Donnerstag, 16. Mai 2019

Auf den Mülheimer Spuren der EU

"Was haben wir mit der Europäischen Union zu tun? Das bringt doch nichts und kostet nur unser Steuergeld, mit denen die Eurokraten in Brüssel durchgefüttert werden." Solche und ähnliche EU-kritische Stimmen hört man vor der europäischen Parlamentswahl am 26. Mai immer wieder. Deshalb luden der Regionalverband Ruhr (RVR) und die kommunale Wirtschaftsförderung Mülheim & Business 13 Tage vor der Wahl interessierte Bürger zu einer Europa-Tour durch Mülheim.
23 Frauen und Männer waren mit von der Partie, nahmen sich sechs Stunden Zeit, um an verschiedenen Standorten der Stadt zu erfahren, wie die Europäische Union in Mülheim Geld an die Bürgerinnen und Bürger seines größten Nettozahlers Deutschland zurückgibt.

Impulse für die Stadtentwicklung

Schon beim Start im Ratssaal hatte Tour-Leiter Paul Richard Gromnitza eine beeindruckende Zahl parat. Seit 2007 sind 23 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt nach Mülheim geflossen. Außerdem steigert die EU das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland um 1045 Euro. "Allein in das Stadtentwicklungsprojekt Ruhrbania, zu dem auch das Haus der Wirtschaft gehört, hat die Europäische Union 5,9 Millionen Euro investiert", verrät Klaus Beisiegel aus dem Bau- und Planungsdezernat der Stadt. Er weist darauf hin, dass die Stadt Fördermittel der EU nicht beliebig beantragen und ausgeben könne, sondern sich mit ihren Förderanträgen an den regionalen thematischen Förderschwerpunkten der EU orientieren müsse, um deutsches Steuergeld aus Brüssel zurück nach Deutschland zu holen. Ganz nebenbei erfahren die Mülheimer EU-Touristen von Beisiegel, warum es auf dem Platz am Hafenbecken keine Bäume gibt. Das werde durch den Rumbach und eine Starkstromleitung im Erdreich des Platzes verhindert.
Dass die EU in Mülheim Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft schafft, lässt Zenit-Geschäftsführer Carsten Lemke seine Besucher an der nächsten Station im Haus Urge an der Bismarckstraße wissen. 60 Zenit-Mitarbeiter erwirtschaften hier einen Jahresumsatz von 4,6 Millionen Euro, in dem sie kleine und mittlere Unternehmen dahingehend beraten, welche EU-Fördermittel sie wie in Anspruch nehmen können und wie sie zum Beispiel durch Kooperationen mit anderen europäischen Unternehmen und Hochschulen innovativer werden und neue Märkte in der Europäischen Union und darüber hinaus erschließen können.
"Bei der Vergabe ihrer Fördermittel ist die EU sehr sorgfältig und transparent. Alle Ausgaben der verschiedenen EU-Fonds kann man im Internet nachlesen. Außerdem werden alle Förderanträge von drei unabhängigen Gutachtern der EU geprüft, die für Antragsteller unbekannt sind", erklärt der Zenit-Geschäftsführer das Prozedere. 7.000 Beratungen und 70.000 Fachgespräche in den letzten zehn Jahren und ein internationales Netzwerk mit 1,7 Millionen Teilnehmern und 600 Standorten in 60 Ländern sprechen für sich. 

Geld für die Forschung

Weiter geht es zum Max-Planck-Institut für Kohlenforschung am Kahlenberg. Hier machen derzeit 380 Mitarbeiter chemische Grundlagenforschung. In den dortigen Laboren, Büros, Werkstätten und Hörsälen geht es um auch energietechnisch relevante chemische Grundlagenforschung. Welch internationales Renommee das zwischen 1943 und 1969 vom Chemie-Nobelpreisträger Karl Ziegler geleitete Max-Planck-Institut für Kohlenforschung bis heute genießt, machen nicht nur die rund 15 Millionen Euro deutlich, mit denen die EU das Institut in den letzten zehn Jahren unterstützt hat. Auch die Tatsache, dass der geschäftsführende Direktor des Institutes, Prof. Dr. Tobias Ritter, nach einer zehnjährigen Lehrtätigkeit als Professor an der amerikanischen Elite-Universität Harvard an das Mülheimer Institut gewechselt ist, spricht dafür.
Wie am Max-Planck-Institut, wird auch in den Gesprächen an der Hochschule Ruhr-West deutlich, dass die Freizügigkeit des Europäischen Binnenmarktes für den Wissenschaftsbetrieb unverzichtbar ist. Auch wenn HRW-Vizepräsident Oliver Koch und Christiane Hinrichs die Europa-Aktivitäten der vor zehn Jahren gegründeten Hochschule als noch im Aufbau begriffen beschreiben, ist es doch beeindruckend, dass die EU die HRW seit 2009 mit insgesamt rund 500.000 Euro gefördert hat und dass die HRW inzwischen Partnerschaften mit Hochschulen in Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Ungarn, der Türkei, Österreich, Schweden, Finnland, Litauen und Lettland unterhält. Jährlich nutzen derzeit 20 Studierende die Möglichkeit, an einer der europäischen Partner-Universitäten zu studieren und so internationale Erfahrungen zu sammeln. Die EU unterstützt ihre Auslandssemester mit einem monatlichen Stipendium von maximal 450 Euro.

Förderung der sozial Schwachen

Dass die Europäische Union auch Geld für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik übrig hat, zeigt die letzte Station der EU-Tour durch Mülheim, die die 23 Bildungsreisenden zum U25-Haus der Sozialagentur an der Viktoriastraße. Hier berichten Anke Schürmann-Rupp, Andrea Faßbender und Birgit Mohr von 20 Projekten der Sozialagentur, in die seit 2007 Fördermittel der EU geflossen seien. Besonders gerne erinnern sie sich an das Projekt BIWAQ, in das die EU 700.000 Euro investierte. Mit diesem Geld konnten zwischen 2016 und 2018 rund 140 Langzeitarbeitslose durch gezielte Beratungs,- Trainings,- und Akquise-Maßnahmen wieder in Lohn und Brot gebracht werden.
Stimmen zur EU-Tour durch Mülheim:Franziska Sander (Dümpten): "Diese Tour hat mir zum Beispiel bei Zenit oder am Max-Planck-Institut Dinge gezeigt, die ich sonst nicht hätte entdecken können. Und dann noch zu hören, wo in Mülheim was mit Geldern der EU gemacht wird, war schon spannend."
Ilse Büllmann (Broich): "Bei dieser Tour habe ich so viel gesehen und gelernt. Das hätte ich mir alleine niemals anlesen können."

Monika Nover: "Jetzt weiß ich als überzeugte Europäerin, was ich Menschen sagen kann, wenn sie mich fragen: Was tut die EU eigentlich für uns?"
Elke Dombrowski aus Speldorf: "Ich bin begeistert, was die EU alles in Mülheim fördert. Ich bin jetzt nicht mehr so kritisch gegenüber der Europäischen Union eingestellt." 
Dietmar Prell aus Heißen: "Die Tour hat mir ganz neue und tiefe Einblicke vermittelt. Unseren Besuch beim Max-Planck-Institut fand ich besonders spannend. Und mir ist deutlich geworden wie dankbar wir sein können, dass wir auch dank der Europäischen Union in Frieden leben dürfen."

Dieser Text erschien am 14. Mai 2019 im Lokalkompass der Mülheimer Woche

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