schooling für die meisten Familien eine schwere Belastung darstellt.“


Auch Oberbürgermeister Marc Buchholz schaute um die Mittagszeit im Impfzentrum an der Delle vorbei, um sich bei den Beteiligten für ihre Feiertagsschicht im Kampf gegen Corona zu bedanken und mit einigen Geimpften ins Gespräch zu kommen.


„Diese Aktion“, so Buchholz, „hilft dabei, dass wir uns wieder näherkommen können und immer mehr Botschafter gewinnen, die aus eigener Erfahrung die Botschaft in die Stadtgesellschaft hineintragen können: ‚Nur Impfen hilft gegen das Corona-Virus‘.


Der leitende Arzt des städtischen Impfzentrums an der Wissollstraße, Dr. Stephan von Lackum, konnte dem Oberbürgermeister bei dieser Gelegenheit, die erfreuliche Zahl von 3100 Anti-Corona-Impfungen am 12. Mai mit auf den Weg geben.


„Es ist gut, sagt von Lackum, „dass wir durch eine solche außerplanmäßige Aktion auch Menschen impfen können, die aufgrund ihres Alters eigentlich noch nicht an der Reihe wären, aber zum Beispiel aufgrund von Vorerkrankungen, wie zum Beispiel hohem Blutdruck oder Asthma oder aufgrund zahlreicher sozialer Kontakte ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.“ Es gebe, so führt der Arzt aus, nur wenige Menschen, wie zum Beispiel schwangere Frauen oder Menschen, die schon bei früheren Impfungen mit schweren Komplikationen reagiert hätten, bei denen man aus medizinischen Gründen von einer Impfung absehen müsse. 


aus NRZ/WAZ, 13. und 16.05.2021

Samstag, 8. Mai 2021

Jüdisches Leben in Mülheim

 Mit mehr als 1000 Veranstaltungen wird 2021 in Deutschland an 1700 Jahre jüdisches Leben erinnert. Sieben Veranstaltungen, die das Stadtarchiv in seiner Reihe Iudaica beisteuert, beleuchten das jüdische Leben in Mülheim.

Den Auftakt der Reihe bestreitet der Leiter des Stadtarchivs und ausgewiesene Mittelalter-Historiker Stefan Pätzold mit seinem Vortrag "Juden in den Stadtrat!". Pätzold schlägt einen Bogen vom 321 erlassenen Dekret Kaiser Konstantins, das den Kölner Juden den Einzug in den Stadtrat gewährte bis zu den ersten urkundlichen Erwähnungen jüdischen Lebens in Mülheim. Im heutigen Mülheimer Stadtgebiet wurden nach seinen Recherchen erstmals 1508 jüdische Bürger belegt. In dem Dokument von 1508, so Pätzold, gehe es um eine jährliche Schutzabgabe von fünf Goldgulden, die die damals vor allem als Hausierer, Krämer und Handwerker in Mülheim lebenden und arbeitenden Juden an die Broicher Herrschaft entrichten mussten.

Pätzold weist darauf hin, dass es sich auch beim konstantinischen Dekret um eine Geldfrage gehandelt habe. Damals, so erklärt er, habe es in Köln an reichen Bürgern gemangelt, die sich eine Mitgliedschaft im Stadtrat leisten konnten. Denn im frühen Mittelalter hätten die Stadträte ihre Beschlüsse und deren Resultate auch selbst bezahlen müssen.

Wechselvolle Geschichte

Erst ab 1750 gab es in Mülheim auch eine Synagoge, die sich an der heutigen Ecke Schloßstraße/Friedrich-Ebert-Straße befand. Von den 12.000 Mülheimern des Jahres 1809 waren 193 jüdischen Glaubens. 1907 war die Jüdische Gemeinde so stark, dass sie sich einen repräsentativen Synagogenbau am damaligen Viktoriaplatz leisten konnte. Diesen Bau würdigte die Mülheimer Lokalpresse damals als "Zierde unserer Stadt." Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde auch in Mülheim der Antisemitismus zur Staatsdoktrin. Jüdische Beamte wurden entlassen. Jüdische Kaufleute wurden boykottiert. Jüdische Bürger wurden aus Vereinen ausgeschlossen. Jüdische Unternehmer wurden von städtischen Aufträgen ausgeschlossen. In der Reichspogromnacht ging auch die Mülheimer Synagoge in Flammen auf. Jüdische Bürger wurden in sogenannten Judenhäusern interniert und ab 1941 in die Vernichtungslager deportiert. Rund 270 jüdische Mülheimer fielen dem Holocaust zum Opfer. 1933 hatten noch rund 650 Menschen zur jüdischen Gemeinde in Mülheim gezählt.

Nicht wenige waren auch in Sportvereinen aktiv und als Sportler erfolgreich. Ihren Lebens- und Leidensweg zwischen Assimilation und Ausgrenzung skizziert der Vortrag des Dortmunder Sport-Historikers Dr. Henry Wahlig, der am 28. Oktober im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße zu Gast sein wird.

Ältestes Denkmal jüdischen Lebens

Auf das älteste, noch existierende Denkmal, jüdischen Lebens in Mülheim, blickt die Essener Historikerin Nathanja Hüttenmeister, wenn sie am 24. Juni, 16 Uhr, mit einer Führung über den 1750 angelegten Jüdischen Friedhof an der Gracht und einem um 18 Uhr anschließenden Vortrag im Haus der Stadtgeschichte, die jüdische Friedhofskultur im Allgemeinen und die Geschichte des Mülheimer Friedhofs im Besonderen beleuchtet. Im Gegensatz zur christlichen Kultur kennt die jüdische Kultur bis heute ausschließlich Erdbestattungen.

Ausstellung antijüdische Postkarten  

Dass der Antisemitismus in Deutschland nicht erst 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann, zeigt eine Präsentation der Bundeszentrale für politische Bildung, die vom 14. Juni bis zum 31. August im Foyer des Hauses der Stadtgeschichte antijüdische Postkarten zeigt, die vor dem Ersten Weltkrieg im damaligen deutschen Kaiserreich abgeschickt und abgestempelt wurden. Vor allem in rechten bürgerlichen Kreisen war der Antisemitismus vor 1914 weit verbreitet, obwohl die jüdische Bevölkerung, die einen Anteil von unter einem Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte, gesellschaftlich gut integriert und ausgesprochen staatstreu war. 

Seit 2004 werden auch in Mülheim Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig verlegt, die unter anderem an die jüdischen Opfer des NS-Regimes erinnern. Einige von ihnen werden am 3. September ab 16 Uhr Ziel eines von Anne Kebben geführten Stadtrundgangs sein.

Vorträge im Netz zu sehen

Zum Abschluss der Reihe Iudaica, deren Veranstaltungen zurzeit alle unter dem Corona-Vorbehalt stehen, stellt der Mülheimer Kunsthistoriker Dr. Gerhard Ribbrock am 11. November den jüdischen Maler Arthur Kaufmann vor. 1888 in Mülheim geboren, floh er 1933 vor den Nationalsozialisten zunächst in die Niederlande und 1936 in die USA. Eines seiner Hauptwerke - "Die geistige Emigration" befindet sich heute im Bestand des städtischen Kunstmuseums.

Ausstellung unter Schutzbedingungen sehen

Alle Vortragsveranstaltungen im Haus der Stadtgeschichte beginnen, so sie den Corona-bedingt stattfinden können, jeweils donnerstags um 18 Uhr. Auch die Postkarten-Präsentation der Bundeszentrale für politische Bildung steht aus platz- und organisationstechnischen Gründen unter Corona-Vorbehalt. Die Vorträge sollen aber, wie alle Vorträge in der Reihe zur Mülheimer Geschichte als Video aufgezeichnet und im Internet Interessierten zugänglich gemacht werden. Weitere Informationen zum Thema findet man im Internet unter: www.stadtarchiv-mh.de oder telefonisch unter der Rufnummer: 0208-4554260.


MW-LK 06.05.2021

Dienstag, 4. Mai 2021

Ein Mann des Glaubens

 In einer Zeit, in der viele Menschen die Kirche verlassen und immer weniger Männer sich zu Priestern weihen lassen, geht Jan Sienert den anderen Weg. Er verschreibt sein Leben der christlichen Glaubensverkündigung und der Seelsorge als Priester der römisch-katholischen Kirche. Was ist das für ein Mensch, den Weihbischof Ludger Schepers am 18. April (um 16 Uhr) in St. Lamberti (Gladbeck) durch Handauflegung und Gebet zum Diakon weihen wird? Das Neue Ruhr Wort sprach mit ihm Corona-konform via Zoom-Video-Meeting. Die Fragen stellte Thomas Emons

 

WAS MUSS MAN ÜBER SIE WISSEN?

Ich bin 30 Jahre alt, komme gebürtig aus der Gemeinde St. Josef in Rentfort in der Propsteipfarrei St. Lamberti in Gladbeck und habe nach meinem Fachabitur an der Johannes-Kessels-Akademie in Gladbeck ebenfalls an dieser Schule eine Ausbildung zum Erzieher abgeschlossen. 2012 habe ich mit der Priesterausbildung in Münster begonnen. Ich habe zunächst an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Paderborn meinen Bachelor in Religionspädagogik und dann an der Westfälischen-Wilhelms-Universität in Münster meinen Magister in Katholischer Theologie erworben.

 

WARUM WOLLEN SIE PRIESTER WERDEN?

Schon als kleiner Junge zog es mich in die Kirche. Und im Kindergarten sagte meine Erzieherin, die auch eine Ordensfrau ist, zu meiner Mutter: Dein Sohn ist nicht normal. Die anderen Jungs wollen Straßenbahnfahrer, Lokführer oder Feuerwehrmann werden, aber dein Junge will unbedingt Priester werden. Als Schüler und Auszubildender war ich dann auch als Messdiener und bei den Pfadfindern als Gruppenleiter, Stammesvorstand und Kurat aktiv. Ich habe aber lange darüber nachgedacht, ob das Priesteramt mein Ziel ist und habe deshalb auch erstmal Erzieher gelernt.

 

ERZIEHER UND SEELSORGER HABEN VIEL GEMEINSAM.

Unbedingt. Und meine pädagogischen Erfahrungen als Erzieher haben mir auch sehr geholfen, als ich im Rahmen meiner Priesterausbildung als Pastoraler Mitarbeiter in St. Pankratius (Oberhausen) an der Gesamtschule Osterfeld Religion unterrichten durfte. Und als Priester kommt man ja auch mit Kindergartenkindern in Kontakt.

 

WAS REIZT SIE AN DER PRIESTERLICHEN PRAXIS?

Dass man mit Menschen aus allen Generationen zusammenkommt, die man als Seelsorger von der Taufe bis zur Beerdigung begleiten kann. Genau das habe ich auch als Pastoraler Mitarbeiter in St. Pankratius, wo ich sehr warmherzig aufgenommen bin wurde, auch erleben dürfen. Ich habe aber auch erkennen müssen, dass man sich, anders als die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarrei, die Aufgaben nicht immer aussuchen kann und sich zum Beispiel auch mit Verwaltungsfragen auseinandersetzen muss. Dass wir in St. Pankratius ein Großraumbüro haben, hat mir geholfen, schnell ins Pastoralteam einzusteigen und mit den anderen aktiv zu werden. Leider hat Corona die Gemeindearbeit stark beeinträchtigt. Präsenzgottesdienste, Erstkommunion, Gemeindefeste. All das konnte Corona-bedingt nicht stattfinden. Oft musste Seelsorge digital stattfinden. Besonders viel gelernt habe ich durch die Teilnahme an Ehevorbereitungs- und Kondolenz Gesprächen gelernt, in denen man sich auf sehr unterschiedliche Menschen und ihre Charaktere und Temperamente einstellen muss. Da hat man es mit sehr verschlossenen, aber auch mit sehr mitteilsamen Menschen zu tun, die einem ihr ganzes Leben ausschütten.

 

SIE WERDEN PRIESTER IN EINER FÜR DIE KIRCHE SEHR SCHWIERIGEN ZEIT.

Ich habe im Rahmen meiner Priesterausbildung auch mit Menschen gesprochen, die von Priestern sexuell missbraucht worden sind. Wenn man ihre Leidensgeschichten hört, kann man schon an der Kirche zweifeln und sich darüber wundern, was Menschen in der Kirche anderen Menschen angetan haben. Vor diesem Hintergrund sind Kirchenaustritte verständlich. Aber sie bringen aus meiner Perspektive nichtsum in Kirche etwas zu verändern. Denn wenn man der Kirche ein neues, ein menschlicheres und ein glaubwürdiges Gesicht geben will, dann muss man aktiv werden und in der Kirche mitmischen und deshalb lasse ich mich gerade jetzt zum Diakon und zum Priester weihen.

 

WIE WOLLEN SIE IN DER KIRCHE MITMISCHEN?

Ich will als authentischer Mensch meinen christlichen Glauben und mein Christsein so leben, dass ich Menschen zeigen kann: Kirche geht auch anders. Kirche geht auch besser. Wir müssen die Aufklärung der Missbrauchsfälle [JS1] in der Kirche noch stärker vorantreiben, als wir das bisher getan haben. Und wir müssen uns alle in der Kirche gemeinsam progressiv überlegen, wie Kirche in Zukunft besser und menschlicher werden kann. Aber ich habe auch kein Patentrezept, wie wir aus der aktuellen Abwärtsspirale als Kirche wieder herauskommen sollen. 

 

WIE SIEHT DIE KIRCHE DER ZUKUNFT AUS, VON DER SIE EIN TEIL SEIN KANN?

Ich bin 30 Jahre alt und kenne Kirche nur in Veränderung und sie wird sich weiter verändern. In der pastoralen Seelsorge dürfen wir nicht nur auf die Kerngemeinde schauen, sondern zum Beispiel durch eine gute und vertiefte Sakramenten-Seelsorge Menschen als Kirche begleiten, die heute eben nicht mehr automatisch bei einer Gemeinde oder bei einem katholischen Verband andocken. Strukturfragen, wie eine mögliche Priesterweihe von Frauen oder einen Verzicht auf das Pflichtzölibat können wir nur weltkirchlich, etwa im Rahmen einer Synode oder im Rahmen eines Konzils beantworten, Aber die vergleichbaren Probleme der Evangelischen Kirche zeigen mir, dass wir die Probleme der Katholischen Kirche nicht mit der Aufgabe des priesterlichen Pflichtzölibates und der Priesterweihe von Frauen lösen werden. 

 

 

HINTERGRUND:

Die Diakonenweihe von Jan Sienert wird am 18. April mit einem Corona-konformen Präsenz-Gottesdienst mit begrenzter Teilnehmerzahl in St. Lamberti (Gladbeck) gefeiert und im Internet unter: www.pankratius-osterfeld.de als Video-Livestream übertragen. Nach der Weihe wird Jan Sienert als Diakon weiter in St. Pankratius (Oberhausen-Osterfeld) arbeiten. Als Diakon wird Sienert taufen, bei Trauungen assistieren, beerdigen, predigen, Wortgottesdienste leiten, die Kommunion spenden. Neben den Diakonen, die sich, wie Jan Sienert, als Diakone auf ihre Priesterweihe vorbereiten, gibt es auch ständige Diakone, die ihr geistliches Amt im Hauptamt oder neben ihrem Zivilberuf ausüben und auch verheiratet sein können, aber nicht wieder heiraten dürfen, sollte ihre Ehefrau versterben. Das altgriechische Wort Diakon bedeutet Diener und Helfer

Schöne Straße?!

  Für die Mülheimer Presse und das neue Mülheimer Jahrbuch habe ich mich an 50 Jahre Schloßstraße erinnert. So alt bin ich also schon, dass ...