Wer eine Reise macht, der kann was erleben. Das gilt auch für
eine Straßenbahnfahrt. Fahrgäste warten auf ihre Straßenbahn. Die kommt pünktlich.
Doch der Fahrer lässt seine Fahrgäste nicht einsteigen. Die Türen der Tram
bleiben geschlossen und aus dem Haltestellenlautsprecher ertönt die
Aufforderung: „Nicht einsteigen!“ Die Fahrgäste stehen wie der Ochse vorm Berg.
Nur, dass auf dem Richtungsanzeiger kein Ziel, sondern Dienstfahrt steht, lässt
die ausgesperrten Fahrgäste ahnen, dass da was nicht stimmt. Hat der Fahrer
seine gesetzliche Arbeitszeit überschritten und will ungestört in den
Feierabend fahren? Zugegeben. Fahrgäste können manchmal ganz schön nerven und
den Fahrer von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Fahren, ablenken.
Aber Fahrgäste sind auch nur Menschen und dazu noch zahlende
Kunden eines Vekehrsunternehmens, die mit dem festen Vorsatz in Busse und
Bahnen einsteigen, ihr Ziel pünktlich zu erreichen. Als solche hätten sie sich
eine Durchsage gewünscht, die über „Nicht einsteigen!“ hinausgegangen und den
Grund für die unerwartete Aussperrung und die damit verbundene zusätzliche
Wartezeit erklärt hätte.
Erst später erfahre ich auf eigene Nachfrage aus berufenem Munde,
dass die verschlossene Straßenbahn defekt war und deshalb keine Fahrgäste
zusteigen lassen konnte. So ist die verkorkste Straßenbahnfahrt ein Sinnbild dafür,
was bei unserer gesellschaftspolitischen Zeitreise schiefläuft. Wo klare
Ansagen zur rechten Zeit fehlen und Menschen nicht mitgenommen werden, braucht
man sich nicht wundern, wenn immer mehr von ihnen nicht mehr ein,- sondern nur
noch aussteigen und nicht mehr mitfahren und bezahlen wollen. So wird die
Dienstfahrt im Zug der Zeit zur Farce. Vielleicht sollte man unsere Steuerleute
in ihren Chefetagen wie bei der Papst-Wahl im Konklave solange einsperren bis
sie zu gescheiten Ergebnissen kommen. Bis dahin hieße die klare Ansage: „Nicht
aussteigen!“
Dieser Text erschien am 11. Mai 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
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