In einer Zeit, in der viele Menschen die Kirche verlassen und immer weniger Männer sich zu Priestern weihen lassen, geht Jan Sienert den anderen Weg. Er verschreibt sein Leben der christlichen Glaubensverkündigung und der Seelsorge als Priester der römisch-katholischen Kirche. Was ist das für ein Mensch, den Weihbischof Ludger Schepers am 18. April (um 16 Uhr) in St. Lamberti (Gladbeck) durch Handauflegung und Gebet zum Diakon weihen wird? Das Neue Ruhr Wort sprach mit ihm Corona-konform via Zoom-Video-Meeting. Die Fragen stellte Thomas Emons
WAS MUSS MAN ÜBER SIE WISSEN?
Ich bin 30 Jahre alt, komme gebürtig aus der Gemeinde St. Josef in Rentfort in der Propsteipfarrei St. Lamberti in Gladbeck und habe nach meinem Fachabitur an der Johannes-Kessels-Akademie in Gladbeck ebenfalls an dieser Schule eine Ausbildung zum Erzieher abgeschlossen. 2012 habe ich mit der Priesterausbildung in Münster begonnen. Ich habe zunächst an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Paderborn meinen Bachelor in Religionspädagogik und dann an der Westfälischen-Wilhelms-
WARUM WOLLEN SIE PRIESTER WERDEN?
Schon als kleiner Junge zog es mich in die Kirche. Und im Kindergarten sagte meine Erzieherin, die auch eine Ordensfrau ist, zu meiner Mutter: Dein Sohn ist nicht normal. Die anderen Jungs wollen Straßenbahnfahrer, Lokführer oder Feuerwehrmann werden, aber dein Junge will unbedingt Priester werden. Als Schüler und Auszubildender war ich dann auch als Messdiener und bei den Pfadfindern als Gruppenleiter, Stammesvorstand und Kurat aktiv. Ich habe aber lange darüber nachgedacht, ob das Priesteramt mein Ziel ist und habe deshalb auch erstmal Erzieher gelernt.
ERZIEHER UND SEELSORGER HABEN VIEL GEMEINSAM.
Unbedingt. Und meine pädagogischen Erfahrungen als Erzieher haben mir auch sehr geholfen, als ich im Rahmen meiner Priesterausbildung als Pastoraler Mitarbeiter in St. Pankratius (Oberhausen) an der Gesamtschule Osterfeld Religion unterrichten durfte. Und als Priester kommt man ja auch mit Kindergartenkindern in Kontakt.
WAS REIZT SIE AN DER PRIESTERLICHEN PRAXIS?
Dass man mit Menschen aus allen Generationen zusammenkommt, die man als Seelsorger von der Taufe bis zur Beerdigung begleiten kann. Genau das habe ich auch als Pastoraler Mitarbeiter in St. Pankratius, wo ich sehr warmherzig aufgenommen bin wurde, auch erleben dürfen. Ich habe aber auch erkennen müssen, dass man sich, anders als die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarrei, die Aufgaben nicht immer aussuchen kann und sich zum Beispiel auch mit Verwaltungsfragen auseinandersetzen muss. Dass wir in St. Pankratius ein Großraumbüro haben, hat mir geholfen, schnell ins Pastoralteam einzusteigen und mit den anderen aktiv zu werden. Leider hat Corona die Gemeindearbeit stark beeinträchtigt. Präsenzgottesdienste, Erstkommunion, Gemeindefeste. All das konnte Corona-bedingt nicht stattfinden. Oft musste Seelsorge digital stattfinden. Besonders viel gelernt habe ich durch die Teilnahme an Ehevorbereitungs- und Kondolenz Gesprächen gelernt, in denen man sich auf sehr unterschiedliche Menschen und ihre Charaktere und Temperamente einstellen muss. Da hat man es mit sehr verschlossenen, aber auch mit sehr mitteilsamen Menschen zu tun, die einem ihr ganzes Leben ausschütten.
SIE WERDEN PRIESTER IN EINER FÜR DIE KIRCHE SEHR SCHWIERIGEN ZEIT.
Ich habe im Rahmen meiner Priesterausbildung auch mit Menschen gesprochen, die von Priestern sexuell missbraucht worden sind. Wenn man ihre Leidensgeschichten hört, kann man schon an der Kirche zweifeln und sich darüber wundern, was Menschen in der Kirche anderen Menschen angetan haben. Vor diesem Hintergrund sind Kirchenaustritte verständlich. Aber sie bringen aus meiner Perspektive nichts, um in Kirche etwas zu verändern. Denn wenn man der Kirche ein neues, ein menschlicheres und ein glaubwürdiges Gesicht geben will, dann muss man aktiv werden und in der Kirche mitmischen und deshalb lasse ich mich gerade jetzt zum Diakon und zum Priester weihen.
WIE WOLLEN SIE IN DER KIRCHE MITMISCHEN?
Ich will als authentischer Mensch meinen christlichen Glauben und mein Christsein so leben, dass ich Menschen zeigen kann: Kirche geht auch anders. Kirche geht auch besser. Wir müssen die Aufklärung der Missbrauchsfälle [JS1] in der Kirche noch stärker vorantreiben, als wir das bisher getan haben. Und wir müssen uns alle in der Kirche gemeinsam progressiv überlegen, wie Kirche in Zukunft besser und menschlicher werden kann. Aber ich habe auch kein Patentrezept, wie wir aus der aktuellen Abwärtsspirale als Kirche wieder herauskommen sollen.
WIE SIEHT DIE KIRCHE DER ZUKUNFT AUS, VON DER SIE EIN TEIL SEIN KANN?
Ich bin 30 Jahre alt und kenne Kirche nur in Veränderung und sie wird sich weiter verändern. In der pastoralen Seelsorge dürfen wir nicht nur auf die Kerngemeinde schauen, sondern zum Beispiel durch eine gute und vertiefte Sakramenten-Seelsorge Menschen als Kirche begleiten, die heute eben nicht mehr automatisch bei einer Gemeinde oder bei einem katholischen Verband andocken. Strukturfragen, wie eine mögliche Priesterweihe von Frauen oder einen Verzicht auf das Pflichtzölibat können wir nur weltkirchlich, etwa im Rahmen einer Synode oder im Rahmen eines Konzils beantworten, Aber die vergleichbaren Probleme der Evangelischen Kirche zeigen mir, dass wir die Probleme der Katholischen Kirche nicht mit der Aufgabe des priesterlichen Pflichtzölibates und der Priesterweihe von Frauen lösen werden.
HINTERGRUND:
Die Diakonenweihe von Jan Sienert wird am 18. April mit einem Corona-konformen Präsenz-Gottesdienst mit begrenzter Teilnehmerzahl in St. Lamberti (Gladbeck) gefeiert und im Internet unter: www.pankratius-osterfeld.de als Video-Livestream übertragen. Nach der Weihe wird Jan Sienert als Diakon weiter in St. Pankratius (Oberhausen-Osterfeld) arbeiten. Als Diakon wird Sienert taufen, bei Trauungen assistieren, beerdigen, predigen, Wortgottesdienste leiten, die Kommunion spenden. Neben den Diakonen, die sich, wie Jan Sienert, als Diakone auf ihre Priesterweihe vorbereiten, gibt es auch ständige Diakone, die ihr geistliches Amt im Hauptamt oder neben ihrem Zivilberuf ausüben und auch verheiratet sein können, aber nicht wieder heiraten dürfen, sollte ihre Ehefrau versterben. Das altgriechische Wort Diakon bedeutet Diener und Helfer
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