Vor 80 Jahren wurde am Flughafen zwischen Brunshof- und Windmühlenstraße ein sogenanntes Arbeitserziehungslager für 500 Häftlinge errichtet. Bis zur Auflösung des Lagers lebten und litten dort insgesamt etwa 8000 Menschen. 130 Menschen starben dort während ihrer Lagerhaft.
Seit 1996 erinnert dort eine in der Lehrwerkstatt der
Mülheimer Röhrenwerke gefertigte Gedenktafel an das Schicksal der deutschen,
niederländischen, belgischen, polnische, jugoslawische, französischen und
ukrainischen Häftlinge, die während des Zweiten Weltkriegs am Flughafen unter
unmenschlichen Bedingungen Tiefbauarbeiten und Erdbewegungen ausführen mussten.
„Vor allen aus den Niederlanden erreichen uns immer wieder viele Anfragen von
Menschen, die die Lebensgeschichte ihrer Väter und Großväter erforschen
möchten“, sagt Stadtarchivar Jens Roepstorff.
Am 17. Mai berät jetzt der Kulturausschuss des Rates über
einen Antrag, in dem die CDU und die Grünen fordern, die Gedenktafel an der
Windmühlenstraße zu renovieren und mithilfe örtlicher Stiftungen und Künstler
eine zentrale Erinnerungsstätte für jene 25.000 Menschen zu schaffen, die
während des Zweiten Weltkrieges in unterschiedlicher Form Zwangsarbeit leisten
mussten.
Zum Teil unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben
und zum Teil gewaltsam verschleppt, mussten die sogenannten Fremdarbeiter in
Industriebetrieben, in der Landwirtschaft, in Krankenhäusern, in privaten
Haushalten, im Wasserwerl, in der Stadtverwaltung und eben auch am Flughafen
die Lücken schließen, die die als Wehrmachtssoldaten an der Front kämpfenden
Männer oder die im Kriegshilfsdienst eingesetzten Frauen hinterlassen hatten.
Das Lager am Flughafen, der mit Kriegsbeginn zum
militärischen Fliegerhorst ausgebaut wurde, war eines von stadtweit 55 Lagern.
Von hohen Hecken und einem Stacheldraht umgeben, war das Geheimen Staatspolizei
unterstehende und von Polizeibeamten bewachte Lager kein klassisches
Zwangsarbeiterlager. Ins Arbeitserziehungslager wies die GESTAPO Menschen ein,
die sich als sogenannte „Arbeitsscheue“ und „Bummelanten“ sogenannter
„Arbeitsvergehen“schuldig gemacht hatten.
Im Arbeitserziehungslager, in dem Verhältnisse wie in einem
Konzentrationslager herrschten, konnten Menschen landen, die zu spät zur Arbeit
gekommen waren, zu langsam und zu wenig gearbeitet hatten, ihren Arbeitsplatz
zu früh verlassen hatten. Vor allem niederländische Zwangsarbeiter versuchten
immer wieder, sich über die nahe Grenze in ihre Heimat abzusetzen. Die meisten
von ihnen wurden aber aufgegriffen und landeten dann im Arbeitserziehungslager.
Dort mussten sie bei kargem Essen (Brot und Suppe) täglich
zwölf Stunden schwerste körperliche Arbeit leisten. Ab 21 Uhr wurden sie in
ihren nur mit einem Ofen beheizten Wohnbaracken eingeschlossen. Weil die
sanitären Einrichtungen und damit die hygienischen Verhältnisse mehr als
unzureichend waren, brachen im Arbeitserziehungslager immer wieder Krankheiten
aus. So wurde das Lager am Flughafen zwischen Oktober 1943 und Januar 1944
wegen eines Fleckfieberausbruchs unter Quarantäne gestellt. Hinzu kamen die
Misshandlungen durch das Wachpersonal.
Die Repressalien reichten vom Essensentzug über Tritte und
Schläge bis hin zum Nackt-Appellstehen und zur sogenannten Sonderbehandlung.
Mit diesem Begriff bezeichnete die GESTAPO Erschießungen. Die Haftzeit im
Arbeitserziehungslager war in der Regel auf sechs Wochen beschränkt. Aber nach
ihrem Ende wurden viele Gefangene nicht wieder an ihren alten Arbeitsplatz
entlassen, sondern in ein Konzentrationslager eingewiesen.
Die Wachmannschaften und Lagerleitungen wurden nach 1945
nicht zur Rechenschaft gezogen. Und es sollte bis zum Jahr 2000 dauern, ehe die
Bundesrepublik Deutschland und deutsche Unternehmen die Stiftung Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft gründeten, aus deren Mittel ehemalige Zwangsarbeiter
finanziell entschädigt wurden.
Im Mülheimer Jahrbuch 1997 erinnert sich Prof. Dr. Karl Gerhard
Lickfeld an Beobachtungen, die er als
Schüler am AEL Flughafen gemacht hatte:
„Auf der Hinfahrt mit der Straßenbahn pflegte ich an der
Haltestelle Windmühlenstraße auszusteigen. Als ich an einem sehr kühlen
Nachmittag dort ausstieg, befand ich mich schon in der anfänglichen Steigung
der Straße hinter einem Lagerinsassen, an dessen rechter Seite ein bewaffneter
Polizist schritt. Da hatte ich nun die Bekleidung des Gefangenen dicht vor mir,
die um seinen Körper flatterte. Da schlug in seinem Gehrhythmus eine Metallschüssel,
an einer um seine Taille geschlungen Kordel befestigt, gegen seinen Körper. Da
sah ich dicht vor mir seine nackten Füße in primitiven hölzernen Sandalen ohne
Fersen. Kein Wort fiel zwischen den Männern. In der Nähe des Lagers trennten
sich unsere Wege. Die Häftlinge schufteten im Südwestbereich des Flughafens. Ganz
offensichtlich ging es bei den rein manuellen Erdarbeiten darum, das Niveau des
gewachsenen Geländes dort auf das Niveau des Bereiches dort befindlichen Flughafens
zu erhöhen. Von Hand mit braunem Erdreich gefüllte Lorent wurden von Hand zum Abladeplatz
geschoben. An einem unvergesslichen Tag sah und beobachtete ich auf dem Weg zur
Haltestelle der Straßenbahn im Gelände der Erdarbeiten eine Häftlingsgruppe von
etwa 10 bis 15 Männern, die zuschauten, gewiss wohl zuschauen mussten, wie ein
sich in ihrer Mitte befindlicher Leidensgefährte von einem uniformierten Bewacher
mit einem Knüppel zusammengeschlagen wurde, offensichtlich mit voller Kraft und
kräftig Schwung nehmend. Die Hiebe, die auch auf den Schädelbereich zielten, strecken
das Opfer zu Boden. Dieses für den nationalsozialistischen Polizeistaat
typische symbolhafte Erlebnis hat mich völlig aus dem seelischen Gleichgewicht
geworfen. Heute noch ist es ein unauslöschliches hervorstechendes Bild des Schreckens,
neben manchen anderen, die Zukunft damals für mich bereithielt.“
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