Kleider machen Leute. So dichtete Gottfried Keller schon 1874. Früher galten Anzug und Krawatte für Männer, die was zu sagen hatten als das modische Maß aller Dinge. Dass eine Mülheimer Bank die Leser der Lokalpresse jetzt wissen ließ, dass ihr Mitarbeiter künftig auch in Jeans und Sakko an ihrem Arbeitsplatz erscheinen dürfen, ohne eine Abmahnung zu riskieren, zeigt uns eine Zeitenwende an.
Ohne Anzug und Krawatte wäre Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, eine Ausgeburt von Seriosität, doch nie auf die Straße gegangen. Von dem Mann hätte man sich doch blind gegen alles versichern lassen. Deshalb sahen viele auch rot, als es der Grüne Joschka Fischer in Sakko, Jeans und Turnschuhen Mitte der 1980er Jahre zu seiner Vereidigung als hessischer Umweltminister antrat.
So ein Mann war doch zu allem fähig.
Welch ein Unterschied zu unseren Tagen, wo auch Top-Manager und Spitzenpolitiker zuweilen in Jeaans, T-Shirt, Sakko, Sportschuhen und mit offenem Hemdkragen vor die Kameras treten. Und was wollen sie uns damit sagen? Wohl, dass man sich in aufgeregten Zeiten wie den unseren alles leisten kann, nur nicht, dass einem der Kragen platzt.
Dieser Text erschien am 30. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Freitag, 31. Mai 2019
Donnerstag, 30. Mai 2019
Die Tücken der Technik
Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen. So riet
uns einst Blödelbarde Mike Krüger in einem seiner Spaßhits. Doch mit dem Nippel
ist es heutzutage nicht mehr getan. Im digitalen Zeitalter sind Hardware,
Software und Pin-Codes das Maß aller Dinge. Doch eines ist auf dem Weg analogen
Nippel zum digitalen Pin gleichgeblieben. „Das ist alles ganz einfach!“
erklären uns die Verkaufsfeen aus dem digitalen Einkaufswunderland. Umso dümmer
fühlt man sich denn auch als noch analog sozialisierter Kunde, wenn der auf der
bereits bezahlte Lizenzkarte angegebene Pincode, für die Verlängerung des
Computerprogramms auch beim dritten Anlauf nicht zur Verlängerung der
gewünschten und benötigten Programmlizenz führt.
„Haben Sie den angegebenen Pincode auch korrekt eingegeben?“
fragt mich die Verkäuferin im entsprechenden Fachmarkt? Ich bin mir keines
Fehlers bewusst und dennoch habe ich als analoger Technikmuffel irgendwie ein
schlechtes Gewissen, dass ich irgendetwas falsch gemacht oder übersehen habe,
das mir den „ganz einfachen“ Zugang zur Lizenzverlängerung verwehrt und mir das
Gefühl gibt, ein Idiot zu sein, der den Ansprüchen der schönen neuen Computer-
und Online-Welt nicht genügt. Ich gebe mein Notebook, samt Pincode
vertrauensvoll in die hoffentlich heilenden Hände der Computerfachverkäuferin.
Doch auch sie muss nach dreimaliger Eingabe des Pincodes feststellen, dass das
installierte Computerprogramm nicht so will wie sie will. „Da kann ich Ihnen
leider auch nicht helfen. Ich bin nur alle 14 Tage hier und der Kollege, der
sich damit auskennt, ist leider für die nächsten 14 Tage im Urlaub“, entpuppt
sich die Fachkraft als Aushilfskraft. Ich freue mich für ihren Kollegen und
versuche es jetzt mit einem 24-Stunden-Online-Support, in der Hoffnung, dass
die Kollegen am anderen Ende der Datenverbindung nicht gerade in der
Mittagspause oder auf Mallorca sind, wo sie vielleicht gerade auch auf eine Fachkraft
warten, die ihnen hilft, den richtigen Pincode, zu finden, mit dem sie Geld aus
dem Automaten oder ihre Hoteltüre geöffnet bekommen.
Dieser Text erschien am 28. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Dienstag, 28. Mai 2019
Erfolgsrezept Europa
Es gibt doch nichts schöneres als einen Familienausflug ins
Grüne. Im vertrauten Kreis mal was anderes sehen und erleben. Das weckt die
Lebensgeister. „Lass uns nicht immer zum Italiener gehen“, schlägt die
gastgebende Schwester ihren beiden anderen Geschwistern vor. Die lassen sich
von ihr gerne zu einer Wanderung ins Grüne überreden. Es geht bergauf und
bergab. Der Appetit wächst mit der Aussicht auf die Einkehr in ein Landgasthaus
mit gutbürgerlicher deutscher Küche. Mal schauen, was wir uns leckeres gönnen.
Auf jeden Fall haben wir uns ein gutes Mittagessen verdient, wenn wir denn
unser ersehntes Ziel im Grünen erreichen, das wir noch aus Kindertagen in guter
Erinnerung haben. Und siehe da: Die Waldwege, die dort hinführen, sind immer
noch so grün und schattig wie früher. Und endlich kommen auch die
Hinweisschilder des Restaurants in Sicht, dessen Küche uns stets das Wasser im
Munde zusammenlaufen ließ. Doch nicht in Sicht kommen leider die netten
Gastwirtsleute und ihre plakativ ausgehängten Speisekarten mit Schnitzel,
Braten, Spätzle und Co. Die drei hungrigen Wanderer aus der Stadt sehen
buchstäblich schwarz. Kein Leben mehr im alten Gasthaus. Alles leer und
schwarz, wenn man durch die Fenster ins Innere schaut. Hier ist der Ofen
offensichtlich schon länger aus, den alten Hinweisschildern an der Straße zum
Trotz. Nach einer kurzen Verschnaufpause auf der Bank vor dem geschlossenen
Gasthaus müssen die jetzt nicht nur hungrigen, sondern auch geschafften und
frustrierten Wandersleute den Rückweg in die Stadt antreten. Müde, ausgehungert
und reumütig kehren sie bei ihrem verschmähten Italiener ein und werden von ihm
wie immer freundlich und fürstlich mit Pizza, Pasta, Kaffee und Eis bewirtet. Wie
schön kann doch Europa sein, wenn man dort Freunde findet, die einen nicht im
Regen stehen und am langen Arm verhungern lassen. Hoffentlich gilt das auch für
die politischen Köche im jetzt gewählten Europaparlament, damit uns der Appetit
auf Europa nicht vergeht und wir auch in der Zukunft nicht hungrig in die Röhre
schauen müssen, weil zu viele politische Köche den Brei verdorben und dafür gesorgt haben, dass der Ofen für uns
aus ist.
Dieser Text erschien am 27. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Dieser Text erschien am 27. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Montag, 27. Mai 2019
Ein Pfarrer geht, der andere kommt
Manfred von Schwartzenberg (links) und Christian Böckmann |
Mit
einem vorgezogenen Pfarrfest, das am 25. Mai um 17 Uhr mit einem Gottesdienst
in St. Barbara am Schildberg beginnt und am 26. Mai fortgesetzt wird,
verabschiedet die Pfarrgemeinde ihren scheidenden Seelsorger Manfred von
Schwartzenberg und begrüßt ihren neuen Pfarrer Christian Böckmann, der ab dem
1. Juni auch Pfarrer von St. Mariä Himmelfahrt wird. Vor dem Stabwechsel trafen
sich die beiden Geistlichen zum Tischgespräch.
Herr von
Schwartzenberg, mit welchem Gefühl scheiden Sie aus Ihrem Amt und welchen Rat
geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg.
Schwartzenberg: Jeder Abschied fällt schwer. Aber ich
empfinde vor allem Dankbarkeit für eine erfüllte Zeit, in der ich als Priester
alles machen kannte, was und wie ich es wollte. Ich bin dankbar für die vielen,
lieben und aktiven Menschen, auf die auch mein Nachfolger und sein Kollege, der
als Pastor ab 1. September in St. Barbara sein wird, bauen können, wenn sie berücksichtigen,
dass die etwa 200 ehrenamtlich Aktiven in St. Barbara daran gewohnt sind, frei
und selbstständig zu arbeiten.
Pfarrer für zwei sehr
unterschiedliche Pfarrgemeinden mit jeweils rund 16.000 Seelen zu sein, macht
Ihnen diese Aufgabe keine Angst, Herr Böckmann?
Ich habe Manschetten vor meiner neuen Aufgabe. Ich habe auch
noch kein fertiges Konzept. Vieles werde ich erst in der Praxis ausprobieren
und lernen müssen. Aber ich trete mein neues Amt als Doppel-Pfarrer von St.
Barbara und St. Mariä Himmelfahrt auch mit einer gewissen Gelassenheit an, weil
ich weiß, dass es in beiden Pfarrgemeinden sehr selbständige und kompetente
Menschen gibt, die mit ihren unterschiedlichen Begabungen zum Beispiel als
Katecheten, Wortgottesdienst- und Beerdigungsleiter, in der Trauerpastoral oder
auch bei der Verwaltung unserer Immobilien und als Mitglieder der
Kirchenvorstände und der Pfarrgemeinderäte Gemeinde mittragen können. Anders
wird es auch nicht gehen können.
Wie müssen Pfarrer
und Ihre Gemeinden heute auf die Strukturkrise reagieren, in der sich die
katholische Kirche befindet?
Schwartzenberg: Pfarrer können heute nicht mehr so
auftreten, als hätten Sie die Wahrheit gepachtet. Pfarrer und
Gemeindemitglieder müssen glaubwürdig das tun, wohinter sie stehen. Das ist ein
Gebot der seelischen Hygiene. Wir dürfen uns an den unbestreitbaren Problemen
des kirchlichen Lebens nicht festfressen, sondern müssen als Gemeinden immer
wieder die Frohe Botschaft, dass die Liebe Gottes zu den Menschen in Jesus
gegenwärtig geworden ist, in den Blick nehmen und leben.
Böckmann: Wir müssen als Pfarrer und Gemeindemitglieder noch
stärker als bisher miteinander und zusammen Christen sein und dabei eine
Großzügigkeit entwickeln, die auch mögliche Fehler verzeiht. Wenn alte
Strukturen zerbrechen, kann das auch zu neuen Chancen und Freiräumen führen.
Wir dürfen über alle Strukturdebatten die Freude am Glauben und die Begegnung
und Gemeinschaft nicht vergessen, die Kirche stiften kann.
Zwingt der akute
Priestermangel in der katholischen Kirche nicht zur Aufgabe des
Pflichtzölibates?
Böckmann: Für uns als Kirche muss es darum gehen,
sicherzustellen, dass wir auch weiter die Sakramente feiern können. Und
vielleicht ist der Priestermangel ja auch ein Fingerzeig des Heiligen Geistes,
der uns darauf hinweist, dass der Pflichtzölibat für den Zugang zum Priesteramt
nicht erforderlich ist. Ich kenne viele verheiratete Theologen und Frauen, die
mit dem Charisma der Seelsorge begabt sind und denen ich das Priesteramtes
sofort zutrauen würde.
Schwartzenberg: Mein Eindruck ist, dass unser Ruhrbischof
Franz-Josef Overbeck in dieser Frage nicht blind ist. Er sieht und weiß, was
kommen wird.
Wie kann die Kirche
die durch die Missbrauchsfälle im Priesteramt entstandene Existenzkrise
überleben?
Böckmann: Menschliches Versagen wird uns immer begleiten.
Aber wir müssen die Opfer konsequent in den Blick nehmen, und das nicht nur mit
Lippenbekenntnissen, sondern mit Taten.
Schwartzenberg: Die Leitung des Bistums ist das Thema des
Missbrauchs mit großer Offenheit angegangen und ich kann die Verantwortlichen
nur ermutigen, diesen Weg weiterzugehen.
Wie kann eine
kleinere Kirche in einer pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft ihre
soziale und geistliche Relevanz bewahren?
Schwartzenberg: Die Kirche braucht das Feuer der Liebe. Sie
muss kompromisslos für die Wertschätzung des Menschen eintreten und ihm
Antworten auf seine existenziellen Fragen geben: Woher komme ich und wohin gehe
ich?
Böckmann: Die Kirche darf sozialpolitisch nicht schwächeln.
Sie muss den Menschen klar machen, was sie von der Wiege bis zur Bahre etwa in
Kindertagesstätten, Familienbildungsstätten, in der Jugendarbeit, bei der
Caritas, in Krankenhäusern und Pflegeheimen oder in der Trauerpastorale
leistet. Der Weckruf des Papstes: „Diese Wirtschaft tötet“ mahnt und motiviert
uns kompromisslos dafür einzutreten, dass die Würde des Menschen nicht den
Erfordernissen einer ökonomisierten Gesellschaft geopfert werden darf.
Zur Person:
Der 1971 zum Priester geweihte Manfred von Schwartzenberg
feiert am 20. Mai seinen 75. Geburtstag. Bevor er 1992 Pfarrer von St. Barbara
wurde, war der 1971 zum Priester geweihte Theologie als Seelsorger in
Gelsenkirchen und Mülheim sowie als Militärseelsorger in Augustdorf und Bonn
tätig. Zwischen 1993 und 2007 war er Mülheimer Stadtdechant. Sein Nachfolger
als Pfarrer von St. Barbara ist der 1962 geborene und 1990 zum Priester
geweihte Christian Böckmann. Böckmann ist noch bis zum 1. Juni Diözesanbeauftragter
für die Krankenhausseelsorge und seit einem Jahr Pfarradministrator in St.
Mariä Himmelfahrt. Seine ersten 20 Priester-Jahre verbrachte er in St. Urbanus
(Gelsenkirchen).
Dieser Text erschien am 18. Mai 2019 im Neuen Ruhrwort
Sonntag, 26. Mai 2019
Wichtigen Fragen Gehör verschaffen
Katharina Jestaedt
Foto Katholisches Büro Berlin
|
In einem Gespräch, das ich für die katholische Wochenzeitung Neues Ruhrwort geführt habe, äußert sich die stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros in Berlin, Katharina Jesteadt zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes über das Verhältnis zwischen Kirche, Politik und Staat.
Vor 70 Jahren entstand im Parlamentarischen
Rat das Grundgesetz. Welchen Einfluss nahm die Katholische Kirche auf die
damaligen Beratungen?
Der Kölner Domkapitular Wilhelm Böhler, wurde 1948 vom Kölner Erzbischof und
Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Joseph
Frings beauftragt, die im Zuge der Beratungen des parlamentarischen
Rates eventuell notwendigen mündlichen Verhandlungen mit den katholischen
Parlamentariern zu führen. Das war praktisch die Geburtsurkunde des institutionalisierten
Kontaktes zwischen der katholischen Kirche und staatlich-politischen Instanzen.
Man sagt, dass Prälat Böhler sehr engagiert und durchaus überzeugend agiert
hat. So soll es etwa durchaus auch seinem Einfluss zu verdanken seien, dass
Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes in staatlichen Schulen grundsätzlich einen
bekenntnisorientierten Religionsunterricht vorsieht.
Warum brauchen wir auch heute katholische
Büros in der Bundeshauptstadt und in den Landeshauptstädten?
Es gibt so
viele politische Themen, bei denen wir als Kirche jenen eine Stimme geben, die
sonst kaum Gehör finden. Ich nenne nur die Fragen von Flucht und Vertreibung,
von globaler Gerechtigkeit, den Schutz der Schöpfung oder den Lebensschutz. Auf
all diesen und vielen weiteren Feldern ist unsere Stimmen wichtig, nicht
zuletzt, weil wir uns hier als Kirchen glaubwürdig engagieren.
Die Zahl der Kirchenmitglieder geht zurück.
Schwächt das den politischen Einfluss der katholischen Kirche und ihrer
evangelischen Schwesterkirche?
Natürlich ist der Rückgang
kirchlicher Bindungen in den Verwaltungen und im Deutschen Bundestag auch in
unserer Arbeit spürbar, auch wenn in den politischen Eliten unseres Landes die
religiöse Bindung der Politiker noch sehr deutlich spürbar ist. Wir führen
übrigens auch sehr fruchtbare Diskussionen mit Politikern, die gar nicht
religiös verankert sind.
Ob unser Einfluss im
politischen Diskurs noch erheblich ist, hängt in erster Linie davon ab, ob wir
überzeugend argumentieren und selber glaubwürdig sind. Für Letzteres ist etwa
die Frage unseres Umgang mit dem sexuellen Kindesmissbrauch in der katholischen
Kirche ganz entscheidend.
Man hört gelegentlich die Kritik, die
katholische Kirche kümmere sich oft zu sehr um politische Fragen und
vernachlässige die Aufgabe der Glaubensvermittlung. Was sagen Sie zu solcher
Kritik? Früher gab es eine enge Koalition zwischen der Katholischen Kirche und
den Christdemokraten.
Diese Kritik müssen wir
natürlich ernst nehmen. Bevor wir uns zu einer politischen Frage äußern,
stellen wir uns immer die Frage, ob es notwendig ist, dass die Kirche zu diesem
oder jenem Thema Stellung bezieht. Allerdings stellen wir auch immer wieder fest,
dass Politiker dieses Argument bemühen, wenn sie unsere Haltung zu einem
bestimmten Thema einfach lästig finden.
Wie sieht es heute mit dem Verhältnis der
Katholischen Kirche zu den politischen Parteien aus?
Das Katholische Büro ist
mit allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien im Gespräch. Die
Intensität der Kontakte ist je nach Thema mit der einen oder der anderen Partei
größer oder kleiner. Und natürlich gibt es Parteien, für die das christliche
Menschenbild stärker handlungsleitend ist als für andere.
Wie hat Ihre Arbeit in Berlin Ihren Blick auf
Politik geprägt und verändert? Ist Politik ein dreckiges Geschäft, ein
notwendiges Übel, eine Ansammlung von Weltverbesserern und Lobbyisten, das
Machtzentrum der Nation, eine Erfüllungsgehilfin der Wirtschaft oder die
Ideenschmiede der Nation?
Der enge Kontakt zu den
politischen Verantwortungsträgern hat bei mir in erster Linie dazu geführt,
dass ich mehr Respekt vor der Arbeit unserer Volksvertreter habe. Das gilt
nicht nur für das Arbeitspensum, was jeder Einzelne zu bewältigen hat. Das gilt
auch angesichts der inhaltlichen Komplexität der politischen Fragestellungen,
nehmen sie nur solche Megathemen wie die Digitalisierung, eines nachhaltigen
Lebensstils oder auch den Umgang mit weltweiten Flucht- und
Migrationsbewegungen. Hinzu kommt, dass sich der politische Diskurs nicht
zuletzt durch die gewachsene Bedeutung der sozialen Medien stark verändert und
beschleunigt hat. Es bleibt oft kaum Zeit zum Nachdenken und Diskutieren. Und
die Abgeordneten sind heute in sehr viel stärkerem Maße aggressiven, oft
anonymen Angriffen ausgesetzt. Das alles sollte man im Kopf haben, bevor man
das nächste Mal über „die Politiker“ schimpft.
Was würden Sie gerne durchsetzen, wenn Sie zur
Bundeskanzlerin gewählt würden?
Ein
ambitioniertes Klimaschutzgesetz und ein Rüstungsexportgesetz, um mal zwei ganz
konkrete Anliegen zu benennen.
Katharina Jestaedt, Stellvertreterin des Leiters des Kommissariats der
deutschen Bischöfe
1969 geboren in
Lissabon/Portugal, 1988-1993 Studium der
Rechtswissenschaft in Bonn und Freiburg, Erstes juristisches Staatsexamen, 1993-1995
Mitarbeiterin im Bundeskanzleramt (politische Planung, Reden), 1995-1997
Rechtsreferendariat, Zweites juristisches Staatsexamen, 1997-1999 Referentin im
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Europa) und im
Bundeskanzleramt (politische Planung, Reden), 1999-2009 Richterin am
Verwaltungsgericht Köln und am Oberverwaltungsgericht NRW mit zeitweiligen
Abordnungen an die Staatskanzlei NRW (Medien) und das Justizministerium NRW (Leitung
Ministerbüro), 2009-2011 Referatsleiterin im Justizministerium NRW (Personal, Justiziariat). Seit August 2011
Stellvertreterin des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe.
Dieser Text erschien am 11. Mai 2019 im Neuen Ruhrwort
Freitag, 24. Mai 2019
Ansichten eines Zeitzeugen
Dr. Wilhelm Knabe |
Artikel 1: „Die Würde des
Menschen ist unantastbar.“
Knabe: Das ist ein Ideal, ein
paradiesischer Zustand. Der Respekt vor dem Leben ist der höchste Wert, ohne
den keine menschenwürdige Gesellschaft existieren kann. Ich habe als Soldat der
Wehrmacht und als Sohn eines Pfarrers, der vergeblich versuchte, seelisch
kranke Insassen einer Anstalt vor der Euthanasie zu bewahren und der an diesem
gescheiterten Versuch zerbrochen ist, das Gegenteil von Menschenwürde erlebt.
Artikel 3: „Alle Menschen
sind vor dem Gesetz gleich.“
Knabe: Ich habe erlebt, was
fehlende Rechtsgleichheit bedeutet, als in während der 1960er die USA bereiste,
wo Schwarze in den Südstaaten nur hinten im Bus Platz nehmen durften, während
die besseren Plätze im vorderen Teil des Busses, auf denen man mehr frische
Luft bekam, den Weißen vorbehalten waren. Aber ich mache mir nichts vor. Auch
bei uns hängt es nicht zuletzt von den persönlichen Geldmitteln ab, ob man sein
Recht nicht nur hat, sondern auch bekommt.
Artikel 4: „Die ungestörte
Religionsausübung ist gewährleistet.“
Knabe: Alleine von einem Event zum
nächsten zu springen. Das reicht nicht, um unsere Gesellschaft
zusammenzuhalten. Aber die Religionsgemeinschaften können nur durch ihr eigenes
Vorbild Menschen zu der Überzeugung bringen: Das ist eine gute Sache. Da möchte
ich dabei sein und mitmachen.
Artikel 5: „Jeder hat das
Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten.“
Knabe: Vieles lässt sich nur dann
ändern, wenn viele Menschen darauf bestehen, dass es sich ändert. Deshalb sehe
ich die Fridays-for-Future-Bewegung als den Aufbruch einer ganzen Generation,
die uns alle dazu zwingt mehr an die Zukunft unseres Planeten zu denken und
unser politisches Handeln darauf hin auszurichten.
Artikel 6: „Ehe und Familie
stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“
Knabe: Mit großem Erschrecken sehe
ich, dass viele junge Leute heute keine Familien mehr gründen, weil sie keine
berufliche Sicherheit, sondern nur zeitlich befristete Verträge bekommen. Auch
die ständige Verfügbarkeit, die ihnen von immer mehr Arbeitgebern abverlangt
wird, behindert das Ehe- und Familienleben.
Artikel 13: „Politisch
Verfolgte genießen Asyl.“
Knabe:
Als politischer Flüchtling aus der DDR habe ich 1959 am eigenen Leibe erlebt
wie schwer es ist, wenn man ohne Arbeitsstelle ist und Einheimischen gegen die
Zugezogenen zusammenhalten. Das Asylrecht ist für ein geordnetes Staatswesen
von großem Nutzen, weil es Menschen zur Toleranz erzieht. Der Anspruch auf Asyl
muss individuell und nach bestem Wissen und Gewissen auf der Basis von Fakten
geprüft werden. Starre Regeln helfen nicht. Wenn wir Flüchtlinge in die
unmenschlichen Lager nach Libyen zurückschicken, wird das
auf unsere eigene Gesellschaft abfärben, in dem die Menschen dann immer
skrupelloser miteinander umgehen. Nicht der Fitteste muss in unserer
Gesellschaft gewinnen, sondern der, der solidarisch mit anderen
zusammenarbeitet.
Artikel 21: „Die Parteien
wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“
Knabe: Die Grünen haben den
Umweltschutz zum politischen Thema gemacht und als eine wichtige
gesellschaftliche Aufgabe in die Parlamente und Verwaltungen getragen. Aber
Parteien sind kein Selbstzweck. Sie müssen ihren Kern bewahren. Die Demokratie
lebt von Wahlen und vom regelmäßigen Regierungswechsel, damit keine Partei dazu
verführt wird, ihre Anhänger besser zu bedienen als andere Bürger. Gute
Karrieren zu machen, ist nicht ehrenrührig, wenn diese nicht durch unfaire
Mittel und den Ausschluss bestimmter Menschen befördert werden.
Artikel 24: „Der Bund kann
durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.“
Knabe: Ich hoffe, dass die Vernunft
auf unserem Kontinent ausreicht, um die Europäische Union zu erhalten statt sie
weiter zu zerstören. Eine große Staatengemeinschaft kann in unserer Welt mehr
erreichen als ein einzelner Staat. Ob Umweltzerstörung oder demografischer
Wandel. Wir haben viele Großbaustellen, die wir gemeinsam angehen müssen.
Egoismus und Nationalismus können langfristig nur zum Zusammenbruch führen. Wir
brauchen Bildung und Solidarität, um das Raumschiff Erde sicher durchs All zu
steuern.
Artikel 38: Die Abgeordneten
des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und
Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Knabe: Als Bundestagsabgeordneter
der Grünen trat ich 1989 und 1990 dafür ein, dass die Einheit Deutschlands ein
erstrebenswertes Ziel sei. Das sahen viele Kollegen in meiner Fraktion damals
anders, weil sie Angst vor einem neuen deutschen Nationalismus hatten. Doch mit
Nationalismus konnte man damals in Deutschland keinen Hund hinter dem Ofen
hervorlocken. Doch das ist inzwischen leider wieder anders.
Zur Person: Dr. Wilhelm Knabe ist Forst
und Umweltwissenschaftler. Der Vater von vier erwachsene Kindern ist verwitwet.
1978 gehörte er zu den Mitbegründern der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Von
1979 bis 1984 agierte er als Parteisprecher der Grünen auf Landes- und
Bundesebene. Von 1987 bis 1990 gehörte er dem Deutschen Bundestag und von 1994
bis 1999 dem Rat der Stadt Mülheim an. Neben seinem Ratsmandat bekleidete er
damals das Amt des 2. Bürgermeisters. Heute ist Knabe Ehrenvorsitzender der
Grünen.
Dieser Text erschien am 23. Mai in NRZ und WAZ
Mittwoch, 22. Mai 2019
Aufforderung zur Dienstfahrt
Eigentlich komisch. Alle reden heute von Elektromobilität. Aber ausgerechnet in Mülheim denkt man darüber nach, die Straßenbahn abzuschaffen. Da waren unsere Vorfahren, die ihre Mark auch nur einmal ausgeben konnten, schon weiter. Sie entdeckten und schätzten die elektrische Straßenbahn als schnelles, umweltschonendes und platzsparendes Massenverkehrsmittel.
Autoverstopfte Straßen sollten für die Stadtplanung von heute doch eigentlich von gestern sein. Doch gerade gestern kannte man eben dieses Problem mit allen seinen Risiken und Nebenwirkungen nicht, weil man ja die Tram hatte, die Bürger schnell und preiswert von A nach B brachte und den anderen Verkehrsteilnehmern, die auf zwei und vier Beinen oder Rädern unterwegs waren, noch genügen Platz ließen, um ihrer Wege zu gehen und zu fahren.
Das Problem der heutigen Mobilität ist wohl, dass jeder für sich alleine vorankommen will und deshalb lieber allein im Stau steht als sich mit anderen zusammen in einen Bus oder eine Bahn zu setzen. Auch jene, die in unserem Land und in unserer Stadt über die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur entscheiden, fahren in der Regel, nicht Bus oder Bahn, sondern ihren Dienstwagen.
Dabei täte so manchem Politiker oder Planer, der bürgernah ist oder werden will eine Dienstfahrt mit Bus oder Bahn sicher gut. Denn jeder, der schon mehr als einmal mit Bus und Bahn unterwegs war, weiß, dass es keine sozialere und kommunikativere Form der Fortbewegung gibt, bei der man ganz nebenbei alles erfährt, was man über das wirkliche Leben wissen muss.
Dieser Text erschien am 22. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Autoverstopfte Straßen sollten für die Stadtplanung von heute doch eigentlich von gestern sein. Doch gerade gestern kannte man eben dieses Problem mit allen seinen Risiken und Nebenwirkungen nicht, weil man ja die Tram hatte, die Bürger schnell und preiswert von A nach B brachte und den anderen Verkehrsteilnehmern, die auf zwei und vier Beinen oder Rädern unterwegs waren, noch genügen Platz ließen, um ihrer Wege zu gehen und zu fahren.
Das Problem der heutigen Mobilität ist wohl, dass jeder für sich alleine vorankommen will und deshalb lieber allein im Stau steht als sich mit anderen zusammen in einen Bus oder eine Bahn zu setzen. Auch jene, die in unserem Land und in unserer Stadt über die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur entscheiden, fahren in der Regel, nicht Bus oder Bahn, sondern ihren Dienstwagen.
Dabei täte so manchem Politiker oder Planer, der bürgernah ist oder werden will eine Dienstfahrt mit Bus oder Bahn sicher gut. Denn jeder, der schon mehr als einmal mit Bus und Bahn unterwegs war, weiß, dass es keine sozialere und kommunikativere Form der Fortbewegung gibt, bei der man ganz nebenbei alles erfährt, was man über das wirkliche Leben wissen muss.
Dieser Text erschien am 22. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Dienstag, 21. Mai 2019
Politisches Glücksspiel
Der Europa-Wahlgang macht seinem Namen alle Ehre. Der Weg
nach Europa ist für Mutter und mich besonders weit. Normalerweise sind Wahlen
für uns ein Sonntagsspaziergang ins Wahllokal an der nächsten Straßenecke. Doch
diesmal ist alles anders. Der Aufzug in unserem Haus hat ausgerechnet vor der
Europawahl seinen Betrieb eingestellt. Seine Wiederherstellung wird uns erst am
Tag nach der Wahl in Aussicht gestellt. Schlechte Karten für die Generation
Rollator, die vor Jahrzehnten als junger Hüpfer leichtfüßig ins Obergeschoss
eingezogen ist, ohne auch nur einen Gedanken an das harte Brot der späten Jahre
zu verschwenden. So schnell wird man von seinem demokratischen Wahlrecht
abgeschnitten. Ist das nicht ein Fall ein Fall für die Europäische Union? Doch
bis Mutter und ich in Brüssel jemanden erreichen, ist die Wahl gelaufen. Also
halten wir uns an das Wahlbüro im Rathaus. Briefwahl heißt der Ausweg.
Als Kurier meiner Mutter und unserer Wahl-und
Wohngemeinschaft zeigt mir der verlängerte Wahlgang, treppauf und treppab.
Demokratie hält einen auf Trapp halten und ist ein schweißtreibendes Geschäft
sein, vor allem, wenn man daheim auf dem Küchentisch den 93 Zentimeter langen
und mit 40 Wahlvorschlägen kleinbedruckten Stimmzettel studiert und sich fragt,
wo man sein Kreuz zur Rettung des Kontinents machen soll. Christliche, soziale,
freie und ökologische Demokraten stehen auf dem grauen Wahlzettel neben den
Grünen, den Violetten und den Grauen Panthern. Auch Parteien wie die Liebe, die
Humanisten oder Menschliche Welt haben dort ihren Platz. Sollten nicht alle,
die von ins Europaparlament gewählt werden wollen, aus Liebe zu uns und in
unserem Namen für eine menschliche Welt sorgen? Auch Berufsbezeichnungen wie
Angestellter, Geschäftsführer, Beraterin oder Selbstständiger erhellen die
Wahlentscheidung mit Blick auf die Kompetenz der Kandidaten nicht. Je länger
der Wahlgang desto quälende wird die Gewissenserforschung. Doch irgendwann
haben Mutter und ich dann doch unser Kreuz gemacht, wohlwissend, dass bei einer
Quote 1 aus 40 die Chance auf einen Hauptgewinn noch unwahrscheinlicher ist als
beim klassischen Lottospiel 6 aus 45. Doch im Leben wie im Lotto gilt: Nur wer
wagt, gewinnt.
Dieser Text erschien am 21. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Montag, 20. Mai 2019
Ein Zeitsprung an der Oberhausener Straße
So sieht die Oberhausener Straße heute aus |
Wir
schauen auf die Oberhausener Straße anno 1910. Eine Postkarte aus dem
Stadtarchiv macht es möglich. Seit 1897 heißt es auch für die Styrumer: „Bitte
einsteigen“, wenn die Straßenbahn kommt. Die fährt damals im
Sieben-Minuten-Takt Richtung Mülheim und Oberhausen und befördert damals bereit
9 Millionen Fahrgäste pro Jahr. 31.000 der über 100.000 Mülheimer leben damals
in Styrum. Zum Vergleich: Heute leben 16.000 der ins insgesamt 172.000
Mülheimer in Styrum. Der Stadtteil, der von 1878 bis 1904 eine eigenständige
Bürgermeisterei war, zu der auch Dümpten und Alstaden gehörten, ist durch das
1871 von August Thyssen gegründete Stahlwerk groß geworden. Die Vorgängerin der
jetzt neu gebauten Thyssenbrücke überbrückt erst ab 1911 die Gleise der 1862
eröffneten bergisch-märkischen Eisenbahnlinie, die Thyssen nach Styrum geholt
und den ursprünglich bäuerlich geprägten Ort industrialisiert hat. 1910 muss
die Straßenbahn ihre Fahrt von Mülheim in Richtung Oberhausen noch an einem
beschrankten Bahnübergang unterbrechen, was ihren Fahrplan regelmäßig aus dem
Takt bringt. Direkt am Bahnübergang können sich die Fahrgäste in der Gaststätte
Biegmanns Hof mit einem schnellen Bierchen verkürzen. Biegmanns Hof ist damals
eine von 33 Styrumer Gaststätten. Auch 1910 ist die 2,2 Kilometer lange Oberhausener
Straße eine belebte Wohn- und Geschäftsstraße. Einige der dort in der
Kaiserzeit errichteten Häuser haben den Zweiten Weltkrieg überstanden. Auch um
1910 gehören zu den neuen Styrumern viele Zuwanderer aus Deutschland und seinen
Nachbarländern, die im aufstrebenden Industrieort Arbeit, Brot und Zukunft
suchen. Und auch damals schon passiert die Straßenbahn auf der Oberhausener
Straße den Marienplatz und die in den 1890er Jahren unter anderem mit Geld von
August Thyssen errichtete Kirche St. Mariae Rosenkranz. Auch das Gebäude der
heutigen Willy-Brandt-Schule, das wir am Horizont erkennen gehört zu den
Konstanten an der Oberhausener Straße. Anno 1910 lernen dort katholische
Volksschüler in 16 Klassen fürs Leben. Die 1908 eröffnete Schule ist modern
eingerichtet, verfügt unter anderem über eine Turnhalle, eine Schulküche,
Handwerksräume und einen Schulgarten. 1968 wird aus der Volks-eine Haupt- und
1986 eine Gesamtschule.
Dieser Text erschien am 20. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Sonntag, 19. Mai 2019
Wahlkampf auf dem Wochenmarkt
Wenn wir
heute über die Schloßstraße gehen, werden wir nicht nur auf den Wochenmarkt
stoßen, dessen Händler uns Lebensmittel anbieten. Einkaufen an der frischen
Luft macht regt den Appetit an. Mit diesem Erfolgsrezept versuchen uns derzeit
auch die Europa-Wahlkämpfer ihre politischen Appetithappen auf der Schloßstraße
und am Kurt-Schumacher-Platz zu servieren, garniert mit Kugelschreibern,
Gummibärchen, Luftballons und Chips für den Einkaufswagen und präsentiert in
den schönsten Farben. Für jeden Farb-Typ ist was dabei: Schwarz, Rot, Gelb,
Himmelblau, Grün oder Magenta. Auch die politische Poesie, die uns die
Handelsreisenden der Parteien auf dem politischen Markt der Möglichkeiten in bunten
Broschüren mit auf den Weg geben, wecken die schönsten Fantasien und verlocken
dazu, anzubeißen. „Wir schaffen das Soziale Europa!“ „Klimaschutz!“
„Miteinander!“ „Wo der Mut kommt, geht der Hass!“ „Kommt zusammen und macht
Europa stark!“ „Unser Europa gibt Sicherheit!“ „Renten sichern und erhöhen!“
Wer kann da noch widerstehen? Im Wahlkampf erscheint uns die Politik wie die
zarteste Versuchung seit es Parteien und Kandidaten gibt. Die Kandidaten, die
unsere Volksvertreter werden wollen, erscheinen uns als wahre Lichtgestalten,
die uns verstehen und alles für uns tun. Wer sich auf dem politischen Markt der
Möglichkeiten umschaut, der zuweilen wie ein politischer Märchenwald anmutet, dem
fällt Hape Kerkelings Lied ein: „Das ganze Leben ist
ein Quiz und wir sind nur die Kandidaten. Und wir raten, raten, raten“ ein. Auf
dem Wahl- wie auf dem Wochenmarkt gilt: Wir müssen uns für ein Produkt
entscheiden, ohne vorher zu wissen, ob es uns bekommt oder schwer im Magen
liegt. Schade, dass es nach einer Wahl wie bei jedem guten Menü keinen
Nachtisch gibt. Ob auf der Schloßstraße oder anderswo: Ich sähe gerne mal Plakate,
die wahrheitsgemäß verkünden: „Mieten und Strom bezahlbar gemacht!“ „Faire
Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen!“ „Steuergerechtigkeit hergestellt!“
„Waffenhandel eingestellt!“ und: „Kleptomanische Diktatoren in den Knast
gebracht!“ Das wären wirklich mal schöne Aussichten, die Lust auf die nächste
Wahl machen würden.
Dieser Text erschien am 18. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Samstag, 18. Mai 2019
Ein Zeitsprung an der Schloßstraße
Ein Blick auf die Schloßstraße 1974 und 2019
Archivfoto Franz Rolf Krapp
Aktuelles Foto Thomas Emons
|
Wir setzen
den letzten Zeitsprung fort und bleiben mit einer historischen Aufnahme aus
Franz-Rolf Krapps Buch „Mülheim nach 1945“ im September 1974. Die aktuelle
Aufnahme entstand jetzt auf dem Dach des neuen Hotels Holiday Inn Express, als
an der Stelle, an der zwischen 1953 und 2010 der Kaufhof seine Kunden anlockte.
So voll –
das historische Bild zeigt es - war die Schloßstraße, als nicht nur die
Mülheimer mit einer „Mülheimer Woche“ vom 7. bis zum 15. September 1974 ihre neue
Innenstadt feierten. Die neue Innenstadt, dass war nicht nur die Schloßstraße,
die zu einer Fußgängerzone mit Tiefgarage umgebaut worden war. Zur neuen
Innenstadt gehörten auch das im März 1974 eröffnete City-Center und der
neugeschaffene Hans-Böckler-Platz mit seinen Hochhäusern. Stadt und
Einzelhandel investierten damals 350.000 Mark in einen Festmarathon aus über 60
Einzelveranstaltungen. Konzerte, Musikumzüge, Theateraufführungen, Märkte,
Ausstellungen, Lesungen, eine Riverboat-Shuffle, Tage der offenen Türe im
Rathaus, bei der Feuerwehr und bei der Polizei, eine Kirmes am
Hans-Böckler-Platz, ein spektakuläres Feuerwerk über der Ruhr und ein nicht
minder spektakulärer Drahtseilakt, den die Traber-Familie zwischen Rathausturm
und Stadthalle aufführte, lockten während der Mülheimer Woche insgesamt rund
500.000 Menschen in die Innenstadt. Zur Eröffnung der Mülheimer Woche hatte der
damalige Oberbürgermeister Heinz Hager, der wenig später ins Amt des
Oberstadtdirektors wechseln sollte, gesagt: „Mit dem, was wir hier in der
Innenstadt getan haben und weiterhin tun, geht es uns nicht um eine dynamische
Selbstdarstellung, sondern darum, dass sich die Menschen in ihrer Stadt
begegnen und wohlfühlen können. Dabei kann man Begegnung und das Überwinden von
Anonymität nicht verordnen. Nur durch fröhliches Mittun, können sich Bürger
ihre erschließen und das Bewusstsein erleben: Das ist meine Stadt.“
Was Hager
damals sagte, gilt sicher auch heute unter völlig veränderten Rahmenbedingungen
in unserer Innenstadt.
Dieser Text erschien am 13. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Freitag, 17. Mai 2019
Stolpersteine geben NS-Opfern ein Gesicht
An Stolpersteinen nimmt man Anstoß. Doch in Mülheim und 1264 anderen Städten Europas liegen auch Stolpersteine, die ein Denkanstoß sind. Mit ihren Namen und Lebensdaten erinnern sie an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, verlegt vor ihren letzten freiwilligen Wohnorten. Die Idee dazu hatte der Künstler Gunter Demnig, der die Stolpersteine des Gedenkens seit 1996 verlegt. Am 24. Mai werden in Mülheim weitere 20 Stolpersteine verlegt. Dann werden 168 Mülheimer, die zu Opfern der NS-Diktatur geworden sind an 92 Stellen im Stadt- und Straßenbild sichtbar sein.
Genau das ist auch das Ziel der derzeit 15 Menschen, die sich in der örtlichen Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine, die sich regelmäßig im Stadtarchiv an der Von-Graefe-Straße treffen, um Opfer-Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus zu recherchieren und auf der Internetseite des Stadtarchivs www.stadtarchiv-mh.de zu dokumentieren. "Wir wollen den Opfer ein Gesicht geben", sagt der langjährige Stolperstein-Aktivist Friedrich-Wilhelm von Gehlen. Bei ihrer Arbeit werden sie von Stadtarchivarin Annett Fercho unterstützt. Akten und Meldekarten werden ausgegraben und ausgewertet. "Oft kommt der erste Hinweis von Verwandten oder Nachbarn, die die Menschen gekannt haben, die dem Hitler-Regime zum Opfer gefallen sind", berichtet Fercho. So war es auch im Fall der psychisch kranken Katharina Sandmann, deren Schicksal von ihrer Großnichte Ingvild Mathe-Anglas rechiert und dokumentiert ist. Die Journalistin wird den Lebens- und Leidensweg ihrer Großtante, der einer der neuen Stolpersteine gewidmet ist, am 23. Mai um 19 Uhr mit einem eintrittsfreien Vortrag im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37 vorstellen.
Fundierte Forschungsarbeit
Für den Leiter des Stadtarchivs, Dr. Kai Rawe, ist die Mitarbeit seines Hauses in der AG Stolpersteine "ein Teil unseres Auftrages, die Geschichte unserer Stadt nicht nur zu verwahren und zu verwalten, sondern auch aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Sinne ist die Arbeit, die hier von engagierten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern geleistet wird nicht nur eine emotionale Auseinandersetzung mit dem Schicksal der NS-Opfer, sondern eine fundierte Forschungsarbeit."
Für die Stolperstein-Rechercheurin und Autorin Christel Squarr-Tittgen geht es darum "mit den Opfer-Biografien Geschichte erlebbar zu machen und das perfide Verfolgungssystem der Nationalsozialisten aufzuzeigen." Ihr Kollege David Bakum (19) möchte den NS-Opfern "ihren Namen zurückgeben" und mit dazu beitragen, "dass sich diese Geschichte nicht wiederholt." Als Mitglied der Jüdischen Gemeinde hat seine Mitarbeit in der AG Stolpersteine nicht nur eine historische, sondern auch eine biografische Dimension. "Es ist schon ein gruseliges Gefühl, wenn man die Akten in Händen hält, die damals Menschen in Händen gehalten und bearbeitet haben, die nichts gutes im Schilde führten", sagt Bakum.
Angesichts der Tatsache, dass allein 270 jüdische Mülheimer dem Holocaust zum Opfer gefallen sind, geht Friedrich Wilhelm von Gehlen davon aus, dass die jetzt vorliegenden 168 Opfer-Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus noch lange nicht das Ende der Recherche- und Dokumentationsarbeit der AG Stolpersteine bedeuten. Diese Arbeit, daran erinnert Bürgermeisterin Margarete Wietelmann jetzt bei der Vorstellung der neuen Stolperstein-Etappe, wurde in Mülheim 2004 von Schülern der Realschule Stadtmitte begonnen. Zum 75. Geburtstag ihrer Schule recherchierten und dokumentierten sie damals die Biografien jüdischer Mitschüler, die im Zuge des Holocaust ermordet worden waren.
Auch wenn sich Friedrich Wilhelm Gehlen an einen Fall erinnern kann, in dem ein Mann gegen die Verlegung eines Stolpersteins vor seinem Haus protestierte, "weil dann ja jeder weiß, dass ich das Haus damals für einen Appel und ein Ei gekauft habe", sieht er in der Tatsache, dass sich immer wieder Spender für die 120 Euro kostenden Stolpersteine mit den in Messing gravierten Namen und Lebensdaten der NS-Opfer finden, dass diese Form des Gedenkens im öffentlichen Raum in der Mülheimer Bürgerschaft eine breite Akzeptanz findet.
Dieser Text erschien am 16. Mai 2019 im Lokalkompass der Mülheimer Woche
Donnerstag, 16. Mai 2019
Auf den Mülheimer Spuren der EU
"Was haben wir mit der Europäischen Union zu tun? Das bringt doch nichts und kostet nur unser Steuergeld, mit denen die Eurokraten in Brüssel durchgefüttert werden." Solche und ähnliche EU-kritische Stimmen hört man vor der europäischen Parlamentswahl am 26. Mai immer wieder. Deshalb luden der Regionalverband Ruhr (RVR) und die kommunale Wirtschaftsförderung Mülheim & Business 13 Tage vor der Wahl interessierte Bürger zu einer Europa-Tour durch Mülheim.
23 Frauen und Männer waren mit von der Partie, nahmen sich sechs Stunden Zeit, um an verschiedenen Standorten der Stadt zu erfahren, wie die Europäische Union in Mülheim Geld an die Bürgerinnen und Bürger seines größten Nettozahlers Deutschland zurückgibt.
Impulse für die Stadtentwicklung
Schon beim Start im Ratssaal hatte Tour-Leiter Paul Richard Gromnitza eine beeindruckende Zahl parat. Seit 2007 sind 23 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt nach Mülheim geflossen. Außerdem steigert die EU das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland um 1045 Euro. "Allein in das Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania, zu dem auch das Haus der Wirtschaft gehört, hat die Europäische Union 5,9 Millionen Euro investiert", verrät Klaus Beisiegel aus dem Bau- und Planungsdezernat der Stadt. Er weist darauf hin, dass die Stadt Fördermittel der EU nicht beliebig beantragen und ausgeben könne, sondern sich mit ihren Förderanträgen an den regionalen thematischen Förderschwerpunkten der EU orientieren müsse, um deutsches Steuergeld aus Brüssel zurück nach Deutschland zu holen. Ganz nebenbei erfahren die Mülheimer EU-Touristen von Beisiegel, warum es auf dem Platz am Hafenbecken keine Bäume gibt. Das werde durch den Rumbach und eine Starkstromleitung im Erdreich des Platzes verhindert.
Dass die EU in Mülheim Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft schafft, lässt Zenit-Geschäftsführer Carsten Lemke seine Besucher an der nächsten Station im Haus Urge an der Bismarckstraße wissen. 60 Zenit-Mitarbeiter erwirtschaften hier einen Jahresumsatz von 4,6 Millionen Euro, in dem sie kleine und mittlere Unternehmen dahingehend beraten, welche EU-Fördermittel sie wie in Anspruch nehmen können und wie sie zum Beispiel durch Kooperationen mit anderen europäischen Unternehmen und Hochschulen innovativer werden und neue Märkte in der Europäischen Union und darüber hinaus erschließen können.
"Bei der Vergabe ihrer Fördermittel ist die EU sehr sorgfältig und transparent. Alle Ausgaben der verschiedenen EU-Fonds kann man im Internet nachlesen. Außerdem werden alle Förderanträge von drei unabhängigen Gutachtern der EU geprüft, die für Antragsteller unbekannt sind", erklärt der Zenit-Geschäftsführer das Prozedere. 7.000 Beratungen und 70.000 Fachgespräche in den letzten zehn Jahren und ein internationales Netzwerk mit 1,7 Millionen Teilnehmern und 600 Standorten in 60 Ländern sprechen für sich.
Geld für die Forschung
Weiter geht es zum Max-Planck-Institut für Kohlenforschung am Kahlenberg. Hier machen derzeit 380 Mitarbeiter chemische Grundlagenforschung. In den dortigen Laboren, Büros, Werkstätten und Hörsälen geht es um auch energietechnisch relevante chemische Grundlagenforschung. Welch internationales Renommee das zwischen 1943 und 1969 vom Chemie-Nobelpreisträger Karl Ziegler geleitete Max-Planck-Institut für Kohlenforschung bis heute genießt, machen nicht nur die rund 15 Millionen Euro deutlich, mit denen die EU das Institut in den letzten zehn Jahren unterstützt hat. Auch die Tatsache, dass der geschäftsführende Direktor des Institutes, Prof. Dr. Tobias Ritter, nach einer zehnjährigen Lehrtätigkeit als Professor an der amerikanischen Elite-Universität Harvard an das Mülheimer Institut gewechselt ist, spricht dafür.
Wie am Max-Planck-Institut, wird auch in den Gesprächen an der Hochschule Ruhr-West deutlich, dass die Freizügigkeit des Europäischen Binnenmarktes für den Wissenschaftsbetrieb unverzichtbar ist. Auch wenn HRW-Vizepräsident Oliver Koch und Christiane Hinrichs die Europa-Aktivitäten der vor zehn Jahren gegründeten Hochschule als noch im Aufbau begriffen beschreiben, ist es doch beeindruckend, dass die EU die HRW seit 2009 mit insgesamt rund 500.000 Euro gefördert hat und dass die HRW inzwischen Partnerschaften mit Hochschulen in Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Ungarn, der Türkei, Österreich, Schweden, Finnland, Litauen und Lettland unterhält. Jährlich nutzen derzeit 20 Studierende die Möglichkeit, an einer der europäischen Partner-Universitäten zu studieren und so internationale Erfahrungen zu sammeln. Die EU unterstützt ihre Auslandssemester mit einem monatlichen Stipendium von maximal 450 Euro.
Förderung der sozial Schwachen
Dass die Europäische Union auch Geld für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik übrig hat, zeigt die letzte Station der EU-Tour durch Mülheim, die die 23 Bildungsreisenden zum U25-Haus der Sozialagentur an der Viktoriastraße. Hier berichten Anke Schürmann-Rupp, Andrea Faßbender und Birgit Mohr von 20 Projekten der Sozialagentur, in die seit 2007 Fördermittel der EU geflossen seien. Besonders gerne erinnern sie sich an das Projekt BIWAQ, in das die EU 700.000 Euro investierte. Mit diesem Geld konnten zwischen 2016 und 2018 rund 140 Langzeitarbeitslose durch gezielte Beratungs,- Trainings,- und Akquise-Maßnahmen wieder in Lohn und Brot gebracht werden.
Stimmen zur EU-Tour durch Mülheim:Franziska Sander (Dümpten): "Diese Tour hat mir zum Beispiel bei Zenit oder am Max-Planck-Institut Dinge gezeigt, die ich sonst nicht hätte entdecken können. Und dann noch zu hören, wo in Mülheim was mit Geldern der EU gemacht wird, war schon spannend."
Ilse Büllmann (Broich): "Bei dieser Tour habe ich so viel gesehen und gelernt. Das hätte ich mir alleine niemals anlesen können."
Ilse Büllmann (Broich): "Bei dieser Tour habe ich so viel gesehen und gelernt. Das hätte ich mir alleine niemals anlesen können."
Monika Nover: "Jetzt weiß ich als überzeugte Europäerin, was ich Menschen sagen kann, wenn sie mich fragen: Was tut die EU eigentlich für uns?"
Elke Dombrowski aus Speldorf: "Ich bin begeistert, was die EU alles in Mülheim fördert. Ich bin jetzt nicht mehr so kritisch gegenüber der Europäischen Union eingestellt."
Dietmar Prell aus Heißen: "Die Tour hat mir ganz neue und tiefe Einblicke vermittelt. Unseren Besuch beim Max-Planck-Institut fand ich besonders spannend. Und mir ist deutlich geworden wie dankbar wir sein können, dass wir auch dank der Europäischen Union in Frieden leben dürfen."
Dieser Text erschien am 14. Mai 2019 im Lokalkompass der Mülheimer Woche
Dienstag, 14. Mai 2019
Was Mütter wirklich lieben
Am 12. Mai 1907 feierte die Amerikanerin Anna Jarvis mit
einem Gedenkgottesdienst für ihre 1905 verstorbene Mutter, in dessen Anschluss
sie an alle Mütter in ihrer Gemeinde weiße Rosen verteilte den ersten Muttertag
der Geschichte.
Deshalb war gestern auch Mutters großer Tag. Alle haben sie
an sie gedacht. Blumen,- Parfüm und Pralinen wurden ihr von geschäftstüchtigen
Händlern als Präsent zu ihrem Ehrentag offeriert. Doch Mutter ist alt genug und
hat genug erlebt, um zu wissen, dass nicht alle Blütenträume reifen. So mancher
und so manche, die eine große Wolke vor sich herschoben und Mutter Glauben machten,
dass sie sie gut riechen könne, verdufteten am Ende sang- und klanglos. Und
auch so mancher Süßholzraspler, der sich als zarteste Versuchung offerierte,
hat sich in ihrem Leben als bittere Enttäuschung entpuppt. Deshalb feierte
Mutter ihren Tag lieber ganz ohne blumige Komplimente und ohne jede Duftwolke,
frei nach Trude Herr: „Ich will keine Schokolade, sondern lieber eine gesellige
Runde mit meinen Kindern, in der wir uns aneinander freuen und darauf anstoßen,
dass wir alle zusammen noch möglichst viele Muttertage erleben dürfen.“ Das
hätte sich auch Anna Jarvis gefallen, die sich bereits in den 1920er Jahren
gegen die Kommerzialisierung des von ihr eingeführten Muttertages vehement aber
vergeblich wehrte.
Dieser Text erschien am 13. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Sonntag, 12. Mai 2019
Auf gutem Grund
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Diesen Satz haben die 61 Väter und 4 Mütter des Grundgesetzes bewusst an den Anfang unserer Verfassung gestellt, die am 23. Mai 2019 ihren 70. Geburtstag feiert. Nicht von ungefähr haben sie den Artikel 1 ebenso wie den Artikel 20 des Grundgesetzes, der unser Land zum demokratischen und sozialen Rechtsstaat erklärt mit der sogenannten Ewigkeitsklausel des Artikel 79 der Verfügbarkeit des Gesetzgebers entzogen.
Die Männer und Frauen, die vor 70 Jahren das Grundgesetz für die damals noch westdeutsche Bundesrepublik in Kraft setzten, hatten am eigenen Leibe erlebt wozu politischer Extremismus führen konnte. Der Christdemokrat Konrad Adenauer, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher und der Freidemokrat Theodor Heuss, nach denen auch in Mülheim eine Brücke und zwei Plätze benannt sind, hatten die Verfolgung durch die Nationalsozialisten selbst erlitten. Sie waren durch die moralische Katastrophe von Diktatur, Krieg und Holocaust gezeichnet, aber auch motiviert ein neues, besseres und freieres Deutschland aufzubauen.
Der Sozialdemokrat Schumacher hatte als Reichstagsabgeordneter 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt. Der Christdemokrat Adenauer war von den Nazis als Oberbürgermeister Kölns seines Amtes enthoben und später inhaftiert worden. Der Liberale Heuss musste mit der Scham leben, als Reichstagsabgeordneter der Deutschen Staatspartei im März 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt zu haben, dass die Weimarer Reichsverfassung von 1919 außer Kraft setzte und den Weg in die Diktatur geebnet hatte.
Mit Blick auf die Verbrechen der NS-Herrschaft sprach Heuss als erster Bundespräsident später davon, dass es keine deutsche Kollektivschuld geben könne, aber das es eine deutsche Kollektivscham geben müsse. Es sollte bis zum 8. Mai 1985 dauern, ehe der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Tag, an dem der 2. Weltkrieg mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu Ende ging, auch für die Deutschen als "Tag der Befreiung" deklarierte und aus den Erfahrungen vor und nach 1933 die historische Lehre zog: "Ehren wir die Freiheit!"
Wer das heutige politische Geschehen betrachtet, weiß: Weizsäckers Forderung ist so aktuell wie damals. Die Tatsache, dass wir den 70. Geburtstag des Grundgesetzes feiern können, ist ein Anlass zur Freude und zur Dankbarkeit. Seinen Verfassungsvorgängern von 1849, 1871 und 1919 war keine so lange Zeitspanne beschieden. Es spricht für die Weitsichtigkeit und Qualität des Grundgesetzes, dass es auch nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als gesamtdeutsche Verfassung Bestand hatte und nicht durch eine neue Verfassung abgelöst werden musste.
70 Jahre Grundgesetz erinnern uns aber auch schmerzhaft daran, dass Deutschland, die historischen Chancen auf eine friedliche Demokratisierung und Parlamentarisierung vertan hat und zwei Weltkriege und eine Diktatur brauchte, ehe sich auch bei uns unter dem Druck der äußeren Verhältnisse eine parlamentarische Demokratie etablieren konnte. Auch heute müssen wir anerkennen, dass die verfassungsrechtlich verbrieften Grundrechte der Grundgesetz-Artikel 1-19 keine Selbstläufer sind, sondern immer wieder auf ihre soziale Wirklichkeit überprüft werden müssen. Sie bleiben so eine dauerhafte Herausforderung und Bewährungsprobe für unsere Demokratie, die täglich neu gestaltet und auch verteidigt werden muss. In diesem Zusammenhang muss man daran erinnern, dass das von der sozialdemokratischen Juristin Elisabeth Selbert gegen erhebliche Widerstände durchgesetzte Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetz-Artikels 3 in der sozialen Wirklichkeit bis heute immer wieder neu durchgesetzt werden muss. Rückblickend erscheint es zum Beispiel unfassbar, dass es bis in die 1970er Jahre hinein dauerte, ehe Ehefrauen, ohne die Zustimmung ihres Ehemannes einen Arbeitsvertrag unterschreiben und ein Konto eröffnen konnten.
Und die Tatsache, dass sich Bundestag und Bundestag in der Gesetzgebung zuweilen gegenseitig blockieren, was der Präsident des Parlamentarischen Rates und erste Bundeskanzler Konrad Adenauer vorausgesehen hatte, zeigt ebenso wie die Tatsache eines durch Ausgleichs- und Überhangmandate aufgeblähten Bundestages, dass auch das Grundgesetz seine strukturellen und reformbedürftigen Schwächen hat. Auch in diesem Punkt hatte Konrad Adenauer Weitsicht bewiesen, in dem er vor 70 Jahren die Einführung des wahlkreisbezogenen Mehrheitswahlrechtes, einen auf 250 Abgeordnete begrenzten Bundestag und als Bundesvertretung der Länder einen Senat nach amerikanischen Vorbild gefordert hatte, sich damit aber leider nicht durchsetzen konnte.
Aus meine Vortrag beim Rotary Club Mülheim an der Ruhr vom 6. Mai 2019
Die Männer und Frauen, die vor 70 Jahren das Grundgesetz für die damals noch westdeutsche Bundesrepublik in Kraft setzten, hatten am eigenen Leibe erlebt wozu politischer Extremismus führen konnte. Der Christdemokrat Konrad Adenauer, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher und der Freidemokrat Theodor Heuss, nach denen auch in Mülheim eine Brücke und zwei Plätze benannt sind, hatten die Verfolgung durch die Nationalsozialisten selbst erlitten. Sie waren durch die moralische Katastrophe von Diktatur, Krieg und Holocaust gezeichnet, aber auch motiviert ein neues, besseres und freieres Deutschland aufzubauen.
Der Sozialdemokrat Schumacher hatte als Reichstagsabgeordneter 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt. Der Christdemokrat Adenauer war von den Nazis als Oberbürgermeister Kölns seines Amtes enthoben und später inhaftiert worden. Der Liberale Heuss musste mit der Scham leben, als Reichstagsabgeordneter der Deutschen Staatspartei im März 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt zu haben, dass die Weimarer Reichsverfassung von 1919 außer Kraft setzte und den Weg in die Diktatur geebnet hatte.
Mit Blick auf die Verbrechen der NS-Herrschaft sprach Heuss als erster Bundespräsident später davon, dass es keine deutsche Kollektivschuld geben könne, aber das es eine deutsche Kollektivscham geben müsse. Es sollte bis zum 8. Mai 1985 dauern, ehe der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den Tag, an dem der 2. Weltkrieg mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu Ende ging, auch für die Deutschen als "Tag der Befreiung" deklarierte und aus den Erfahrungen vor und nach 1933 die historische Lehre zog: "Ehren wir die Freiheit!"
Wer das heutige politische Geschehen betrachtet, weiß: Weizsäckers Forderung ist so aktuell wie damals. Die Tatsache, dass wir den 70. Geburtstag des Grundgesetzes feiern können, ist ein Anlass zur Freude und zur Dankbarkeit. Seinen Verfassungsvorgängern von 1849, 1871 und 1919 war keine so lange Zeitspanne beschieden. Es spricht für die Weitsichtigkeit und Qualität des Grundgesetzes, dass es auch nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als gesamtdeutsche Verfassung Bestand hatte und nicht durch eine neue Verfassung abgelöst werden musste.
70 Jahre Grundgesetz erinnern uns aber auch schmerzhaft daran, dass Deutschland, die historischen Chancen auf eine friedliche Demokratisierung und Parlamentarisierung vertan hat und zwei Weltkriege und eine Diktatur brauchte, ehe sich auch bei uns unter dem Druck der äußeren Verhältnisse eine parlamentarische Demokratie etablieren konnte. Auch heute müssen wir anerkennen, dass die verfassungsrechtlich verbrieften Grundrechte der Grundgesetz-Artikel 1-19 keine Selbstläufer sind, sondern immer wieder auf ihre soziale Wirklichkeit überprüft werden müssen. Sie bleiben so eine dauerhafte Herausforderung und Bewährungsprobe für unsere Demokratie, die täglich neu gestaltet und auch verteidigt werden muss. In diesem Zusammenhang muss man daran erinnern, dass das von der sozialdemokratischen Juristin Elisabeth Selbert gegen erhebliche Widerstände durchgesetzte Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetz-Artikels 3 in der sozialen Wirklichkeit bis heute immer wieder neu durchgesetzt werden muss. Rückblickend erscheint es zum Beispiel unfassbar, dass es bis in die 1970er Jahre hinein dauerte, ehe Ehefrauen, ohne die Zustimmung ihres Ehemannes einen Arbeitsvertrag unterschreiben und ein Konto eröffnen konnten.
Und die Tatsache, dass sich Bundestag und Bundestag in der Gesetzgebung zuweilen gegenseitig blockieren, was der Präsident des Parlamentarischen Rates und erste Bundeskanzler Konrad Adenauer vorausgesehen hatte, zeigt ebenso wie die Tatsache eines durch Ausgleichs- und Überhangmandate aufgeblähten Bundestages, dass auch das Grundgesetz seine strukturellen und reformbedürftigen Schwächen hat. Auch in diesem Punkt hatte Konrad Adenauer Weitsicht bewiesen, in dem er vor 70 Jahren die Einführung des wahlkreisbezogenen Mehrheitswahlrechtes, einen auf 250 Abgeordnete begrenzten Bundestag und als Bundesvertretung der Länder einen Senat nach amerikanischen Vorbild gefordert hatte, sich damit aber leider nicht durchsetzen konnte.
Aus meine Vortrag beim Rotary Club Mülheim an der Ruhr vom 6. Mai 2019
Samstag, 11. Mai 2019
Wenn man eine Reise macht
Wer eine Reise macht, der kann was erleben. Das gilt auch für
eine Straßenbahnfahrt. Fahrgäste warten auf ihre Straßenbahn. Die kommt pünktlich.
Doch der Fahrer lässt seine Fahrgäste nicht einsteigen. Die Türen der Tram
bleiben geschlossen und aus dem Haltestellenlautsprecher ertönt die
Aufforderung: „Nicht einsteigen!“ Die Fahrgäste stehen wie der Ochse vorm Berg.
Nur, dass auf dem Richtungsanzeiger kein Ziel, sondern Dienstfahrt steht, lässt
die ausgesperrten Fahrgäste ahnen, dass da was nicht stimmt. Hat der Fahrer
seine gesetzliche Arbeitszeit überschritten und will ungestört in den
Feierabend fahren? Zugegeben. Fahrgäste können manchmal ganz schön nerven und
den Fahrer von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Fahren, ablenken.
Aber Fahrgäste sind auch nur Menschen und dazu noch zahlende
Kunden eines Vekehrsunternehmens, die mit dem festen Vorsatz in Busse und
Bahnen einsteigen, ihr Ziel pünktlich zu erreichen. Als solche hätten sie sich
eine Durchsage gewünscht, die über „Nicht einsteigen!“ hinausgegangen und den
Grund für die unerwartete Aussperrung und die damit verbundene zusätzliche
Wartezeit erklärt hätte.
Erst später erfahre ich auf eigene Nachfrage aus berufenem Munde,
dass die verschlossene Straßenbahn defekt war und deshalb keine Fahrgäste
zusteigen lassen konnte. So ist die verkorkste Straßenbahnfahrt ein Sinnbild dafür,
was bei unserer gesellschaftspolitischen Zeitreise schiefläuft. Wo klare
Ansagen zur rechten Zeit fehlen und Menschen nicht mitgenommen werden, braucht
man sich nicht wundern, wenn immer mehr von ihnen nicht mehr ein,- sondern nur
noch aussteigen und nicht mehr mitfahren und bezahlen wollen. So wird die
Dienstfahrt im Zug der Zeit zur Farce. Vielleicht sollte man unsere Steuerleute
in ihren Chefetagen wie bei der Papst-Wahl im Konklave solange einsperren bis
sie zu gescheiten Ergebnissen kommen. Bis dahin hieße die klare Ansage: „Nicht
aussteigen!“
Dieser Text erschien am 11. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Mittwoch, 8. Mai 2019
Alles hat seine Zeit
Wer hätte gedacht, dass die Busse und Bahnen der Ruhrbahn so beliebt beim Nachwuchs sind. Ein kleiner Mann war jetzt so begeistert von der Straßenbahnfahrt, dass er gar nicht mehr aussteigen wollte. Die Frau Mama wartete schon ungeduldig mit seinem Tretroller draußen auf der Haltestelleninsel, während es sich der kleine Mann noch seelenruhig im Durchgang der Tram gemütlich machte. Um ein Haar hätte der renitente Knirps noch eine Rundfahrt ohne seine Mutter gemacht. Doch dann hieß es für den kleinen Mann, frei nach Goethe: "Halb zog sie ihn, halb sank er hin!" Da verstehen Muttis, die noch was vorhaben und vorankommen wollen im Leben, keinen Spaß.
Und der kleine Knirps? Er musste sich in sein Schicksal quengelnd fügen und seinen Weg auf dem Tretroller fortsetzen und so lernen, dass man sich im Leben schon früh abstrampeln musss, um ans Ziel zu kommen, ob es einem gefällt oder nicht.
Aber keine Angst, kleiner Mann. Schon bald bist du etwas größer und dann gehst du ganz allein mit dem Schüler-Schokoticket auf Bus- und Bahntour. Und die Mutti wird froh sein, wenn sie dich nicht zu schnell wieder sieht wie mir ein Schülergespräch in der selben Bahn wenig später bewies: "Meine Mutter wird sich erschrecken. Wieso denn das? Sie erwartet mich erst um 16 Uhr zurück. Doch weil Mathe und Deutsch heute ausfallen, bin ich schon drei Stunden eher zuhause."
Dieser Text erschien am 7. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Dienstag, 7. Mai 2019
Lehrreiches Leergut
Immer öfter begegnen mir bei meinem Gang durch die Stadt
Flaschen. Ich meine nicht die Flaschen, an die Sie vielleicht denken. Von ganz
normalen Flaschen ist die Rede. Sie haben recht. Was bitte ist heute noch
normal, zumal, wenn von Flaschen die Rede ist? Also ich rede jetzt von
Glasflaschen. Dabei handelt es sich in 9 von 10 Flaschen um Flaschen, in denen
vorher Bier abgefüllt war. In einer Stadt, in der der Oberbürgermeister
politisch in die Zwickmühle gekommen ist, weil er von Amtswegen und damit auf
Kosten der Stadt und ihrer Steuerzahler die eine oder andere Flasche Wein zu
viel geleert hat, stellt sich die Frage: Warum kümmert sich niemand um die
leeren Bierflaschen, die als Leergut ungenutzt im Stadtgebiet herumstehen.
Haben die durstigen Herrschaften, die sie achtlos zurückgelassen haben zu viel
Geld in der Tasche als das sie ihr Leergut im nächsten Getränke- oder
Supermarkt als Pfandgut zu Geld machen? Wahrscheinlich nicht. Es wird wohl so
sein, dass sie nicht nur eine Flasche Bier geleert und am Ende einfach den
Überblick verloren haben. Wenn man erst mal einen bestimmten Promille-Bereich
überschritten hat, ist einem eigentlich alles Wurst und man sieht den Wald vor
lauter Bäumen nicht mehr, geschweige denn die nächste Rückgabemöglichkeit fürs
teuer ausgetrunkene Leergut. Jetzt frage ich mich, ob der OB seinen weinseligen
Schnitzer vielleicht dadurch wiedergutmachen könnte, in dem er das herrenlose
Leergut aus dem Stadtgebiet entfernt oder entfernen lässt und die daraus
resultierenden Erlöse dem sich zu Tode sparenden Stadtkämmerer zugutekommen
ließe. Vielleicht würde das dann auch die Stimmung im Verwaltungsvorstand wieder
um einige Promille heben. Aber ich gebe zu. Das ist eine Schnapsidee. Denn wenn
unsere Stadtspitzen plötzlich so gute Laune bekommen, dass sie sich vielleicht
auch noch die eine oder andere Weinflasche ohne Pfand gönnen, dann sind wir
wieder da, wo wir ja gar nicht mehr hinwollten.
Dieser Text erschien am 6. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
Hochburg adieu!
In der nordenglischen Partnerstadt Darlington musste die Labour Party jetzt erfahren, was die Mülheimer Sozialdemokraten bereits seit 1994 wissen. Es gibt keine natürlichen Hochburgen mehr, in der die Menschen traditionell immer eine Partei wählen, komme, was da wolle.
Und so wurden bei den jüngsten Kommunalwahlen in Darlington die Konservativen mit 22 Mandaten erstmals zur stärksten Partei. Labour landete mit 20 Mandaten nur auf dem zweiten Platz. Auch die europafreundlichen Liberaldemokraten, die landesweit punkten konnten, kamen in Darlington über ihren Status quo von drei Mandaten nicht hinaus. Stattdessen zogen erstmals zwei Grüne und drei Unabhängige in den Stadtrat ein.
Für den Labour-Stadtrat Thomas Nutt, der nach 16 Jahren im Stadtparlament auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte, sind der Links-Kurs von Labour-Chef Jeremy Corbyn und seine zwiespältige Haltung in der Brexit-Frage die Hauptgründe für die Niederlage seiner Partei, Gut für Mülheim, das seit 1953 durch eine Städtefreundschaft mit Darlington verbunden ist, dass Tom Nutt auch nach seinem Abschied aus der Kommunalpolitik seinem ehrenamtlichen Engagement als Vorsitzender der Twin Town Association und damit dem Einsatz für die bewährte Städtepartnerschaft treu bleibt.
Und so wurden bei den jüngsten Kommunalwahlen in Darlington die Konservativen mit 22 Mandaten erstmals zur stärksten Partei. Labour landete mit 20 Mandaten nur auf dem zweiten Platz. Auch die europafreundlichen Liberaldemokraten, die landesweit punkten konnten, kamen in Darlington über ihren Status quo von drei Mandaten nicht hinaus. Stattdessen zogen erstmals zwei Grüne und drei Unabhängige in den Stadtrat ein.
Für den Labour-Stadtrat Thomas Nutt, der nach 16 Jahren im Stadtparlament auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte, sind der Links-Kurs von Labour-Chef Jeremy Corbyn und seine zwiespältige Haltung in der Brexit-Frage die Hauptgründe für die Niederlage seiner Partei, Gut für Mülheim, das seit 1953 durch eine Städtefreundschaft mit Darlington verbunden ist, dass Tom Nutt auch nach seinem Abschied aus der Kommunalpolitik seinem ehrenamtlichen Engagement als Vorsitzender der Twin Town Association und damit dem Einsatz für die bewährte Städtepartnerschaft treu bleibt.
Sonntag, 5. Mai 2019
Das Buch lebt
Das KÖB-Team aus dem Kloster Saarn |
Dafür, dass diese kulturelle Errungenschaft lebendig bleibt, stehen auch die 28 Frauen und Männer, die allein im letzten Jahr 6000 Arbeitsstunden geleistet haben, um die vor 170 Jahren vom Pfarrer Franz Lamm gegründete Bücherei im Kloster Saarn zu einem Ort der Kommunikation zu machen. Sie treten damit in die Fußstapfen von Menschen wie Maria Breuer und Ludwig Römer, die die ehrenamtliche Leitung der Klosterbücherei auch in schweren und schwersten Jahren zu ihre Lebensaufgabe gemacht und sie so erhalten haben.
Lesetechnisch stehen, so verrät ihre heutige Nachfolgerin Henni Reinke, vor allem Kriminalromane hoch im Kurs. Aber auch theologische Literatur, Gesellschaftsspiele, Hörbücher oder Zeitschriften, finden in der katholischen öffentlichen Bücherei ihre Abnehmer. Allein 2018 haben die 550 Bibliotheksbenutzer 17.900 Mal eines der 13.700 Medien aus dem Büchereibestand entliehen.
Aktivitäten des ehrenamtlichen Bibliotheksteams wie das Bilderbuchkino oder der Bibliotheksführerschein für Grundschüler zeigen, dass das gute alte Buch auch die ganz junge Generation begeistern kann. Wer mit den ehrenamtlichen Mitarbeitenden und den Kunden der Katholischen Öffentlichen Bücherei der Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt ins Gespräch kommt, erfährt, dass Bücher in welcher Form auch immer Lebensfreude, Lebenssinn und Gemeinschaft in einer Gesellschaft stiften, in der zu viele Menschen vereinsamen und verzweifeln. Tatsächlich strahlen die Klosterräume, in die die Bibliothek 1986 eingezogen ist, eine gemütliche und kontemplative Atmosphäre aus, die zum Verweilen einlädt. Hans-Theo Horn, ehemaliger Kulturdezernent Mülheims und einer der Väter der im Kloster Saarn eingerichteten Bürgerbegegnungsstätte sieht die Bücherei im Kloster Saarn denn auch als einen "attraktiven kulturellen und geistigen Ausdruck von Kirche."
Meine Berichte zu diesem Thema erschienen am 4. und 5. Mai 2019 im NRW & in der NRZ/WAZ
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