Am 12. Mai 1907 feierte die Amerikanerin Anna Jarvis mit
einem Gedenkgottesdienst für ihre 1905 verstorbene Mutter, in dessen Anschluss
sie an alle Mütter in ihrer Gemeinde weiße Rosen verteilte den ersten Muttertag
der Geschichte.
Deshalb war gestern auch Mutters großer Tag. Alle haben sie
an sie gedacht. Blumen,- Parfüm und Pralinen wurden ihr von geschäftstüchtigen
Händlern als Präsent zu ihrem Ehrentag offeriert. Doch Mutter ist alt genug und
hat genug erlebt, um zu wissen, dass nicht alle Blütenträume reifen. So mancher
und so manche, die eine große Wolke vor sich herschoben und Mutter Glauben machten,
dass sie sie gut riechen könne, verdufteten am Ende sang- und klanglos. Und
auch so mancher Süßholzraspler, der sich als zarteste Versuchung offerierte,
hat sich in ihrem Leben als bittere Enttäuschung entpuppt. Deshalb feierte
Mutter ihren Tag lieber ganz ohne blumige Komplimente und ohne jede Duftwolke,
frei nach Trude Herr: „Ich will keine Schokolade, sondern lieber eine gesellige
Runde mit meinen Kindern, in der wir uns aneinander freuen und darauf anstoßen,
dass wir alle zusammen noch möglichst viele Muttertage erleben dürfen.“ Das
hätte sich auch Anna Jarvis gefallen, die sich bereits in den 1920er Jahren
gegen die Kommerzialisierung des von ihr eingeführten Muttertages vehement aber
vergeblich wehrte.
Dieser Text erschien am 13. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
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